Entsprechend seiner Bedeutung erhält der Tourismus in der Agenda 2030 eine spezifische Vorgabe unter Ziel 12b: "Instrumente zur Beobachtung der Auswirkungen eines nachhaltigen Tourismus, der Arbeitsplätze schafft und die lokale Kultur und lokale Produkte fördert, auf die nachhaltige Entwicklung entwickeln und anwenden". Diese Art von Monitoring kann sich allerdings nicht auf die Destinationen beschränken. Das Brisante und bahnbrechende an Ziel 12 ist die Tatsache, dass neu auch die Quellmärkte in die Pflicht genommen werden: die Reisenden und die Organisation des Tourismus in den traditionellen Reiseentsendeländern wie auch in den Schwellenländern, wo die Reisetätigkeit rapide zunimmt

Einleitung

Instrumente zur Beobachtung des Tourismus bezüglich seiner Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung ist sicher ein wichtiger Schritt. Doch dies erfordert weiter reichende Kriterien und Indikatoren als bisher für Evaluationen beigezogen wurden, wie etwa das Bruttonationalprodukt oder die Anzahl neu geschaffener Jobs in einer Destination. Die Wirkung des Tourismus müsste vielmehr daran gemessen werden, wie nachhaltig die Produkte ausgestaltet sind und inwieweit er einer verbesserten Lebensqualität und besseren Entwicklungsperspektiven für die Bevölkerung dient, die von einer nachhaltigen Entwicklung durch Tourismus begünstig werden sollen. Dazu sieht Ziel 12 einen neuen Handlungsrahmen vor, der nicht nur die Entwicklung adäquater Tools für das Monitoring des Tourismus auf lokaler Ebene, sondern ebenso griffige Messinstrumente in den Quellmärkten und in den "Produktionsorten" des Tourismus –  d.h. in den Destinationen – vorsieht.

Konsum- und Produktionsmuster in gegenseitiger Abhängigkeit

In Quellmärkten wie in den Destinationen steht die Politik in besonderer Verantwortung, das verantwortliche Konsumverhalten der Reisenden zu fördern und zugleich die Produktion der Anbieter, seien es traditionelle Reiseveranstalter oder Online-Travel-Agencies (OTA), gezielt in nachhaltige Bahnen zu lenken. Gefordert sind zudem die Reisenden und ebenso die Anbieter, denn nachhaltige Konsummuster sind eng mit nachhaltiger Produktion verknüpft: 61 Prozent der Reisenden würden ihre Urlaubsreise gern nachhaltig gestalten, doch nur gerade zwei Prozent setzen ihre guten Absichten auch um, ergab 2014 eine repräsentative Befragung in Deutschland, einem traditionell starken Quellmarkt. Als Hürden dafür werden in erster Linie Befürchtungen von zusätzlichen Kosten sowie das Fehlen von geeigneten Angeboten auf dem Markt genannt.

Nachhaltiger Konsum – Herausforderungen

In den europäischen Quellmärkten fragen sich Reisende zunehmen, was hinter einem Tourismusprodukt oder einer Tourismusdienstleistung steckt. Doch offensichtlich reicht diese Sensibilisierung noch nicht, um nachhaltigkeitsinteressierte Reisende auch zum entsprechenden Verhalten zu bewegen.
Nachhaltiger Konsum ist ein Aspekt einer nachhaltigen Lebensweise. Diese entspringt dem Bewusstsein, dass jedes Individuum nur so viele Ressourcen verbrauchen sollte, wie durchschnittlich auch jedem anderen zur Verfügung stehen, wenn die Regenerationsfähigkeit der Erde respektiert wird. Die Reisen einer privilegierten Minderheit aus den Industrie- und einigen Schwellenländern, die das Klima überproportional anheizen, enorme Mengen an Ressourcen verbrauchen, die Umwelt zerstören und soziale Ungleichheit fördern, stehen im Widerspruch zu dieser Vorstellung.
So beginnt auch der nachhaltige Konsum im Urlaubs- und Freizeitbereich bereits im Alltag. Basis ist das Konzept des guten Lebens, das den Fokus auf die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse nach Beziehungen, positiven Emotionen, Engagement und Erreichung von Zielen in einem sinnstiftenden Zusammenhang legt. Wer im Alltag zufrieden ist, muss weniger Bedürfnisse über Reisen kompensieren. Zentral ist das Konzept der Suffizienz – der Versuch, sich bei der Bedürfnisbefriedigung zunehmend von materiellen Ressourcen unabhängig zu machen. Dazu gehört auch die Entschleunigung, das heißt, das Verhältnis zwischen "hier und dort", zwischen Arbeit und Freizeit, neu auszuhandeln. Weitere Konzepte sind Fairness und umweltfreundliches Verhalten sowie strategischer Einkauf – von Klimakompensationsangeboten über nachhaltige Urlaubsprodukte bis zu Souvenirs.
Ein gesellschaftlicher Wertewandel ist die Basis, damit solche Konzepte in der breiten Öffentlichkeit greifen. Mit der notwendigen Unterstützung durch die öffentliche Hand können verschiedene Treiber – zivilgesellschaftliche Organisationen, Bildungsstellen und Unternehmen – diesen Wertewandel durch ihre Bemühungen herbeiführen. Unterschiedliche Lebensstile zu beurteilen und Handlungskompetenzen zu entwickeln, ist ein wichtiges Ziel der schulischen und außerschulischen Bildung für nachhaltige Entwicklung (>> Ziel 4). In der touristischen Fachbildung sollen diese Kompetenzen um die Kenntnisse von Best Practice Nachhaltigkeitsansätzen erweitert werden. Die Tourismusbranche hat bisher die positiven Emotionen und hedonistischen Bedürfnisse in den Vordergrund gestellt. Doch längst belegen Untersuchungen, dass mehr Konsum das Wohlbefinden nicht steigert. Würde bei der Vermarktung von Tourismusangeboten aufgezeigt, wie sie zur Befriedigung der Bedürfnisse des guten Lebens beitragen und etwa Achtsamkeit und solidarisches Handeln integrieren, wäre dies ein Beitrag zu einem solchen Wertewandel.

Der Weg nach vorne

Schwellen abbauen und Handlungskompetenzen fördern

Interventionen zur Förderung nachhaltigen Reiseverhaltens sind mehr als nur Information und Appelle: Sie begleiten und unterstützen Reisende personalisiert über die verschiedenen Handlungsphasen hinweg. In der Phase des Abwägens braucht der Reisende eher Verhaltensalternativen und Vorbilder, in der Planungsphase konkrete Entscheidungshilfen, in der Umsetzungsphase Anleitung zur Überwindung äußerer und innerer Hürden, und in der Evaluationsphase Möglichkeiten, die Nachhaltigkeit des eigenen Verhaltens einzustufen. Als Distributionskanäle für solche Tools und Angebote eignen sich die neuen Medien ebenso wie das bewährte Reisebüro.

Versteckte Subventionen für nicht nachhaltigen Tourismus abschaffen

Gleichzeitig müssen alle Barrieren, die nachhaltigen Entscheidungen im Weg stehen, konsequent aufgelöst werden. Die Agenda 2030 benennt richtigerweise in Vorgabe 12c besonders die Abschaffung von Subventionen, die kontraproduktive Marktverzerrungen verursachen und eine nachhaltige Entwicklung untergraben. Nur auf diesem Wege wird aus Wissen verantwortungsvolles Handeln – auch im Tourismus.
In engem Zusammenhang mit der Entwicklung eines nachhaltigen Urlaubs- und Freizeitverhaltens steht die Aufgabe der Tourismusunternehmen, nachhaltige Produkte anzubieten und glaubwürdig transparent auszuweisen.

