Golfplätze und Nahrungsmittelproduktion in Thailand
Am von der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gesponserten Gipfel von Rom 1996 drückte das World Watch Institute aus Washington erstmals seine Besorgnis darüber aus, dass weltweit die rasche Zunahme an Golfplätzen beträchtlich dazu beitrage, den Armen das Brot vom Mund wegzunehmen. Ein Forscher des World Watch Institute, Gary Gardner, stellte die Studie „Shrinking Fields“ (schrumpfende Felder) vor, die aufzeigt, dass Hunderttausende von Menschen hätten ernährt werden können, wenn die zigtausend Hektaren Land statt für Golfplätze für Getreideanbau genutzt worden wären. Auf derselben Konferenz warnten Fachleute, dass Golfplätze in vielen Teilen der Welt für die Landwirtschaft dringend benötigtes Wasser abziehen. Sie illustrierten dies mit dem Beispiel Südostasien, wo in der Trockenzeit die Golfplätze ungefähr gleichzeitig bewässert werden müssen wie die Getreidefelder. So konkurrierten Golfclubs und Ferienanlagen ganz direkt mit der Landwirtschaft bei der Versorgung mit dem zunehmend knappen Wasser.
Mehr als zehn Jahre sind vergangen, und nun erscheinen Besorgnis erregende Berichte über sich verschärfende Nahrungsmittelkrisen, die in einigen Ländern schon zu Hungeraufständen geführt haben. Mittlerweile ist der Bauboom bei Golfanlagen unvermindert weitergegangen – insbesondere in den Entwicklungsländern. In einigen Ländern in Asien, der Karibik und Lateinamerika schiessen Golfplätze meist für den Tourismus – oft in Verbindung mit Hotels, Ferienhausanlagen, Zweitwohnungen, Marinas und Unterhaltungseinrichtungen – wie Pilze aus dem Boden. Ironischerweise sinkt aber das Interesse am Golf in den Herkunftsländern der Touristen. Gemäss einer neuen Studie der National Golf Foundation in Florida geben in den Vereinigten Staaten etwa drei Millionen GolfspielerInnen jährlich den Golfsport auf, und mehrere Hundert der dreitausend Golfplätze, die zwischen 1990 und 2003 gebaut wurden, mussten geschlossen werden (Bloomberg, 12. Nov. 2009). Trotzdem bleiben die Vereinigten Staaten mit 16’000 Golfanlagen die führende Golfnation, gefolgt von Japan mit über 3’000 Golfanlagen.
Wenn Golfplätze zu Reisfeldern würden
Um auf das Golfplatzproblem aufmerksam zu machen, das zur Nahrungsmittelunsicherheit in den Entwicklungsländern beiträgt, hat das Tourism Investigation & Monitoring Team (tim-team) in Bangkok berechnet, wie viel Reis auf dem Land der momentan bestehenden Golfanlagen in Thailand angebaut werden könnte. Dies erfolgte in Zusammenarbeit mit Biothai, einem Netzwerk von thailändischen Bürgergruppen, die sich für den Schutz der Biodiversität und für eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzen.
Gemäss Angaben der Golfbranche sind in Thailand zurzeit etwa 250 Golfplätze in Betrieb oder stehen kurz vor der Eröffnung. Die meisten von ihnen wurden während des asiatischen Golfbooms Anfang der 90er Jahre gebaut und sind 18-Loch Plätze internationalen Standards. Wenn man davon ausgeht, dass nach US-Standard 150 bis 200 Morgen* Land für einen 18-Loch-Golfplatz benötigt werden, beanspruchen die 250 Golfanlagen 37’500 bis 50’000 Morgen der Landfläche Thailands . Für unsere Berechnungen haben wir einen Durchschnittswert von 43’500 Morgen angenommen, was 110’000 Rai entspricht (die in Thailand übliche Flächenmasseinheit). Das ist allerdings ein Mindestwert, denn tatsächlich kann sich in Thailand eine Golfplatzanlage inklusive Ferien- und Wohnanlagen über mehr als 5’000 Morgen erstrecken..
