Mit überwältigender Erleichterung und Freude verfolgte ich die Berichterstattung über die Freilassung von Aung San Suu Kyi aus ihrem Hausarrest. Wie Millionen anderer Menschen weltweit, teilten auch meine Elders-Kollegen* die Freude des burmesischen Volkes, Aung San Suu Kyi nach so langer Zeit wieder in Freiheit zu sehen.
Erst letzte Woche war es mir endlich möglich, ein wunderbares Gespräch mit unserem Ehrenmitglied zu führen.
Die Lady – oder meine Schwester, wie ich sie nenne – ist so würdevoll, ausgeglichen und voller Selbstvertrauen – und sie hat einen fantastischen Sinn für Humor. Ständig schien sie in Lachen ausbrechen zu wollen. Ihre Anmut und Duldsamkeit trotz allem, was sie durchgemacht hat, sind eine Lehre für uns alle.
Während unserer Unterhaltung erzählte ich ihr, dass wir an unseren Treffen immer einen leeren Stuhl, der mit burmesischer Seide bezogen ist, für sie und die anderen politischen Flüchtlinge ihres Landes haben. Im Gegenzug bedankte sie sich für die Unterstützung, die sie erhielt.
Sie berichtete mir vom Bedürfnis nach nationaler Versöhnung und von ihrer Hoffnung, dass das burmesische Volk eines Tages die Früchte der Demokratie geniessen kann. Trotz ihrer Freilassung solle die internationale Gemeinschaft Burma jetzt nicht ihre Aufmerksamkeit entziehen – das Land sei noch lange nicht frei.
Als meine Schwester sagte, dass sie nicht frei sei, so lange das burmesische Volk nicht frei ist, entgegnete ich ihr, dass niemand auf der ganzen Welt wirklich frei ist, bis wir alle – Burma eingeschlossen – frei sind.
In Burmas Zeit der Not müssen wir mit denen sein, die für Demokratie und Gerechtigkeit stehen. Aung San Suu Kyi’s Freilassung ist nur der Anfang eines langes Prozesses, Burmas nähere Zukunft ist noch unklar.
Die Wahlen können weder als frei noch als fair bezeichnet werden. Wir alle müssen weiter auf der Freilassung von Burmas 2’203 politischen Gefangenen bestehen. Tatsächlich hat sich die Zahl der "Gewissenshäftlinge" – unter ihnen VerteidigerInnen der Menschenrechte, JournalistInnen, GewerkschaftsaktivistInnen sowie buddhistische Mönche und Nonnen – in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Sie schmachten in Burmas Gefängnissen und Arbeitslagern, viele leiden unter Misshandlung und Folter. Die Welt, und insbesondere Burmas Nachbarn im Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN), müssen ihre Stimme für deren Freilassung erheben.
Wenn ich an die Situation in Südafrika zurückdenke, erinnere ich mich an viele Momente, in denen es schien, als würden wir nie den Frieden in unserem Land sehen und als wären jene, die uns unterdrückten, unverwundbar. Doch wie ich zu sagen pflege: Wir leben in einem moralischen Universum, Unrecht und Unterdrückung haben am Ende keine Chance. Geführt von einer Lady mit enormem moralischen Mut, tun die Menschen in Burma alles, um diesem Tag näher zu kommen. Wir müssen alles tun, um sie dabei zu unterstützen.

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* Der von Nelson Mandela ins Leben gerufenen Gruppe der Elders gehören herausragende ehemalige Staatsmänner und -frauen, FriedensaktivistInnen, MenschenrechtlerInnen und prominente Intellektuelle an. Sie nutzen ihren Einfluss und ihre Kontakte zur Friedenskonsolidierung, um humanitäre Probleme anzugehen und dabei zu helfen, globale Probleme zu lösen. Die Mitglieder haben keine öffentlichen Ämter inne und sind unabhängig.
http://www.theelders.org/

Der Text erschien auf www.theelders.org. Übersetzt von Annett Altvater.