Wenn ich bei meiner sizilianischen Freundin, einer Seconda, zu Hause bin, geniesse ich es stets, die unzähligen Familienfotos zu betrachten, welche die Wände ihrer Zimmer zieren. Jedes Bild erzählt mir seine eigene italienisch-schweizerische Geschichte. Solche Bilder und Geschichten und noch unendlich viele mehr finden sich im neuen, grosszügig und lustvoll gestalteten Fotoband des Limmatverlags. "Grazie a voi" zeigt Fotografien aus dem Leben italienischer Migrantinnen und Migranten in der Schweiz. Es sind ihre eigenen Bilder: Fotografien von Familien und Einzelpersonen, aber auch von offiziellen Anlässen der italienischen Gemeinschaft, wo Fotografen Erinnerungsbilder knipsten. Die Kapitel sind nach Themen geordnet wie Familie, Bildung, Vereine, Ferien, Politik, Migration. Unterhaltendes wechselt mit Ernsthaftem ab. Ich sehe eindrückliche Schwarzweissbilder von Bau- und Strassenarbeitern der Fünfzigerjahre, von Frauen, die in der Fabrik Schichtarbeit leisten, und eifrigen Schülern der italienischen Schule. Dabei war "fare bella figura" immer hoch angesagt: Trotz kargen Arbeiterlähnen kleidete Mann und Frau sich mit maximalem Stil!
Im Kapitel Freizeit wird gezeigt, wie Kürbisse und Cicorino rosso dank den italienisch-schweizerischen Schrebergärten auf unsern Tellern landeten und wie die Fasnacht mit der "italianità" an Farbe gewann.
Die älteste Vereinigung in unserm italienischen Kulturleben ist die bekannte Società Dante Alighieri, die mit ihren Kursen auch meine Eltern (beide Schweizer)= beglückt hat! Die Texte und Legenden sind durchgehend zweisprachig, sie geben dem Buch Charme und lassen mich träumen von "vacanze al mare con Fausto" (S. 216) oder einer "mostra del libro italiano" (S. 189/99).
Es ist ein politisches Lehrstück. Und wohl auch ein Aufruf zu "più collaborazione".
Grazie a voi. Ricordi e stima, Limmat-Verlag 2016, 240 Seiten, ca. CHF 54.00,  EUR 58.00, ISBN
978-3-85791-819-3