Nachhaltige Produktion – wichtigste Herausforderungen

Damit ein touristisches Produkt als „nachhaltig“ klassifiziert werden kann, ist es grundlegend, die gesamte Wertschöpfungskette unter die Lupe zu nehmen. Auf den ersten Blick ist das eine Herausforderung, setzt sich doch ein Tourismusprodukt aus einer Vielzahl verschiedener Bausteine zusammen. Aber gerade dadurch ergeben sich viele Stellschrauben, an denen die Unternehmen einen positiven Einfluss ausüben können.
Die Akteure der Tourismusbranche sind vielfältig: Hotels, Reiseveranstalter, Reisebüros oder Destinationen unterscheiden sich nicht nur in Größe oder Ausrichtung, sondern weisen allein schon aufgrund ihres Standortes unterschiedliche Merkmale auf. Trotzdem gibt es grundsätzliche Aspekte, die für jedes Unternehmen gelten.
Ein nachhaltiges Reiseprodukt ist gleichermaßen wirtschaftlich gerecht, umweltschonend und sozial verträglich – sowohl für die Reisenden, aber vor allem auch für die Menschen in den bereisten Regionen. Es soll für die Tourismusunternehmen langfristig ökonomisch tragfähig sein, gleichzeitig aber nicht auf Kosten anderer gehen. Schließlich soll es einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Zielregionen leisten.
Der Tourismus ist eine ressourcenintensive Wirtschaft – vor allem in Bezug auf Wasser, Energie und Nahrungsmittel. Daher sollten die Forderungen der Agenda 2030 unter Ziel 12 – nämlich Abfallvermeidung konsequent umzusetzen und Nahrungsmittelverschwendung zu stoppen – bei Tourismusunternehmen besonders Gehör finden.

Der Weg nach vorne

Doch nicht nur bezüglich der erwähnten Bereiche ergeben sich Möglichkeiten für eine nachhaltige Ausgestaltung der Branche: Alle Etappen einer Reise müssen nachhaltig gestaltet werden und zwar in allen Dimensionen. Dazu gehören
Transport und Mobilität, insbesondere die Frage, wie sich die Anreise an den Urlaubsort gestaltet: Bei Kurzstrecken sollte auf Flüge verzichtet werden; Langstreckenflüge erfordern einen bewussten Entscheid sowie die Kompensation der Treibhausgase. Anbieter nachhaltiger Reiseprodukte unterstützen diese Entscheide durch entsprechende Reiseangebote und integrierte Kompensationsmöglichkeiten. (>> Ziel 9, >> Ziel 13).
Leistungsträger und Partner: Reiseveranstalter sollten konsequent mit lokalen AnbieterInnen zusammenarbeiten, die die Wirtschaft in den Destinationen stärken und faire und sichere Arbeitsplätze in den Zielregionen schaffen (>> Ziel 8). Sie stellen sicher, dass ein Großteil des Gewinns auch in der bereisten Region bleibt (>> Ziel 1). Arbeitsstandards, Klimaschutz und Umgang mit natürlichen Ressourcen bei den Unterkünften oder Incoming-Agenturen sowie die Respektierung der Menschenrechte aller Beteiligten sind zentrale Elemente einer nachhaltigen Wertschöpfungskette. Sind sich Tourismusunternehmen müssen sich der Probleme in den Zielregionen bewusst sein und sie umsichtig unter Achtung der Rechte der Einheimischen angehen. Dazu gehören Probleme wie Wasserknappheit oder eingeschränkter Zugangs zu sauberem Trinkwasser (>> Ziel 6) ebenso wie die medizinische Versorgung der lokalen Bevölkerung (>> Ziel 3).
Aktivitäten vor Ort: Die geplanten Aktivitäten im Zielgebiet müssen genau unter die Lupe genommen werden um negative Auswirkungen auf Ökosysteme zur vermeiden (>> Ziel 14, >> Ziel 15). Das Programm kann auch Begegnungen mit der indigenen und lokalen Bevölkerung vorsehen, sofern diese sorgfältig geplant sind und kulturelle Besonderheiten respektieren.
Grundsätzlich wichtig ist, dass die AnwohnerInnen in Entscheidungsfindungsprozesse bei Tourismusprojekten mit eingebunden werden und die Region vom Tourismus profitiert. Durch gezielte Vorkehrungen muss verhindert werden, dass der Tourismus Kinderarbeit, Korruption und Prostitution fördert.

Seriöse Labels zur Qualifizierung und Orientierung

Eine detaillierte Aufschlüsselung der unterschiedlichen Akteure und Interventionsebenen mag auf den ersten Blick erschlagend wirken. Doch auf dem Weg, nachhaltige Produkte konsequent einzuführen und die eigenen Geschäftspraktiken zu durchleuchten, können Zertifizierungen qualifiziert begleiten. Für Unternehmen bietet eine Zertifizierung die Chance, sich öffentlichkeitswirksam zum Thema Nachhaltigkeit zu positionieren. Reisenden bieten Labels eine Orientierung bei ihrer Entscheidung für ein nachhaltiges Reiseprodukt.     

