Hans-Georg Schleicher: Südafrikas neue Elite. Die Prägung der ANC-Führung durch das Exil
Politische Hoffnungsträger des „neuen Südafrika“ sorgen derzeit reichlich für Negativ-Schlagzeilen: Korruptionsvorwürfe, Prozess wegen Vergewaltigung und dazu noch dumme Sprüche über das Duschen zur Prävention gegen HIV-Übertragung und Aids. Doch geniesst, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), der 1994 in Südafrika die Macht übernommen und das Land aus der jahrelangen Apartheid herausgeführt hat, nach wie vor das Vertrauen der Bevölkerung, wie die mit 66 Prozent der Stimmen gewonnen Wahlen vom vergangenen März zeigten. Ein Schlüssel zum besseren Verständnis der neuen Eliten in Südafrika liefert der promovierte Historiker und Diplomat Hans-Georg Schleicher mit seiner Studie über den Werdegang der heute führenden PolitikerInnen und die Rolle, die das Exil für die meisten von ihnen dabei spielte. 1960 wurde der ANC verboten und erst 1990 wieder zugelassen. Wer gegen das Apartheidregime opponierte, wurde verhaftet oder ins Exil gezwungen. Für die Betroffenen immer eine schmerzhafte Erfahrung, doch hatten sie auch Gelegenheit, sich weiterzubilden, was den AktivistInnen, die in Südafrika blieben, verwehrt war. Kein Wunder, waren in den ersten Regierungen des ANC überdurchschnittlich viele PolitikerInnen aus den Exil vertreten. Erst allmählich werden sie von einer neuen Generation von südafrikanischen PolitikerInnen abgelöst, die im Lande selbst ausgebildet worden sind. Mit Blick auf die SüdafrikanerInnen im Exil schildert Schleicher in aufschlussreicher Weise die Geschichte des Apartheidregimes und der Befreiung Südafrikas, die er mit intimer Sachkenntnis auch über versteckte Hintergründe bereichert. Besonders interessant sind die 19 Biografien von politischen Persönlichkeiten, die deutlich machen, dass der Autor ihnen über die langen Jahre im Exil nahe gestanden ist.
Hamburger Beiträge zur Afrika-Kunde 74, Institut für Afrika-Kunde im Verbund Deutsches Übersee Institut, Hamburg 2004, 367 Seiten, € 22.-, ISBN 3-928049-89-5