Es ist auch bemerkenswert, dass die Golfplätze mehrheitlich auf produktivstem Agrarland liegen. Genauer gesagt, es wurden 65 bis 75 Prozent der Golfplätze auf landwirtschaftlich genutzten Flächen und 13,5 bis 26 Prozent auf Waldland gebaut, gemäss einer Studie von Pornchai Termwaree von 1991. Die vom Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Umwelt zur Verfügung gestellten Daten zeigen, dass über die Hälfte der Projekte – nämlich 138 Golfplätze – in der Zentralregion liegen, die wegen ihres überaus fruchtbaren Bodens traditionell die Reisschüssel Thailands darstellt.
Die Reisproduktion variiert stark in Thailand, mit Mindesterträgen von weniger als 300 Kilogramm pro Rai (16 Morgen) bei traditionellem Anbau (d.h. ohne künstliche Bewässerung und ohne bzw. geringem Chemikalieneinsatz) bis zu Höchsterträgen von bis zu 1’000 Kilogramm pro Rai bei intensivem Anbau (bei künstlicher Bewässerung und beträchtlichem Input an Chemie). Wir müssen auch in Betracht ziehen, dass in gewissen Teilen Thailands bis zu drei Ernten pro Jahr produziert werden.
Thailands Verzicht auf neunzigtausend Tonnen Reis für den Luxussport
Um unsere Berechnungen so einfach wie möglich zu halten, verwendeten wir die vom Landwirtschaftsministerium veröffentlichten Durchschnittswerte für die Reisproduktion in Thailand. Demnach produzierte ein Reisbauer im Jahr 2007 450 Kilogramm Paddy (unpolierten Reis) pro Rai. Doch der Wert von poliertem Reis entspricht nur etwa 60 Prozent des Rohreises, das heisst, es bleiben für den Verbrauch 240 Kilogramm pro Rai.
Auf dem Gesamtgebiet von 110’000 Rai, das die Golfplätze einnehmen, könnten die Bauern 29,7 Millionen Kilogramm polierten Reis produzieren. In anderen Worten, eine Ernte von 29,7 Millionen Kilogramm (also 29’700 Tonnen) Reis könnten als Nahrung eingebracht werden auf den 43’500 Morgen, die für Golfplätze in Thailand genutzt werden. Würden drei Erntezyklen angebaut, läge der Reisertrag zum Verbrauch bei 89,1 Millionen Kilogramm (oder 89’100 Tonnen).
Auf der gesamten Fläche von 110’000 Rai, die von Golfplätzen eingenommen wird, könnten die Bauern 29,7 Millionen Kilogramm polierten Reis produzieren. In anderen Worten, eine Ernte von 29,7 Millionen Kilogramm (also 29’700 Tonnen) Reis könnten als Nahrung eingebracht werden auf den 43’500 Morgen, die für Golfplätze in Thailand genutzt werden. Würden drei Ernten angebaut, läge der Reisertrag zum Verbrauch bei 89,1 Millionen Kilogramm (bzw. 89’100 Tonnen).
Gemäss des Regierungsdepartements für Aussenhandel wurden von den im Jahre 2007 in Thailand produzierten 32 Millionen Tonnen poliertem Reis rund neun bis 10 Millionen exportiert zu einem Preis von 11,474 Baht (327,82 US Dollar, 1 US Dollar entspricht 35 Baht). Wir können somit auch schätzen, wie hoch das Einkommen aus dem Export des auf der Gesamtfläche der Golfplatzanlagen produzierten Reises wäre. Wenn der Erlös aus einer Tonne Exportreis bei 11,474 Baht (327,82 US Dollar) liegt, beträgt das Einkommen von einer Ernte – 29’700 Tonnen –, die auf der 43’500 Morgen grossen Fläche produziert wird, die momentan für Golfplätze genutzt wird, bei 340,77 Millionen Baht (9,73 Millionen US Dollar). Rechnen wir drei Ernten pro Jahr, so könnten damit jährlich 1,02 Milliarden Baht bzw. 29,2 Millionen US Dollar eingenommen werden.
