Geschichtsklitterung: Zehn Ständeräte wollen die eigene GPDel desavouieren!
Der Vorstoss Inderkum kommt einer Desavouierung der Delegation der Geschäftsprüfungskommission (GPDel) gleich, dem obersten parlamentarischen Aufsichtsorgan über den Staatsschutz und Nachrichtendienst, und deren 2003 veröffentlichten Bericht über die «Kontakte des schweizerischen Nachrichtendienstes zu Südafrika zurzeit des Apartheidregimes».
Massive Aktenvernichtung
Als der vom Dienst beurlaubte Peter Regli im September 1999 mit der Archivierung der bestehenden Unterlagen und deren Übergabe ans Armeearchiv beauftragt wurde, kam es gemäss GPDel zu massiver Aktenvernichtung und schliesslich wurde dem Bundesarchiv noch ein «Dossier von rund 10 cm Dicke» abgeliefert. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen waren «gravierend» und erlaubten der Kommission keine «Bewertung unter inhaltlichen Gesichtspunkten». Dabei ging es um die gewichtige Frage der Zusammenarbeit des schweizerischen militärischen Nachrichtendienstes mit dem Militär und dem Geheimdienst Südafrikas während der Apartheid und damit um Fragen von schweren Menschenrechtsverletzungen, Geheimprogrammen zur Herstellung von chemischen und biologischen Waffen und um die Unterlaufung des vom UNO-Sicherheitsrat verhängten Waffenembargos gegenüber Südafrika und seiner Resolutionen betreffend das von Südafrika militärisch besetzte Namibia.
Bewusst Informationen vorenthalten
Die Aktenvernichtung erschwert eine Aufklärung dieser Fragen ungemein. Dabei hatte der Bundesrat im September 1999 in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage festgehalten: « der Bundesrat betrachtet die sorgfältige Archivierung der Unterlagen seiner Verwaltung im Interesse der historischen Forschung für eine unabdingbare rechtsstaatliche Pflicht». Dass die Informationsvernichtung System hatte und hat zeigt der Sachverhalt, dass Peter Regli der GPDel «nicht allzu genau», «vorschnell» und «unpräzis» Auskunft gegeben hat. Sie hielt deshalb fest: «Es fällt also auf, dass Peter Regli im Verlauf der diversen Untersuchungen der GPDel bewusst wesentliche Informationen vorenthalten und damit eine umfassende Aufklärung gewisser Vorfälle verhindert hat». Die Weigerung von Peter Regli zur Aufklärung beizutragen hält auch der Schlussbericht der Administrativuntersuchung Schweizer vom Dezember 2002 fest: «Was meines Erachtens am schwersten zu verstehen ist, ist, warum Div Regli in seiner hohen Stellung und Verantwortung nicht schon längst alle Fakten über diese für die Schweiz kritischen Beziehungen, soweit es ihm möglich war, vollständig offengelegt hat. Er hat damit wohl auch dazu beigetragen, dass sich die Abklärungen über die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit Südafrika seit 1997 immer weiter fortsetzten.»
Kontakte zu einer kriegsführenden Partei – geltendes Recht verletzt?
Beide Berichte listen schwerwiegende Fakten auf. Darunter die aktive Unterstützung der UNITA-Rebellen in Angola durch Lieferung von strategischen Unterlagen (Flugbilder) und Informationen an die südafrikanische Armee sowie die Anwesenheit von schweizerischen Militärpersonen bei offenen Kriegshandlungen. Schweizer hält hierzu unmissverständlich fest: «Diese Kontakte zur UNITA galten einer unmittelbar kriegführenden Partei im südlichen Afrika. Es ist offensichtlich, dass diese Kontakte den politischen Verpflichtungen des Nachrichtendienstes nicht entsprachen.» Und er stellt die Frage nach der Verletzung von schweizerischem und Völkerrecht: «Anders gesagt: wenn die südafrikanischen Partner in den 80er und frühen 90er Jahren in den Briefings von Operationen der Streitkräfte und der Sicherheitskräfte in Angola und Moçambique sowie von der Unterdrückung von Aufständischen, von psychologischer Kriegsführung oder konterrevolutionären Strategien im Land selbst berichteten, so war die Frage nicht zu umgehen, ob hier nicht zum Teil Verhaltensweisen beschrieben wurden, die in der Schweiz nach Gesetz und Völkerrecht strafbar wären und … von Armeeangehörigen nicht ausgeführt werden dürften.»
Kein Whitewashing!
Aufgrund der vorliegenden Fakten und Indizien hat die Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im Südlichen Afrika (KEESA) den Entscheid der Bundesanwaltschaft, das Strafverfahren gegen Peter Regli einzustellen dannzumal kritisiert. Sie erwartet jetzt von den Ständerätinnen und Ständeräten, dass sie mit engagierten Voten der Interpellation Inderkum entgegentreten. Denn weder darf Peter Regli politisch weiss gewaschen, noch im Nachhinein die – von der GPDel ebenfalls monierte – Apartheid freundliche Politik des militärischen Nachrichtendienstes unter seiner Führung gutgeheissen werden.
In den letzten Jahren sind immer wieder neue Tatsachen aufgetaucht, welche eine Neubeurteilung der schweizerischen Zusammenarbeit mit Südafrika nötig machten. Gegenwärtig sind neue Recherchen im Gange. Das Kapitel über die Beziehungen Schweiz – Apartheidstaat, wie auch zur Rolle des schweizerischen Nachrichtendienstes und dessen Chef Peter Regli ist noch lange nicht geschlossen.
Pressemitteilung vomn 19.09.2007. Weitere Auskünfte:
Barbara Müller, Koordination KEESA, +41 (0)61 681 80 84
Urs Sekinger, Solifonds, +41 (0)44 272 60 37