Monitoring des Tourismus mit WirkungsabschätzungenEs gibt eine bunte Vielzahl von Impact-Studien zum Tourismus, die meist auf lokale Effekte im Sinne von "best practice" für Tourismusbetriebe fokussieren und weitergehende Wirkungen auf Gemeinschaften – wenn überhaupt – nur am Rand einbeziehen. Noch gibt es erst Ansätze zu umfassenderen Risiken- und Folgeabschätzungen des Tourismus bezüglich nachhaltiger Entwicklung im Respekt der Menschenrechte, die den Lebensrealitäten der Menschen in den Tourismusdestinationen effektiv gerecht werden. Myanmar ist ein Land, das sich im Übergang von einer Diktatur zur Demokratie befindet und einen enormen Tourismusboom erlebt. Das Myanmar Centre for Responsible Business hat in Zusammenarbeit mit dem Institute of Human Rights and Business und dem Danish Institute of Human Rights 2015 ein wegweisendes Sector-Wide Impact Assesmment (SWIA) für den aufkommenden Tourismus erstellt (7). Im Zentrum stehen dabei ganz klar die Analysen und Forderungen von Gemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen an die Regierung und Tourismuswirtschaft, wie die Rechte der ansässigen und indigenen Gemeinschaften im boomenden Tourismus zu wahren sind.
Wie die Tourismuswirtschaft aufgrund eigener Wirtschaftsdaten und einer breiten Berücksichtigung von Partnern in der Wertschöpfungskette – darunter auch lokale Gemeinschaften und zivilgesellschaftliche Stellen – zu aufschlussreichen Erkenntnissen gelangen kann, zeigte das Corporate Responsibility Department von Kuoni Group mit seinen Human Rights Impact Assessments (HRIA) in Kenya 2012 und Indien 2013. Das aktive Vorgehen von Tourismusunternehmen im Rahmen von ausgewogenen Multi-Stakeholder-Prozessen erweist sich als zielführender Weg für aussagekräftige Wirkungsbemessungen.
Die Wirkung des Tourismus auf eine nachhaltige Entwicklung, die der Lokalbevölkerung Perspektiven für die Zukunft bietet, bleibt eine wichtige Herausforderung.

TourCert als Modell einer nachhaltigen TourismuszertifizierungEine Zertifizierung sollte auf einem ganzheitlichen Ansatz basieren, das heißt ökologische, soziale und ökonomische Aspekte gleichermaßen berücksichtigen und entlang der gesamten touristischen Wertschöpfungskette für die Produktgestaltung ansetzen. Genau dafür steht das TourCert-Siegel. Das Siegel wird von TourCert, der gemeinnützigen Gesellschaft für Zertifizierung und Beratung im Tourismus vergeben und findet international Anwendung. Der TourCert Kriterienkatalog ist offiziell vom Global Sustainability Tourism Council (GSTC) anerkannt. Weitere Qualitätsmerkmale des Siegels sind, dass die zugrunde gelegten Kriterien öffentlich zugänglich sind, die Basis der Überprüfung also transparent gemacht wird. Unabhängige Auditoren prüfen die Angaben regelmäßig vor Ort. Die Unternehmen verpflichten sich ihre Nachhaltigkeitsleistung kontinuierlich zu verbessern.

Nachhaltiger Konsum – Herausforderungen

In den europäischen Quellmärkten fragen sich Reisende zunehmen, was hinter einem Tourismusprodukt oder einer Tourismusdienstleistung steckt. Doch offensichtlich reicht diese Sensibilisierung noch nicht, um nachhaltigkeitsinteressierte Reisende auch zum entsprechenden Verhalten zu bewegen.
Nachhaltiger Konsum ist ein Aspekt einer nachhaltigen Lebensweise. Diese entspringt dem Bewusstsein, dass jedes Individuum nur so viele Ressourcen verbrauchen sollte, wie durchschnittlich auch jedem anderen zur Verfügung stehen, wenn die Regenerationsfähigkeit der Erde respektiert wird. Die Reisen einer privilegierten Minderheit aus den Industrie- und einigen Schwellenländern, die das Klima überproportional anheizen, enorme Mengen an Ressourcen verbrauchen, die Umwelt zerstören und soziale Ungleichheit fördern, stehen im Widerspruch zu dieser Vorstellung.
So beginnt auch der nachhaltige Konsum im Urlaubs- und Freizeitbereich bereits im Alltag. Basis ist das Konzept des guten Lebens, das den Fokus auf die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse nach Beziehungen, positiven Emotionen, Engagement und Erreichung von Zielen in einem sinnstiftenden Zusammenhang legt. Wer im Alltag zufrieden ist, muss weniger Bedürfnisse über Reisen kompensieren. Zentral ist das Konzept der Suffizienz – der Versuch, sich bei der Bedürfnisbefriedigung zunehmend von materiellen Ressourcen unabhängig zu machen. Dazu gehört auch die Entschleunigung, das heißt, das Verhältnis zwischen "hier und dort", zwischen Arbeit und Freizeit, neu auszuhandeln. Weitere Konzepte sind Fairness und umweltfreundliches Verhalten sowie strategischer Einkauf – von Klimakompensationsangeboten über nachhaltige Urlaubsprodukte bis zu Souvenirs.
Ein gesellschaftlicher Wertewandel ist die Basis, damit solche Konzepte in der breiten Öffentlichkeit greifen. Mit der notwendigen Unterstützung durch die öffentliche Hand können verschiedene Treiber – zivilgesellschaftliche Organisationen, Bildungsstellen und Unternehmen – diesen Wertewandel durch ihre Bemühungen herbeiführen. Unterschiedliche Lebensstile zu beurteilen und Handlungskompetenzen zu entwickeln, ist ein wichtiges Ziel der schulischen und außerschulischen Bildung für nachhaltige Entwicklung (>> Ziel 4). In der touristischen Fachbildung sollen diese Kompetenzen um die Kenntnisse von Best Practice Nachhaltigkeitsansätzen erweitert werden. Die Tourismusbranche hat bisher die positiven Emotionen und hedonistischen Bedürfnisse in den Vordergrund gestellt. Doch längst belegen Untersuchungen, dass mehr Konsum das Wohlbefinden nicht steigert. Würde bei der Vermarktung von Tourismusangeboten aufgezeigt, wie sie zur Befriedigung der Bedürfnisse des guten Lebens beitragen und etwa Achtsamkeit und solidarisches Handeln integrieren, wäre dies ein Beitrag zu einem solchen Wertewandel.

Der Weg nach vorne

Schwellen abbauen und Handlungskompetenzen fördern

Interventionen zur Förderung nachhaltigen Reiseverhaltens sind mehr als nur Information und Appelle: Sie begleiten und unterstützen Reisende personalisiert über die verschiedenen Handlungsphasen hinweg. In der Phase des Abwägens braucht der Reisende eher Verhaltensalternativen und Vorbilder, in der Planungsphase konkrete Entscheidungshilfen, in der Umsetzungsphase Anleitung zur Überwindung äußerer und innerer Hürden, und in der Evaluationsphase Möglichkeiten, die Nachhaltigkeit des eigenen Verhaltens einzustufen. Als Distributionskanäle für solche Tools und Angebote eignen sich die neuen Medien ebenso wie das bewährte Reisebüro.

Versteckte Subventionen für nicht nachhaltigen Tourismus abschaffen

Gleichzeitig müssen alle Barrieren, die nachhaltigen Entscheidungen im Weg stehen, konsequent aufgelöst werden. Die Agenda 2030 benennt richtigerweise in Vorgabe 12c besonders die Abschaffung von Subventionen, die kontraproduktive Marktverzerrungen verursachen und eine nachhaltige Entwicklung untergraben. Nur auf diesem Wege wird aus Wissen verantwortungsvolles Handeln – auch im Tourismus.
In engem Zusammenhang mit der Entwicklung eines nachhaltigen Urlaubs- und Freizeitverhaltens steht die Aufgabe der Tourismusunternehmen, nachhaltige Produkte anzubieten und glaubwürdig transparent auszuweisen.

