Ariya Pushpan ist 65 Jahre alt. Sie hat weisses Haar und kann ein wunderschönes Lächeln auf ihr Gesicht zaubern, wenn man sie zum Lachen bringt. Viel zu Lachen hat sie allerdings nicht. Die Tamilin lebte lange Zeit auf einer Insel bei Kalpitiya im Nordwesten Sri Lankas, wo sie auf ihrem kleinen Stück Land Gemüse, Früchte und Kokosnusspalmen anpflanzte. Nebenbei unterstützte sie tatkräftig ihren Mann, der die meisten Nächte unter gefährlichen Bedingungen im Meer fischte. Sie war sehr zufrieden mit ihrem Leben und blieb auf der kleinen Insel bei Kalpitiya vom brutalen Krieg fast komplett verschont. Kämpfe gab es in dieser Region keine.

Mehr als nur ein Stück Land

Vor 13 Jahren starb Ariyas Ehemann. Alleine war es für sie sehr schwierig, sich um ihre Kinder zu kümmern. Glücklicherweise waren diese aber schon fast erwachsen und sie konnte wenige Jahre später aufs Festland zu ihrem Sohn ziehen. Sie kehrte allerdings regelmässig zu ihrem kleinen Stück Land zurück, um dort weiterhin Landwirtschaft zu betreiben. Dieses zusätzliche Einkommen war wichtig für ihre Familie und gab ihr viel Selbstvertrauen. Ihre beiden Söhne unterstützten sie dabei. Sie halfen ihr bei der landwirtschaftlichen Arbeit, verdienten aber ihren Lebensunterhalt durch das Fischen, wie ihr Vater dies schon tat.

Das Gewaltsame Verschwinden ihres ältesten Sohnes

Obwohl die kleine Insel bei Kalpitiya vom Bürgerkrieg grösstenteils verschont blieb, arbeitete einer von Ariyas Söhnen, Joseph Arulananthan, während des Krieges als Spion für die sri-lankische Marine. Gleichzeitig verdächtigte man ihn aber auch, Informationen an die "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) zu liefern. Dies wurde ihm zum Verhängnis. An einem Abend im Jahr 2008 wurde er von mehreren Marineoffizieren abgeholt. Seither fehlt jede Spur von ihm. Ariya hofft noch immer, dass ihr Sohn lebt und hat den Fall sogar mithilfe eines lokalen Menschenrechtsaktivisten an die UNO weitergeleitet. Zudem wandte sie sich unzählige Male an die lokalen Gerichte und die sri-lankische Menschenrechtskommission. Bisher ohne Erfolg. Ihren Hilferuf richtete sie auch an mich: "Bitte hilf mir, meinen Sohn endlich zu finden! Oder wenigstens herauszufinden, was mit ihm passiert ist…" – Ihr Appell bleibt mir unvergesslich.

Landraub durch das "Dutch Bay Resort"

Als Ariya hörte, dass Investoren in der näheren Umgebung ein Hotel bauen, grenzte sie ihr Land mit einem kleinen Zaun ein, um es vor Eindringlingen zu schützen. Aber als sie sich zwei Wochen später wieder auf den Weg zu ihrem kleinen Landabschnitt machte, war der gesamte Zaun zerstört. Der Hotelier des "Dutch Bay Resorts" war gewaltsam in ihr Land eingedrungen. Ein Jahr später erfuhr Ariya, dass der Hotelbesitzer ihr Land illegalerweise von einer anderen Person gekauft hatte. Auch Lokalpolitiker sollen an diesem dreckigen Deal beteiligt gewesen sein. Sie fälschten Dokumente und verkauften diese an den Hotelier weiter. Ariya wusste bis zu diesem Zeitpunkt nichts davon. Dabei wollte sie doch nur zu ihren Kokosnusspalmen schauen.

Beschwerde bei der Polizei

Ariya besitzt die echten Dokumente, die beweisen, dass das Land ihre gehört, sie zeigte sie mir. Sofort nachdem Ariya von der illegalen Transaktion erfahren hatte, reichte sie eine Beschwerde bei der Polizei ein. Aber da der politische Einfluss der involvierten Personen wohl gross ist, nahm die Polizei die Sache nicht wirklich ernst. Leider verfügt Ariya nicht über die finanziellen Mittel, um eine Anklage gegen das "Dutch Bay Resort" einzureichen. Die Erfolgsaussichten wären gut. Ihre Freundin und ehemalige Nachbarin, Senul Abdeen Saleema, erhielt vor Gericht Recht. Die Muslimin konnte sich zwar über eine Entschädigung freuen, ihr Land verlor sie aber trotzdem.

Ihre Kokosnusspalmen stehen noch

An einem wunderschönen Samstagmorgen nahm Ariya mich mit auf ihr kleines Stück Land. Ein Stacheldrahtzaun grenzt das Areal des "Dutch Bay Resorts" ab. Allerdings gibt es einen Durchgang für Fahrzeuge. So konnten wir uns Zutritt zu ihrem Land verschaffen und wurden dabei glücklicherweise nicht entdeckt. Gebaut hat der Hotelier auf diesem Areal noch nichts. Er brauche das Land jedoch, um später sein Resort zu erweitern. Ariya zeigte mir die sechs Kokosnusspalmen und die Stellen, wo sie früher überall Früchte und Gemüse angepflanzt hatte. Beim Erzählen stiegen ihr Tränen in die Augen. Als ich jedoch Witze über das Ausbleiben der Gäste des "Dutch Bay Resorts" machte, hat sie herzlichst zusammen mit mir gelacht.