Wie viele andere Gemeinschaften im Süden leiden auch zahlreiche palästinensische Ortschaften zunehmend unter akutem Wassermangel. Obwohl das Klima in Israel und Palästina von Natur aus regenarm ist, hat diese Notlage ihren Ursprung hauptsächlich in der ungleichen Verteilung des Wassers. Eine breitere Anerkennung des Rechts auf Wasser als Menschenrecht würde viele Gemeinschaften in ihrer Forderung nach einer gerechteren Verteilung unterstützen.
Wasserquellen in Palästina und Israel
Das Wasser in Israel und Palästina stammt aus drei Hauptquellen: dem Jordan und zwei unterirdischen, grundwasserführenden Schichten, in der Geologie Aquifere genannt. Während sich das Küstenaquifer (Coastal Aquifer) vom Berg Karmel bei Haifa im Norden bis hinunter zum Gazastreifen im Süden erstreckt, ist das Gebirgsaquifer (Mountain Aquifer) ein unterirdisches Kanalsystem, das hauptsächlich vom Regenfall im hügeligen Westjordanland gespeist wird. Obwohl 85 Prozent des Gebirgsaquifers im beziehungsweise unter dem Westjordanland liegen, schränkt Israel den Zugriff der Palästinenser und Palästinenserinnen auf diese Wasserressourcen extrem ein; nur ein Fünftel des Wassers darf auf palästinensischer Seite konsumiert werden, während die übrigen vier Fünftel nach Israel umgeleitet werden. Seit 1967 wurde der palästinensischen Bevölkerung zudem die Ausübung der Anrainerrechte auf das Wasser des Jordans verweigert: Der Hauptteil dieses Wassers wird flussaufwärts ins israelische Netz und in den jordanischen King Abdullah-Kanal abgeleitet.
Noch um einiges prekärer ist die Wassersituation im dicht besiedelten Gazastreifen: Die palästinensische Wassergesellschaft darf ihre Leitungen nur aus dem Gazaaquifer speisen, dem südlichsten Teil des Küstenaquifers. Da dies bei nachhaltiger Nutzung die Bedürfnisse nicht abdecken kann, ist der Wasserpegel durch Übernutzung stark gefallen, was zur Folge hat, dass Salzwasser aus dem nahen Mittelmeer ins Aquifer eindringt. Höchstens 10 Prozent des Wassers, das die Einwohnerinnen und Einwohner des Gazastreifens beziehen, entspricht dem Standard für Trinkwasser der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die schlechte Wasserqualität hat weit reichende Folgen für die Gesundheit der Menschen im Gazastreifen.
Unausgeglichene Verhältnisse bei Verbrauch und Zugang
In Israel wird pro Kopf mehr als viereinhalb mal soviel Wasser konsumiert wie im palästinensischen Westjordanland und Gazastreifen: Im Durchschnitt konsumieren Palästinenserinnen und Palästinenser pro Kopf 60 Liter Wasser am Tag, während israelische Bürgerinnen und Bürger 280 Liter am Tag verbrauchen (Konsum für Haushalte und kommunale Bedürfnisse, ohne Landwirtschaft und industrielle Nutzung). Die Weltgesundheitsorganisation hat eine Mindestmenge von 100 Litern pro Kopf definiert, die nötig ist, um die Grundbedürfnisse auf Haushalts- und Gemeindeebene zu decken.

Die Folgen der ungleichen Verteilung werden auch dadurch verschärft, dass sowohl Flächendeckung wie auch Funktionsfähigkeit des palästinensischen Wassersystems begrenzt sind. 220’000 Palästinenserinnen und Palästinenser im Westjordanland leben in Dörfern, die nicht an die Leitungen eines Wassersystems angehängt werden dürfen. Sie müssen das Wasser von Tankwagen kaufen und zahlen dafür drei- bis zehnmal soviel wie für Leitungswasser verlangt wird. Dazu kommt, dass die Zulieferung nicht immer gewährleistet ist, da willkürliche Ausgangs- und Strassensperren und die Zerstörung von Strassen in palästinensischem Gebiet durch die israelische Armee den Zugang von Lastwagen zu gewissen Dörfern erschweren können.
Israel knüpft eine Zusammenarbeit mit der palästinensischen Behörde und anderen Organisationen für den Ausbau des Wassersystems an die Bedingung, dass die illegalen Siedlungen im Westjordanland auch ins System integriert werden. In den Oslo-Abkommen wurde festgehalten, dass jedes Infrastrukturprojekt, wie z.B. das Bohren eines neuen Brunnens oder der Bau eines Reservoirs, der Zustimmung Israels bedarf. Diese Zustimmung ist jedoch nur sehr schwer erhältlich. Das Jerusalem-Institut für angewandte Forschung (ARIJ) hat dokumentiert, dass zwischen 1967 und 1990 nur 23 Bewilligungen für neue Brunnen an Palästinenser vergeben wurden. In der gleichen Zeit bohrte Israel 32 neue, tiefe Brunnen im Herzen des Westjordanlands, um seine illegalen Siedlungen mit Wasser zu versorgen.
Die Situation im Gazastreifen war schon lange vor dem jüngsten Krieg ausserordentlich schwierig. Während des Krieges hat sich die Lage zugespitzt, und unzählige Menschen waren mehrere Tage lang von der Wasserversorgung abgeschnitten. Da Israel alle Grenzen kontrolliert und schon seit Jahren praktisch geschlossen hält, ist es nicht möglich, dringend benötigtes Material für Reparaturen und den Ausbau der Wasser- und Abwasserleitungen einzuführen. Ein Grossteil der Bevölkerung leidet unter Wassermangel und fehlendem Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Zunehmende Umweltprobleme gefährden das Trinkwasser
Zusätzlich zu den Problemen beim Zugang zu Wasser stellt sich die grundlegende Frage, wie gewährleistet werden kann, dass auch in Zukunft sauberes Trinkwasser für die Menschen in Palästina und Israel vorhanden ist. Eine zunehmende Verschmutzung durch Abwasser und Industrieabfälle bedroht die Qualität der natürlichen Wasserressourcen. Die Abwasseraufbereitung befindet sich in einer tiefen Krise: Im Westjordanland gibt es nur eine funktionsfähige Abwasserreinigungsanlage für eine Bevölkerung von 2.3 Millionen Menschen, und im Gazastreifen sind die drei existierenden Anlagen überlastet und bedürfen Reparaturen und einer Erweiterung. Aufgrund dieser Situation fliessen 90 Prozent des Abwassers im Gazastreifen ohne Reinigung in die Natur. Die Blockade des Küstenstreifens hat zu fortgesetzten Stromausfällen geführt, was wiederum eine Überlastung des Abwasserreinungungssystems nach sich gezogen hat. Im Februar 2008 zum Beispiel wurden täglich 50-60 Millionen Liter gänzlich unbehandeltes und nur teilweise gereinigtes Abwasser direkt ins Meer geleitet.

Da sowohl die Bewohnerinnen und Bewohner des Gazastreifens wie auch die des Westjordanlands ihr Trinkwasser aus Grundwasser gewinnen, hat die Verschmutzung des Bodens durch das Absickern von ungereinigtem Abwasser schlimme, gesundheitsschädigende Folgen. Es braucht dringend einen Weg aus der politischen Sackgasse, in der sich die Region zurzeit befindet, damit alle betroffenen Parteien diese Probleme ernsthaft, sachbezogen und in gegenseitigem Austausch angehen können. Nur so können die verbleibenden Wasserressourcen geschützt und gerecht verteilt und die Umweltprobleme angegangen werden.
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Das 5. Weltwasserforum in Istanbul
Obwohl der 3. Bericht der UNO zur Situation des Süsswassers dramatisch ist, war am 5. Weltwasserforum von Seiten der MinisterInnen kein Wille zum Handeln erkennbar. Die Meinungen der Regierungs- und Wirtschaftsvertreter und jene der vielen anwesenden NGOs (Gewerkschaften, Umwelt- und Bauernverbände, Menschenrechts-, Entwicklungs, und KonsumentInnen-Organisationen, Indigene usw.), die sich zuvor am alternativen Weltwasserforum trafen, hätten kaum weiter auseinander liegen können. Während die NGOs die Staudammprojekte und insbesondere den geplanten Ilisu-Staudamm am Tigris bekämpfen, rief der für internationale hydrologische Programme zuständige Unesco-Direktor Andras Szöllögy-Nagy zum Dammbau auf und erntete dafür Applaus. Auch die Privatisierung der Wasserversorgung scheint angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder salonfähig zu sein, trotz aller negativen Beispiele in Afrika, Asien und Lateinamerika. Das Forum wurde massgeblich finanziert und getragen von Wasser- und Energiekonzernen wie Veolia, Suez und RWE.

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Quellen: Alternative Tourism Group (2008): Palestine & Palestinians, Ramallah, www.thelifesourceproject.org, Bild: www.passia.org/palestine_facts/MAPS/newpdf/Surface-Water.pdf; Zum Weltwasserforum: www.alliancesud.ch