Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens bewegt in vielen Ländern die Gemüter. Geld vom Staat für jeden Bürger ohne Nachweis der Bedürftigkeit – ist das nicht zu teuer? Und vor allem: funktioniert es, ohne dass sich die Mehrheit der Menschen auf die faule Haut legt? Gegner und Befürworter werden sich bis auf Weiteres die Köpfe heiss reden, nur eines kann man seit dem Namibia-Experiment nicht mehr behaupten: dass das Grundeinkommen mit Sicherheit nicht funktionieren kann. Die Erfahrung in einem der ärmsten Länder besagt das Gegenteil.

Zwei Jahre lang haben 935 Menschen in einem kleinen Dorf in Namibia ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Claudia und Dirk Haarmann, die das Projekt wissenschaftlich von Windhuk aus betreuen, meinen: «Es ist der einzige Weg aus der Armut. Es funktioniert nicht wie eine Wohltätigkeit, sondern wie ein Grundrecht.» In Otjivero, einer 1000-Einwohner Siedlung, lag vor dem Experiment die Arbeitslosenquote bei über 70 Prozent, die Unterernährungsrate der Kinder bei 42 Prozent, die Schulquote war sehr gering. Der Ort war geprägt von Alkoholismus, Kriminalität und Aids – Alltag in afrikanischen Dörfern. Jeder Einwohner unter 60 Jahre erhielt ab Januar 2008 monatlich 100 Namibia-Dollar, umgerechnet 9 Euro. Für eine Frau mit sieben Kindern bedeutet das bereits ein mittleres Einkommen.

Eine erste Zwischenbilanz der Organisatoren (September 2008):

  • Seit der Einführung des Grundeinkommens ist die Mangel- und Fehlernährung bei Kindern erheblich zurückgegangen. Der Anteil der untergewichtigen Kinder sank von 42 auf 17 Prozent.
  • Die Beschäftigungsrate stieg erheblich – sowohl bei der abhängigen Arbeit als auch bei selbstständiger Tätigkeit. Dies widerlegt das Vorurteil, die Einführung eines Grundeinkommens würde Trägheit und Abhängigkeit steigern.
  • Mehr als doppelt so viele Eltern wie bisher waren in der Lage, das Schulgeld zu bezahlen und ihre Kinder mit den nötigen Unterrichtsmaterialien zu versorgen.
  • Die Gesundheitsversorgung, speziell auch bei HIV-Infektion, hat sich drastisch verbessert.
  • Alkoholmissbrauch und sexuelle Ausbeutung der Frauen gingen zurück, ebenso die Versorgungskriminalität (z.B. Ladendiebstahl).

Nach dem Willen der Organisatoren soll das äusserst erfolgreiche Grundeinkommen nun in ganz Namibia eingeführt werden.
Quelle: www.connection.de, Claudia Haarmann
Der Beitrag ist in Zeitpunkt Nr. 106, März/April 2010 erschienen. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung