Vergangenes Jahr sind die deutschen Klimagasemissionen weder gestiegen. Eine Energiewende, die auch eine Emissionswende wäre, ist aus der Statistik der vergangenen zehn Jahre nicht abzuleiten. Das scheint niemanden zu stören, vor allem nicht die Akteure im Tourismus. Die Luftfahrt redet seit Jahren ihren Beitrag zum Klimawandel klein, um dann "Lösungen" zu präsentieren, die weder wissenschaftlich nachvollziehbar noch zielführend sind.
Die Kreuzfahrt versteht sich ebenfalls nicht als Problem, obwohl es kaum eine Urlaubsform gibt, die pro Reise mehr Emissionen verursacht. Die Automobilindustrie verantwortet ein Vierteljahrhundert unverminderter Emissionen im Strassenverkehr. Die deutschen Reiseveranstalter haben Schwierigkeiten, selbst bescheidene Klimakompensationszahlungen in den Reisepreis zu integrieren. Die Hotellerie hat nicht einmal Interesse an ökonomisch rentablen Möglichkeiten, operative Kosten durch Energiesparmassnahmen zu senken. Noch nie wurde in Deutschland so viel über Klimaschutz geredet und im Verhältnis dazu so wenig getan.
Im krassen Gegensatz dazu stehen die Notwendigkeiten. Wir müssen Emissionen reduzieren. Umgehend. Eine kürzlich erschienene Studie in der Zeitschrift "Science" rechnet vor, dass Emissionen in jedem Jahrzehnt um 50 Prozent reduziert werden müssten, um die im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele zu erreichen. Dazu soll der Ausgangspreis 50 US-Dollar pro Tonne CO2 betragen und bis zum Jahr 2050 auf 400 Dollar steigen. Wer die Grössenordnung des Problems bislang missverstanden hat, kann die Kosten von Klimaschutz jetzt konkret nachvollziehen. Energieintensive Fern- und Kreuzschifffahrtreisen müssten bis zu mehrere Hundert Euro teurer sein. Für die Branche sollte jetzt Folgendes gelten.

Konsequenzen ziehen

Seit mindestens zehn Jahren ist die Herausforderung klar definiert, aber niemand hat Konsequenzen daraus gezogen. Wer in den Chefetagen weiterhin Ausflüchte sucht, handelt weder gesellschaftlich noch ökonomisch verantwortungsvoll.
Klimagasemissionen aller Reisen müssen beziffert werden. Eine Klimaabgabe von 50 Euro pro Tonne CO2 wird verpflichtend für alle in Deutschland verkauften Reisen eingeführt.
Die Politik bekommt das Mandat der Tourismusbranche, Klimaschutz umzusetzen. Sie handelt auch danach. Klimaschutz wird eine Priorität der Politik, auch des offensichtlich stark lobbygesteuerten Verkehrs- bzw. Wirtschaftsministeriums.
Bedeutet das dann das Ende des Tourismus? Ganz sicher nicht. Wir werden weiter reisen, das wird kein seriöser Akteur im Tourismus in Frage stellen. Am Ende geht es vielleicht um etwas anderes. Millennials und Generation Z werden sich einmal fragen, warum in Deutschland, einem der reichsten Industrieländer der Erde, nicht einmal Massnahmen zum Klimaschutz umgesetzt werden konnten, die weniger kosten als eine Reiserücktrittversicherung. Man kann spekulieren, dass angesichts der Folgen des Nicht-Handelns der Wunsch in diesen Generationen aufkommen könnte, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die immer wieder Argumente gefunden haben, um Klimaschutz zu verhindern. Der Stillstand und seine Verwalter sind gut dokumentiert. Es wäre wünschenswert, wenn das jetzt für den Fortschritt gelten könnte.

Stefan GösslingStefan Gössling ist Professor an der School of Business and Economics der Linnaeus University in Klamar, Schweden.

Stefan GösslingStefan Gössling ist Professor an der School of Business and Economics der Linnaeus University in Klamar, Schweden.