Lieber Dr. Sommerferien 

Ich verreise sehr gerne, will aber mehr auf meinen ökologischen Fussabdruck achten. Da viele Reisen ohne Flugzeug fast nicht möglich sind, will ich von Ihnen wissen: Gibt es emissionsfreies Fliegen? 

Freundliche Grüsse 

Marianne P.  

Guten Tag Marianne P. 

Vielen Dank für Ihre Frage. Ein spannendes Thema, bei dem Hoffnungen und Realitäten aufeinanderprallen. Die kurze Antwort auf Ihre Frage: Nein, emissionsfreies Fliegen gibt es leider nicht. Obwohl sich die Forschung seit einigen Jahren mit klimaneutralen Antrieben und neuen Konzepten für die Luftfahrt auseinandersetzt, ist der Weg dahin noch sehr lang. 

Der jetzige Stand der Luftfahrt 

Flugzeuge erzeugen neben Treibhausgasen, wie CO2, auch Luftschadstoffe. Diese Emissionen von Stickoxiden und Wasserdampf auf Flughöhe erzeugen Ozon und Kondensstreifen. Diese bremsen die Wärmeabstrahlung von der Erde und tragen damit zur Klimaerwärmung bei. Schätzungsweise ist der Flugverkehr für rund 7 % der menschengemachten Klimaerwärmung verantwortlich, in der Schweiz liegt der Anteil gemäss WWF sogar bei 27 %. 

Die Flugzeuge werden zwar effizienter, gleichzeitig wächst die Anzahl an Passagiere jährlich so stark weiter, dass die Effizienzsteigerung fürs Klima keinen Unterschied macht.  

Ein Blick in die Zukunft 

Regelmässig ist zu lesen, dass der Flugverkehr bis 2050 komplett klimaneutral sein soll. Doch wie weit ist die Forschung tatsächlich? 

Eine Methode, den Flugverkehr nachhaltiger zu gestalten, ist es, das fossile Kerosin durch Biokraftstoffe zu ersetzten. Obwohl die Fluggesellschaften seit Jahren versprechen, diese einzusetzen, machen Agrartreibstoffe heute weniger als 0,01 % des insgesamt verwendeten Treibstoffes aus. Darüber hinaus ist die Verwendung von Bioabfällen nur in begrenzten Mengen möglich. Werden nun Nutzpflanzen als zusätzlicher Biokraftstoff eingesetzt, ist auch dies nicht sinnvoll. Die wohl praktikabelste Lösung – Palmöl – ist nicht umweltfreundlich, da sie fast dreimal mehr Treibhausgasemissionen freisetzt als die fossilen Brennstoffe, die sie ersetzen soll. Dazu kommt der Konkurrenzdruck zwischen Teller und Tank. Essen wir die Nutzpflanze oder nutzen wir sie für die Mobilität?  

Auch Wasserstoffflüge werden als Zukunft des Fliegens gehandelt, stecken aber noch in den Kinderschuhen. Vor 2050 kann nicht mit ihnen gerechnet werden und auch dann wird es nicht möglich sein, sie komplett klimaneutral zu gestalten, da auch sie Kondensstreifen und Stickoxide erzeugen.  

Eine weitere Forschungsrichtung sind Kraftstoffe, die mittels Elektroenergie geschaffen werden. Die sogenannten E-Fuels, synthetische Treibstoffe, welche mit Strom aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt werden, sind zwar technisch machbar, ihre Produktion ist aber energieintensiv. Dazu kommt, dass elektrische Energie erst dann sinnvoll ist, wenn sie aus regenerativen Quellen wie Sonne oder Wind stammt. Um den ganzen Flugverkehr mit E-Fuels zu versorgen, bräuchte es 2,5-mal so viel erneuerbare Energie, wie heute existiert. 

Achtung vor Greenwashing 

Aber Achtung: Einige Fluggesellschaften behaupten jetzt schon grosse Schritte in Richtung Klimaneutralität zu machen. So schreiben Delta Airlines: “We believe you shouldn’t have to choose between seeing the world… and saving it.” bevor sie verkünden, sie haben neu Bettwäsche aus recycelten PET-Flaschen und Besteck aus Bambus statt Plastik. Auch andere Fluggesellschaften werben mit tiefen Emissionen und CO2 Kompensation, setzen ihre Versprechen aber nicht in Taten um.  

Das Grundproblem bleibt: Das Wachstum des Luftverkehrs ist stetig und die vorgestellten Lösungsansätze sind weit davon entfernt, die Klimabelastung des Flugverkehrs zu bewältigen. 

Alternativen zum Fliegen 

Bis es also echte Lösungen für den Flugverkehr gibt, gilt: weniger fliegen. In Europa können viele Strecken mit dem Zug zurücklegen werden. Die Nachtzüge feiern ihr Comeback und einige Strecken, die zwischenzeitlich nicht mehr bedient wurden, können wieder gemütlich in der Schlafkoje bereist werden. Mit einem Interrail-Pass können Sie preiswert durch 33 europäische Länder reisen, besonders lohnt sich das Angebot für unter 27 und über 60-jährige. Auch für Reisen auf dem Wasser gibt es Projekte, die das fluglose Reisen vereinfachen wollen. Die Plattform Cargoriders, auf der man Frachtschiffreisen auf europäischen Binnengewässern buchen kann, startet im Frühjahr 2022. Oder wie wäre es einfach mal mit dem Velo oder zu Fuss loszuziehen? 

Kompensieren und länger bleiben 

Wenn sich eine Reise mit dem Flugzeug sich nicht vermeiden lässt, gibt es die Möglichkeit, die ausgestossenen Emissionen zu kompensieren. Myclimate oder Atmosfair bieten eine solche CO2– Kompensation an, die an anderer Stelle, die ausgestossenen Treibhausgase wieder einspart. 

Zudem gibt es Seiten, auf denen Sie Flugreisen und Anbieter in ihrem CO2-Ausstoss vergleichen können. Denn die Passagierauslastung, der Flugzeugtyp, das Alter des Triebwerks und vieles weitere Faktoren machen erhebliche Unterschiede im Emissionsausstoss.  

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben. Falls Sie Rückfragen oder Bemerkungen haben, melden Sie sich ungeniert. 

Beste Grüsse