Basel, 19.04.2014, akte/ In Ostjerusalem soll ein jüdisches Tourismuszentrum mit dem Namen "Kadam" entstehen. Der Vertrag wurde am Donnerstag 3. April vom für den Stadtteil zuständigen Bau- und Planungskomitee gutgeheissen. Dies berichtete das Wadi Hilweh Informationszentrum, das im Stadtteil Silwan Bewusstseinsarbeit leistet und Projekte mit Jugendlichen und Kindern durchführt, auf seiner Internetseite. Die Baustätte des geplanten Projekts befindet sich östlich des Stadtteils Silwan. Wann die Bauarbeiten beginnen sollen ist noch unklar.
Die Gesamtfläche des Areals soll 9’000 Quadratmeter betragen, davon sind 1’200 auf palästinensischem Boden geplant. Betroffen sind konkret 22 Häuser. Die sieben palästinensischen Familien, die auf dem Teil des Grundstücks momentan leben, wurden im Februar von der Gemeinde über das Projekt informiert und es wurde ihnen eine sechswöchige Frist gegeben, um Einsprache zu erheben.

Die israelische Seite wurde auch von der Regierung vertreten

Diese Frist ist nun verstrichen. Nach einer achtstündigen Sitzung am 3. April wurde die Entscheidung gefällt, dass das Projekt realisiert werden kann. Die palästinensische Seite wurde von den Anwälten Qais Naser und Sami Arshid vertreten, es waren aber auch von israelischer Seite Kritiker anwesend, die sich für die Anliegen und Rechte der palästinensischen Anwohner einsetzten, wie etwa die Organisation A’eer Amim. Die israelische Seite wurde von der Siedlungsorganisation Elad, den für den Denkmalschutz und die öffentliche Begrünung zuständigen Ämtern (Antiquities Authority, Nature and Parks Authority), der Stadtbehörde von Jerusalem und der israelischen Regierung vertreten.
Das Bau- und Planungskomitee nahm am Projektentwurf einige Änderungen vor, so soll die Gesamtfläche nicht 11’000 sondern 9’000 Quadratmeter betragen, zudem soll das Areal öffentlich zugänglich sein, was ursprünglich nicht vorgesehen war. 

Ohne Baubewilligung keine Einsprache

Das Wadi Hilweh Informationszentrum übt scharfe Kritik an der Ratifizierung des Projekts. So schreibt es in einem Statement, dass die Familien von Anfang an hilflos waren, denn für eine Einsprache werden zahlreiche juristische Dokumente benötigt, wie etwa eine Baubewilligung. Eine solche vorzuweisen ist allerdings kein Leichtes: Erhebungen der UN zufolge verfügen 33 Prozent aller palästinensischen Häuser in Ostjerusalem über keine Baubewilligung von israelischer Seite, somit leben mindestens 93’100 Einwohner mit dem ständigen Risiko, wieder vertrieben zu werden.
Nun kann man sich fragen, weshalb jemand ohne Baubewilligung ein Haus erstellt. Diese Frage ist schnell beantwortet: Für Palästinenser ist es schwierig bis unmöglich, eine Baubewilligung von israelischer Seite zu erhalten, laut der israelischen NGO Bimkom werden 95 Prozent aller palästinensischen Anträge abgelehnt. Oftmals beginnen die palästinensischen Familien ihr eigenes Land trotzdem zu bebauen. In vielen Fällen müssen sie, wenn die israelische Regierung dahinter kommt, das halbfertige Haus eigenhändig wieder abreissen.
Von israelischer Seite wurden seit der umstrittenen Übernahme Ostjerusalems durch Israel 1967 über 2’000 Häuser in Ostjerusalem zerstört. Dabei wurden zahlreiche Palästinenser obdachlos. Nun droht denjenigen, die dem Tourismusprojekt weichen müssen, ein ähnliches Schicksal.

Die arabische Kultur im Stadtteil werde verdrängt

Der Anwalt Sami Arshid kritisiert, dass die ursprünglichen Bewohner von Silwan durch den Bau der Projekts von ihrem heimischen Umfeld isoliert würden. Dies trotz der unmittelbaren Nähe zur Al-Aqsa Moschee, die ein wichtiges Wahrzeichen für Muslime in Ostjerusalem ist.
Doch nicht nur für die Muslime ist der Stadtteil von historischer Bedeutung: Seit vielen Jahren wollen die Isrealis dort mit archäologischen Ausgrabungen die Existenz des Königs David belegen. So wird denn auch der volle Name des Tourismuszentrums lauten: "Kadam Complex-City of David-Old City".

Geschichte zur Legitimation der Gegenwart

Hinter dem Tourismusprojekt steckt die Ir David Foundation, auch unter dem Namen Elad bekannt, welche seit Jahren die Präsenz der jüdischen Gemeinde im Stadtteil Silwan fördert. Mit unterschiedlichen Mitteln werden immer wieder Häuser von palästinensischen Familien erworben und an jüdische Familien vermietet.
Die Organisation Elad finanziert auch die meisten archäologischen Ausgrabungen in der sogenannten "City of David". Das Tourismuszentrum, das darum herum nun entstehen soll, wird seinen Fokus stark auf die jüdische Geschichte des Stadtteils legen. Auf dem Gelände sollen etwa ein Museum über jüdische Geschichte und ein jüdischer Nationalpark errichtet werden.
Kritiker, wie eben das Wadi Hilweh Komitee, halten die Betonung der kulturellen und archäologischen Schätze für einen Vorwand: Das Vordringen in den arabischen Stadtteil sei in erster Linie politisch motiviert, dies beweise auch die Unterstützung durch die israelische Regierung. Auch der Professor für internationales Recht Hanna Issa (vgl. Youtube-Video) spricht von einer Strategie, um die palästinensischen Stadtteile nach und nach unter israelische Kontrolle zu bringen. Dass die historische Wichtigkeit der "City of David" dabei so stark betont wird, sieht er als reines Mittel zum Zweck. Das geplante Touristenzentrum wird also nicht zur zahlreiche Palästinenser vertreiben, es könnte auch zur weiteren Legitimation der israelischen Siedlungspolitik im palästinensischen Teil Jerusalems beitragen.


Auch für KennerInnen gibt es in Palästina immer wieder Neues zu entdecken. Lesen Sie:Neuerscheinung: Palästina Reisehandbuch der Alternative Tourism Group ATG(16.08.2013)