Es wäre auch möglich, Zahlen für den Nettoprofit aus dieser Menge Exportreis anzugeben. Aber die Berechnungen dazu wären komplizierter, weil die Produktionskosten von verschiedenen Variablen abhängen (beispielsweise die Kosten für das Saatgut oder die Setzlinge, die Feldvorbereitung, Bewässerung, Düngung, Chemikalien, Arbeitskraft und Transport).
Folgen für Nahrungsmittelsicherheit in anderen Regionen noch ernster
Natürlich sind die oben genannten Zahlen nur grobe Schätzungen. Aber sie bestätigen, dass die Verbreitung von Golfplätzen negative Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen hat, von denen die Landwirtschaft abhängt; und das bringt bedeutende Folgen für die Sicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung mit sich. Thailand hat immer noch das Glück, genug Nahrung für die eigene Bevölkerung und für den Export produzieren zu können. Ausserdem ist die Dichte an Golfplätzen immer noch vergleichsweise gering. Die asiatische Finanzkrise, die 1997 in Thailand einsetzte, hat sich im Nachhinein als Segen erwiesen, weil sie die Pläne der Golfbranche vereitelte, über 1’000 Golfplätze im Land zu bauen. Als Folge des ökonomischen Tiefs gingen in Thailand viele Projekte ein, und wenige neue Projekte wurden realisiert. Es ist anzunehmen, dass der Boom im Golfplatzbau in anderen Regionen sehr viel weiter reichende Folgen für die Nahrungsmittelproduktion hat.
Wir möchten betroffene BürgerInnen und Gruppen in anderen Teilen der Welt dazu ermutigen, ähnliche Untersuchungen zum Thema Golfplätze und Nahrungsmittelproduktion durchzuführen, damit wir ein vollständigeres Bild über die von Golfplätzen verursachten Verluste erhalten. Erinnern möchten wir auch daran, dass die Golfbranche lediglich die Bedürfnisse der Reichsten bedient, während sie wenig oder nichts zum Wohl der Armen beisteuert. Die aktuelle globale Finanzkrise, von der die Golf- und die Tourismusbranche stark betroffen sind, zeigt, wie wenig nachhaltig und verschwenderisch Golfanlagen sind. „Meltdown leaves ghost resorts“ (Schrumpfung hinterlässt Geister-Ferienanlagen) war die Schlagzeile einer kürzlich von Associated Press veröffentlichten Geschichte über leere Luxus-Mega-Golf-Ferienanlagen in der Karibik als Ergebnis des wirtschaftlichen Tsunami (AP, 19. Nov. 2008).
Wir müssen die Kampagne der globalen Anti-Golf-Bewegung (Global Anti-Golf Movement (GAG’M) aufrechterhalten, die "Nein" zu unverantwortlichen Enwicklungsprojekten wie Golfplätzen sagt und sich für Nahrungsmittelsicherheit und nachhaltige Lebensgrundlagen als primäre Ziele einsetzt.
*Ein Morgen entspricht 40,5 Aren
tim-team in Bangkok ist eine der Koordinationsgruppen des Global Anti-Golf Movement (GAG’M), einer Allianz von BürgerInnen und Nichtregierungsorganisationen, die 1993 in Penang, Malaysia gegründet wurde, als Antwort auf die Proteste tausender von Gemeinden, die durch die negativen ökologischen und sozialen Folgen von Golfplatzprojekten geschädigt wurden.
In loser Folge erscheint ein Newsletter von tim-team mit interessanten Hintergrundberichten zu Tourismus und Entwicklungspolitik, der über timteam02@yahoo.com unentgeltlich abonniert werden kann.
Übersetzung: Nina Sahdeva, arbeitskreis tourismus & entwicklung, Basel/Anita Pleumarom, Bangkok; Bild: Ulrich Mayring, Wikipedia Commonds-GFDL, Legende: Einige Spielbahnen des Golfplatzes Son Termens, Mallorca