Hansruedi Müller, Fabian Weber: Klimaänderung und Tourismus. Szenarienanalyse für das Berner Oberland 2030
Die Berggebiete sind stark vom Tourismus abhängig und damit besonders empfindlich für Klimaänderungen, wie sie in den nächsten Jahren zu erwarten sind. Es ist daher wichtig, dass sich die Betroffenen frühzeitig der neuen Herausforderungen bewusst werden und sich Strategien überlegen. Die Destinationen im Berner Oberland möchten dabei eine Vorreiterrolle einnehmen. Sie beauftragten das Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus (FIF) der Universität Bern, in einer Studie mögliche Folgen der Klimaänderung für den Tourismus im Berner Oberland aufzuzeigen, um eine fundierte Diskussion über mögliche Anpassungs- und Verhinderungsstrategien führen zu können.
Die Autoren Hansruedi Müller und Fabian Weber entwerfen in der Studie auf der Basis von Modellberechnungen der ETH Zürich ein Szenario mit maximaler und eines mit minimaler Klimaänderung. Welches dieser Szenarien eintritt, hängt auch davon ab, welche Massnahmen umgesetzt werden.
Im Minimalszenario gehen sie von einem Temperaturanstieg im Winter von 0,4°C und im Sommer um 0,6°C aus. Dabei würde die Schneefallgrenze steigen und der Permafrost aufzutauen beginnen – „aber insgesamt würden die Veränderungen im Minimalszenario etwas weniger turbulent verlaufen als in den letzten Jahren“, wie die Forscher meinen.
Anders beim Maximalszenario, das ausgeht von einem Temperaturanstieg im Winter von 2,8°C und im Sommer von 2,6°C, und einer Zunahme der Niederschläge im Winter um 11 Prozent und einer Abnahme im Sommer um 18 Prozent. Grösseres Lawinenrisiko in höheren Lagen, um 270 Meter steigende Grenze für die Schneesicherheit, massive Gletscherschmelze, Auftauen des Permafrostes, Felsstürze und Überschwemmungen im Frühling gehören zu den düsteren Aussichten im Maximalszenario.
Wo nicht mehr genug Schnee fällt, kommen Betreiber von, Skiliften und Schneesportschulen in Bedrängnis. Für Bergbahnen wie die Schilthorn- oder die Jungfraubahnen werde es möglich sein, die Winterflaute durch starke Besucherzahlen im Sommer zu kompensieren. Aber für die künstliche Beschneiung werde es auch wegen der Wasserknappheit schwierig.
Vorbei also mit schönen Winterlandschaften. Die Touristenfrequenz werde sich in den Sommer verschieben, prognostizieren Müller und Weber. Bergführer und Outdoor-Veranstalter müssten sich dabei mit steigenden Gefahren auseinander setzen (Felsstürze, Überschwemmungen), bei den Sicherheitsarbeiten würden dafür wieder Arbeitsplätze entstehen. Unter dem Strich muss im Jahr 2030 mit jährlichen Umsatzeinbussen von 70 Millionen Schweizer Franken, gerechnet werden, selbst mit Investitionen in Anpassungsmassnahmen. Jede Destination sei dabei unterschiedlich betroffen. Grindelwald etwa werde vermutlich weiss bleiben, aber mit dem Gletscher schmelze dem Ort vielleicht die charakteristischste Attraktion weg.
Auch der Tourismus selbst kann etwas tun, um die Klimaänderungen zu beschleunigen oder zu verhindern. Die Autoren erinnern an Massnahmen wie die Förderung des öffentlichen Verkehrs, die konsequente Anwendung des Verursacherprinzips, die Verbesserung der Verkehrsmanagements, die Reduktion des Energieverbrauchs und der Emissionen von Heizanlagen sowie die Kompensation von CO2-Emissionen. Schliesslich brauchen die Destinationen auch Anpassungsstrategien: Die Leistungsträger sollen sich zusammentun, um gemeinsam die Attraktivität ihrer Region zu sichern, sie sollen durch entsprechende Angebote die Saison verlängern, Investitionen in die Sicherheit, das Gefahrenmanagement und die Forschung und Sensibilisierung der Bevölkerung tätigen – und schliesslich einen Klima schonenden Tourismus kommunizieren.
„Den meisten fällt das Denken in fernen Zukunftsbildern schwer“, räumen die Autoren nach der detaillierten Szenarioanalyse ein. „Unser Denken orientiert sich an Erfahrungswerten aus der Vergangenheit, die tendenziell in die Zukunft extrapoliert werden.“ Inspiriert von der deutschen Freizeitforscherin Felizitas Romeiss-Stracke gestatten die Autoren zum Schluss einen Blick auf das Berner Oberland über eine fiktive Ballonfahrt – ein Bonus, der Lust macht, zu überlegen, was wir verhindern, an was wir festhalten, und was wir verwirklichen möchten.
Hansruedi Müller, Fabian Weber: Klimaveränderungen und Tourismus Szenarienanalyse für das Berner Oberland 2030, FIF Universität Bern, Bern 2007, 88 Seiten, SFr. 10.-, ISBN 3-905666-05-7
Zu beziehen über: FIF, Universität Bern, Postfach 8573, CH-3001 Bern, Tel: +41 (0)31 631 34 11; Fax: +41 (0)31 631 34 15, fif@unibe.ch