Nachhaltige Produktion – wichtigste Herausforderungen

Damit ein touristisches Produkt als „nachhaltig“ klassifiziert werden kann, ist es grundlegend, die gesamte Wertschöpfungskette unter die Lupe zu nehmen. Auf den ersten Blick ist das eine Herausforderung, setzt sich doch ein Tourismusprodukt aus einer Vielzahl verschiedener Bausteine zusammen. Aber gerade dadurch ergeben sich viele Stellschrauben, an denen die Unternehmen einen positiven Einfluss ausüben können.
Die Akteure der Tourismusbranche sind vielfältig: Hotels, Reiseveranstalter, Reisebüros oder Destinationen unterscheiden sich nicht nur in Größe oder Ausrichtung, sondern weisen allein schon aufgrund ihres Standortes unterschiedliche Merkmale auf. Trotzdem gibt es grundsätzliche Aspekte, die für jedes Unternehmen gelten.
Ein nachhaltiges Reiseprodukt ist gleichermaßen wirtschaftlich gerecht, umweltschonend und sozial verträglich – sowohl für die Reisenden, aber vor allem auch für die Menschen in den bereisten Regionen. Es soll für die Tourismusunternehmen langfristig ökonomisch tragfähig sein, gleichzeitig aber nicht auf Kosten anderer gehen. Schließlich soll es einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Zielregionen leisten.
Der Tourismus ist eine ressourcenintensive Wirtschaft – vor allem in Bezug auf Wasser, Energie und Nahrungsmittel. Daher sollten die Forderungen der Agenda 2030 unter Ziel 12 – nämlich Abfallvermeidung konsequent umzusetzen und Nahrungsmittelverschwendung zu stoppen – bei Tourismusunternehmen besonders Gehör finden.

Der Weg nach vorne

Doch nicht nur bezüglich der erwähnten Bereiche ergeben sich Möglichkeiten für eine nachhaltige Ausgestaltung der Branche: Alle Etappen einer Reise müssen nachhaltig gestaltet werden und zwar in allen Dimensionen. Dazu gehören
Transport und Mobilität, insbesondere die Frage, wie sich die Anreise an den Urlaubsort gestaltet: Bei Kurzstrecken sollte auf Flüge verzichtet werden; Langstreckenflüge erfordern einen bewussten Entscheid sowie die Kompensation der Treibhausgase. Anbieter nachhaltiger Reiseprodukte unterstützen diese Entscheide durch entsprechende Reiseangebote und integrierte Kompensationsmöglichkeiten. (>> Ziel 9, >> Ziel 13).
Leistungsträger und Partner: Reiseveranstalter sollten konsequent mit lokalen AnbieterInnen zusammenarbeiten, die die Wirtschaft in den Destinationen stärken und faire und sichere Arbeitsplätze in den Zielregionen schaffen (>> Ziel 8). Sie stellen sicher, dass ein Großteil des Gewinns auch in der bereisten Region bleibt (>> Ziel 1). Arbeitsstandards, Klimaschutz und Umgang mit natürlichen Ressourcen bei den Unterkünften oder Incoming-Agenturen sowie die Respektierung der Menschenrechte aller Beteiligten sind zentrale Elemente einer nachhaltigen Wertschöpfungskette. Sind sich Tourismusunternehmen müssen sich der Probleme in den Zielregionen bewusst sein und sie umsichtig unter Achtung der Rechte der Einheimischen angehen. Dazu gehören Probleme wie Wasserknappheit oder eingeschränkter Zugangs zu sauberem Trinkwasser (>> Ziel 6) ebenso wie die medizinische Versorgung der lokalen Bevölkerung (>> Ziel 3).
Aktivitäten vor Ort: Die geplanten Aktivitäten im Zielgebiet müssen genau unter die Lupe genommen werden um negative Auswirkungen auf Ökosysteme zur vermeiden (>> Ziel 14, >> Ziel 15). Das Programm kann auch Begegnungen mit der indigenen und lokalen Bevölkerung vorsehen, sofern diese sorgfältig geplant sind und kulturelle Besonderheiten respektieren.
Grundsätzlich wichtig ist, dass die AnwohnerInnen in Entscheidungsfindungsprozesse bei Tourismusprojekten mit eingebunden werden und die Region vom Tourismus profitiert. Durch gezielte Vorkehrungen muss verhindert werden, dass der Tourismus Kinderarbeit, Korruption und Prostitution fördert.

Seriöse Labels zur Qualifizierung und Orientierung

Eine detaillierte Aufschlüsselung der unterschiedlichen Akteure und Interventionsebenen mag auf den ersten Blick erschlagend wirken. Doch auf dem Weg, nachhaltige Produkte konsequent einzuführen und die eigenen Geschäftspraktiken zu durchleuchten, können Zertifizierungen qualifiziert begleiten. Für Unternehmen bietet eine Zertifizierung die Chance, sich öffentlichkeitswirksam zum Thema Nachhaltigkeit zu positionieren. Reisenden bieten Labels eine Orientierung bei ihrer Entscheidung für ein nachhaltiges Reiseprodukt.     

Monitoring des Tourismus mit WirkungsabschätzungenEs gibt eine bunte Vielzahl von Impact-Studien zum Tourismus, die meist auf lokale Effekte im Sinne von "best practice" für Tourismusbetriebe fokussieren und weitergehende Wirkungen auf Gemeinschaften – wenn überhaupt – nur am Rand einbeziehen. Noch gibt es erst Ansätze zu umfassenderen Risiken- und Folgeabschätzungen des Tourismus bezüglich nachhaltiger Entwicklung im Respekt der Menschenrechte, die den Lebensrealitäten der Menschen in den Tourismusdestinationen effektiv gerecht werden. Myanmar ist ein Land, das sich im Übergang von einer Diktatur zur Demokratie befindet und einen enormen Tourismusboom erlebt. Das Myanmar Centre for Responsible Business hat in Zusammenarbeit mit dem Institute of Human Rights and Business und dem Danish Institute of Human Rights 2015 ein wegweisendes Sector-Wide Impact Assesmment (SWIA) für den aufkommenden Tourismus erstellt (7). Im Zentrum stehen dabei ganz klar die Analysen und Forderungen von Gemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen an die Regierung und Tourismuswirtschaft, wie die Rechte der ansässigen und indigenen Gemeinschaften im boomenden Tourismus zu wahren sind.
Wie die Tourismuswirtschaft aufgrund eigener Wirtschaftsdaten und einer breiten Berücksichtigung von Partnern in der Wertschöpfungskette – darunter auch lokale Gemeinschaften und zivilgesellschaftliche Stellen – zu aufschlussreichen Erkenntnissen gelangen kann, zeigte das Corporate Responsibility Department von Kuoni Group mit seinen Human Rights Impact Assessments (HRIA) in Kenya 2012 und Indien 2013. Das aktive Vorgehen von Tourismusunternehmen im Rahmen von ausgewogenen Multi-Stakeholder-Prozessen erweist sich als zielführender Weg für aussagekräftige Wirkungsbemessungen.
Die Wirkung des Tourismus auf eine nachhaltige Entwicklung, die der Lokalbevölkerung Perspektiven für die Zukunft bietet, bleibt eine wichtige Herausforderung.

TourCert als Modell einer nachhaltigen TourismuszertifizierungEine Zertifizierung sollte auf einem ganzheitlichen Ansatz basieren, das heißt ökologische, soziale und ökonomische Aspekte gleichermaßen berücksichtigen und entlang der gesamten touristischen Wertschöpfungskette für die Produktgestaltung ansetzen. Genau dafür steht das TourCert-Siegel. Das Siegel wird von TourCert, der gemeinnützigen Gesellschaft für Zertifizierung und Beratung im Tourismus vergeben und findet international Anwendung. Der TourCert Kriterienkatalog ist offiziell vom Global Sustainability Tourism Council (GSTC) anerkannt. Weitere Qualitätsmerkmale des Siegels sind, dass die zugrunde gelegten Kriterien öffentlich zugänglich sind, die Basis der Überprüfung also transparent gemacht wird. Unabhängige Auditoren prüfen die Angaben regelmäßig vor Ort. Die Unternehmen verpflichten sich ihre Nachhaltigkeitsleistung kontinuierlich zu verbessern.