Die Skigebiete Titlis, Melchsee-Frutt und Hasliberg hegen Ausbaupläne. Bedroht ist das Wanderparadies auf der Engstlenalp. Naturschützer sind entsetzt.
Arnold Kappler hat ambitionierte Pläne: Er ist Projektleiter des Schneeparadieses Hasliberg-Frutt-Titlis und kämpft für den Zusammenschluss der drei eher kleinen Skigebiete zu einer einzigen, statthaften Skidestination mit an die 200 Pistenkilometern. Ganz wie es der heutige Trend gebietet. Verbindungsglied wäre die Engstlenalp: Sie liegt zwischen dem Einzugsgebiet der Titlisbahnen und den Skianlagen von Melchsee-Frutt.

Die Alp gibt zu streiten: Die einen sehen in ihr ein schutzbedürftiges Juwel der Natur, die andern ein schlecht genutztes touristisches Gelände. Auf 1650 Meter gelegen, mit See, Hotel, Schaukäserei, ein paar Hütten und Ställe, sowie 25 Alpgenossen. Hinzu kommen einige naturliebende Touristen, die sich vornehmlich auf Tourenskis oder Schneeschuhen fortbewegen. Vornehmlich. Einige werden auch mit einem motorbetriebenen Schneemobil ins Alptal transportiert – und bei Bedarf weiter ans Ende des Engstlensees, wo ein Sessellift zum Jochpass führt. Im Sommer fährt zudem ein Postauto auf die Alp.

Die Engstlenalp sei zwar zu einem schönen Teil Naturschutzgebiet, doch ganz naturbelassen sei sie längst nicht mehr, sagt denn auch Projektleiter Arnold Kappler. Hans Fritschi von Pro Natura Bern kontert, das von den Sportbahnen vorangetriebene Projekt verwandle die Alp in die eigentliche Drehscheibe des geplanten Skizirkus. Statt Naturidylle würde man fortan Rummel erleben. Und zudem den Steinböcken, Gämsen und Schneehühnern ihren Lebensraum stehlen. Das Projekt sei jenseits von Gut und Böse, sagen die Gegner aus den Reihen von Pro Natura, WWF, der Stiftung für Landschaftsschutz Schweiz und einigen SAC-Sektionen. Die Initiatoren ihrerseits betiteln die Kritik als Fundamentalopposition und die Kritiker als Projektkiller: Der Ton zwischen den beiden Parteien ist mittlerweile eher rauh.

Das hat auch damit zu tun, dass am Projekt schon länger herumgetüftelt wird und es immer wieder Veränderungen erfährt. So rühmten die Initiatoren zu Beginn – im Jahr 2003 – das Gebiet an der Grenze zwischen Berner Oberland und der Innerschweiz als absolut schneesicher. Nun sprechen sie von Beschneiungsanlagen, die von November bis März für gute Pistenverhältnisse sorgen sollen. Die neu erschlossene Piste im Schaftal beispielsweise würde künstlich beschneit.

Gegner befürchten grosse Eingriffe
Die Gegner befürchten, dies sei nur der Anfang: Längerfristig würden auch die Hänge vom Graustock Richtung Melchsee-Frutt beschneit. Dies sei umso verwerflicher, erklärt Christine Neff von der Stiftung für Landschaftsschutz, als diese Pisten zum Teil in Karstgebiet zu liegen kämen. Der Karst ist spitzig _ künstlich beschneien kann man aber sinnvollerweise nur flache Unterlagen. Also wäre laut Gegner eine irreversible Umgestaltung der Landschaft vonnöten: Felsformationen würden gesprengt oder abgetragen, die Hänge planiert, und für die Wasserzufuhr der Anlage ein tiefer Graben durchs Gelände gezogen, prognostizieren sie. «Da entsteht kein Schneeparadies, sondern eine Kunstschneehölle», echauffiert sich Hans Fritschi von Pro Natura.

«Die Frage, ob wir auch das Karstgebiet beschneien, ist offen», sagt hingegen Albert Wyler, Geschäftsführer der Titlis Bergbahnen – stellt aber nicht in Abrede, dass der künstliche Schnee weitreichende Eingriffe bedingen würde. Doch die Projektinitiatoren nähmen die Bedenken der Naturschützer durchaus ernst, betont Wyler. Auch aus Eigenintresse: «Wenn wir eine Bewilligung wollen für unser Projekt, so muss es die Umweltverträglichkeitsprüfung überstehen. Zudem ist es bestimmt nicht unser primäres Ziel, die ganze Landschaft umzupflügen.» So sei das Projekt auch aus naturschützerischen Überlegungen redimensioniert worden: Statt insgesamt neun neuer Anlagen sind laut Wyler nur noch sechs vorgesehen. «Wir wollen nicht mehr möglichst viele schöne Hänge erschliessen, sondern nur noch jene, die dem Zusammenschluss dienen.»

Hoffnung auf mehr Wochengäste
Klar ist aber auch: Dem Naturschutz steht die Rentabilität gegenüber. Das Projekt – mit einem Investitionsvolumen von geschätzten 35 bis 50 Millionen Franken – muss sich längerfristig auszahlen. Die Initiatoren hoffen, das Schneeparadies werde endlich die gewünschten Wochenaufenthalter bringen und die Anzahl der Übernachtungen in der Region steige so um 20 bis 30 Prozent. Die einzelnen mittelgrossen Gebiete Engelberg, Melchsee-Frutt und Hasliberg zögen heute vor allem Tagesausflügler an, sagt Projektleiter Kappler. Denn einem guten Skifahrer werde es mit den paar Liften nach spätestens zwei Tagen langweilig. Der Zusammenschluss brächte ihm die nötige Abwechslung, glauben die Promotoren. Kommt hinzu, dass die Titlisbahnen – treibende Kraft hinter dem Projekt – mit dem Ausbau auf der Engstlenalp endlich zu sanften und sonnigen Südhängen kämen, wo doch ihre Stammpisten eher schroff und schattig sind.

Genau dieser Punkt nährt die Skepsis der Gegner: Sie argwöhnen, der propagierte Zusammenschluss sei nur Tarnung, weil Verbindungsanlagen in der Regel leichter bewilligt werden als die Erschliessung neuer Skigebiete. Und deshalb bekämpfen die Gegner den Ausbau auf der Engstlenalp von allem Anfang an. Bereits haben sie Einsprache gegen die Teilzonenplanung Engstlenalp erhoben. Vor allem aber rüsten sie sich für den Sommer: Dann wollen die Initiatoren ihr Projekt öffentlich auflegen und im Herbst die Behörden um die Konzession für die ersten beiden Anlagen ersuchen.

«Unsere Einsprache ist sicher», sagt Hans Fritschi. Man sei übereingekommen, das Projekt rechtlich zu bekämpfen – wenn nötig bis vor Bundesgericht. Und wenn dies nichts nützt, so wollen die Gegner politische Mittel ergreifen. Die Projektleiter stellen sich schon mal auf lange Verfahren ein: «Vor 2010 werden wohl keine Anlagen gebaut», sagt Arnold Kappler. Ob sie danach gebaut werden, ist zumindest unsicher.
Der Artikel erschien  erstmals im Tagesanzeiger vom 14. Februar 2008, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung