Lieber Dr. Sommerferien 

Für einen Reiseveranstalter organisieren wir Bikereisen grösstenteils in Entwicklungsländern. Da stellen uns Kunden immer wieder die Frage, welche Geschenke sie unterwegs verteilen können an die Einheimischen. Bis anhin haben wir das Ganze mehr oder weniger unterstützt, nun stellen wir uns aber vermehrt die Frage, ob man diese Geschenkli-Politik unterstützen soll oder welche Tipps an die Kunden – aber auch Guidelines an die Reiseleiter – wir geben sollen. Ich persönlich habe es in Madagaskar erlebt… an Strecken wo keine Touristen vorbeikommen, nur wir mit unseren Velofahrern, warten sie schon und halten die Hand auf… Ständig wird nach Bonbons gerufen und unsere Kunden haben wir zurechtweisen müssen, dass sie keine Bonbons verteilen sollen.  

Haben Sie sich mit diesem Thema auch schon auseinandergesetzt, so dass Sie uns ein paar Tipps oder Inputs geben können? 

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung. 

Liebe Grüsse 
Sandra Seidel
 

Liebe Sandra Seidel

Manche TouristInnen haben tatsächlich intensive Vorarbeit geleistet mit dem Verschenken von kleinen Goodies und bei Einheimischen eine entsprechende Erwartungshaltung aufgebaut.  

Meist sind die Geschenke ja gut gemeint. Leider werden die negativen Wirkungen dabei aber häufig nicht bedacht.  

Indem TouristInnen über das Verteilen von Goodies Einheimische dazu verleiten, die offene Hand hinzustrecken, werden diese zu BettlerInnen deklassiert. Das ist alles andere als eine respektvolle Form der Begegnung, sondern zementiert das Bild des "Weissen Retters" der den anscheinend "immer Bedürftigen" heldenhaft beisteht und weiss, was sie brauchen. Bei einer ersten Begegnung wäre offenes wertfreies Wahrnehmen, Zuhören und Lernen wohl angebrachter. 

Gut ist, dass Sie Ihre Kundinnen und Kunden davon abhalten, Süssigkeiten zu verteilen. Denn diese können zu Zahnschäden führen, für deren Reparatur häufig Mittel und Möglichkeiten fehlen. Schreibwaren wie Kugelschreiber oder Buntstifte – oft gedacht zur Unterstützung der Bildung – werden mehrheitlich gehandelt und für Geld eingetauscht. Der Handel mit den Geschenken aus dem Ausland schwächt auf diese Weise den lokalen Markt. Kleidergeschenke erfahren dasselbe Schicksal oder dienen als Statusobjekte – was das Klischee fördert, europäische Waren seien irgendwie besser als andere. 

Wo häufig BesucherInnen Geschenke mitbringen, werden manche Eltern dazu verleitet, ihre Kinder regelrecht "auf die Jagd" nach einem solchen Zusatzverdienst zu schicken. Das ist sicher nicht das, was die Schenkenden bewirken wollten.  

Etwas anderes sind Gastgeschenke bei persönlichen Einladungen: Ich erkundige mich jeweils, was in der Region, die ich besuche, üblich ist. Für spontane GastgeberInnen finde ich meist vor Ort etwas Passendes. 

Als Reisende helfen wir grundsätzlich am besten, indem wir so nachhaltig wie möglich unterwegs sind und nach Anbietern von Unterkünften und Aktivitäten Ausschau halten, die faire Löhne und Arbeitsbedingungen, eine regionale Lieferkette und einen guten Kinderschutz garantieren. Wer darüber hinaus für die lokale Bevölkerung etwas tun möchte, findet überall lokale Organisationen und Fachstellen, die mit einer Spende gute Arbeit leisten.  

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben. Falls Sie Rückfragen oder Bemerkungen haben, gerne! 

Beste Grüsse

Haben auch Sie eine Frage zu Nachhaltigkeit auf Reisen? Dr. Sommerferien freut sich über Ihre E-Mail an info@akte.ch.