Grosswildjäger schüren Landkonflikte in Tansania
Kenias und Tansanias Wildparks sind aus der Tourismuswerbung Ostafrikas nicht wegzudenken. Zehntausende ausländische Urlauber besuchen jedes Jahr die Safariparks. Die meisten Reisenden halten ihre Begegnung mit Wildtieren im Bild fest. Doch kommen auch wohlhabende Touristen, um Grosswild zu jagen. Zwar hat Kenia im Jahr 1977 die Grosswildjagd verboten, doch das Nachbarland Tansania gilt unter Liebhabern von Elefanten- und Löwentrophäen als Eldorado. Mehr als 70 Prozent der Grosswildjäger stammen aus den USA. Ihr umstrittenes Hobby lassen sie sich einiges kosten. So muss man für eine zehntägige Büffeljagd rund 25.000 US-Dollar auf den Tisch blättern. Eine dreiwöchige Elefanten- oder Löwenjagd kostet sogar 49.000 US-Dollar.
Die Grosswildjäger sind sehr um ihren Ruf bemüht und betonen den wirtschaftlichen und ökologischen Nutzen der Jagd. Klischeehaft heben sie hervor, dass sie den "armen Afrikanern" Arbeit als Safari-Führer, Köche und Träger in ihren Camps verschaffen. Auch würde die Wilderei durch sie eingedämmt, die in Kenia den Elefanten-Bestand spürbar verringert hat. Während Tierschützer diese Argumente für wenig überzeugend halten, hat sich die Grosswildjagd zweifelsohne zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt. Rund 80 Millionen US-Dollar Einnahmen soll Tansania alljährlich der Jagdtourismus einbringen, erklärte die Regierung erstaunten Abgeordneten im April 2008 im tansanischen Parlament. Während die Parlamentarier gerne wissen würden, wo dieses ganze Geld geblieben ist und der Regierung Korruption attestieren, fordern die ursprünglichen Bewohner der Wildparks Rechenschaft über den Verlust ihres Landes.
Tansania hat über 130 Jagd-Konzessionen für ein Gebiet von mehr als 250.000 Quadratkilometer vergeben. Doch das grosszügig verpachtete Land wurde traditionell von Massai-Ureinwohnern und anderen indigenen Völkern genutzt. So wurden zum Beispiel Massai vertrieben, als vor 60 Jahren der Serengeti Nationalpark geschaffen wurde. Seit Jahrhunderten hatten dort die Massai im Einklang mit der Natur gelebt und nur so viele Tiere gejagt, wie sie zum Überleben benötigten. Für die traditionellen Eigentümer des Landes sollte es plötzlich keinen Platz mehr in den Nationalparks geben. Angeblich gefährden sie den Wildbestand.
Doch selbst ausserhalb des Parks finden die Massai keine Ruhe. Denn in der Savannenlandschaft wird immer mehr Land von der Regierung an Grosswildjäger verpachtet, obwohl es seit vielen Jahren von indigenen Völkern genutzt wird. So wurden im Sommer 2009 mehr als 3.000 Massai-Nomaden von Polizisten aus dem Loliondo-Jagdgebiet vertrieben, das an den Serengeti-Nationalpark angrenzt. Mehr als 200 Häuser wurden niedergebrannt, um eine Rückkehr der Massai zu erschweren. Erwirkt wurde die Vertreibung von der Firma Ortello Business Corporation (OBC) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Seit 1992 besitzt OBC Jagdrechte in dem 4.000 Quadratkilometer grossen Loliondo-Jagdrevier. Doch der Pachtvertrag sieht keinen Rechtsanspruch der OBC auf Landbesitz vor. Trotzdem hat das Unternehmen in Kooperation mit den örtlichen Behörden den Zugang der Massai-Nomaden zu Land und Wasser immer mehr beschränkt. Um ihre 50.000 Ziegen und Rinder zu versorgen, sind die Nomaden jedoch auf das Weideland angewiesen. Als "rücksichtslos und unmenschlich" kritisierte Edward Porokwa, Geschäftsführer des Verbands der Indigenen Nichtregierungsorganisationen der Nomaden (PINGOs Forum) in Tansania die Vertreibung der Massai.
Loliondo ist kein Einzelfall. In den Jahren 2006/2007 wurden 300 Nomaden-Familien aus der Region Usangu vertrieben, um die Vergrösserung des Ruaha-Nationalparks zu ermöglichen. Während in Tansania indigenen Völkern weiter Landrechte versagt werden, keimt im Nachbarland Kenia etwas Hoffnung auf. So erkennt die neue Verfassung Kenias ausdrücklich die Rechte indigener Völker an. Gerechtigkeit gab es auch endlich für die 60.000 Endoroi in Kenia. Sie waren 1973 zwangsumgesiedelt worden, um ein Wildreservat einzurichten. Nun wurde ihre Vertreibung von der Afrikanischen Union für rechtswidrig erklärt. Kenia muss somit die Endoroi entschädigen und zukünftig gemeinsam mit den Ureinwohnern das Wildgebiet verwalten. Afrikas indigene Völker feierten die Entscheidung als bedeutenden Etappensieg bei der Sicherung ihrer Rechte.
Ulrich Delius ist Asien- und Afrikareferent der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen