Mehr als zwanzig Jahre litt die Bevölkerung des Sudans unter dem Bürgerkrieg zwischen dem Norden und Süden. Gründe für den Konflikt waren sehr vielschichtig: jahrzehntelange, vollständige Marginalisierung und mangelnde politische Teilhabe des Südens, ungleiche Verteilung der Einnahmen durch die natürlichen Ressourcen wie Erdöl, kulturelle und ethnische Aspekte. Der Krieg trieb die Menschen im Südsudan in eine Hungerkrise. Rund zwei Millionen Menschen starben, und weitere vier Millionen wurden in die Flucht getrieben. Der Krieg führte auch zur Zerstörung der Infrastruktur, der Grundversorgung wie Nahrung, Wasser, Gesundheit und Bildung. Mithilfe der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft wurde im Januar 2005 ein Friedensabkommen zwischen den beiden Kriegsparteien, der Regierung und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee SPLA (Sudanese People Liberation Army), unterzeichnet. Es sieht vor, dass die Bevölkerung des Südsudans vor Ablauf des sechsjährigen Friedensabkommens über ihre Unabhängigkeit und die Bildung eines eigenen Staates abstimmen darf. Die Abstimmungsprognosen zeigten deutlich, dass eine Mehrheit im Süden für die Bildung eines eigenen Staates stimmen würde. Im Norden hingegen rief der Unabhängigkeitswunsch des Südens Verbitterung und auch Ängste hervor. Sudan ist der drittgrösste Erdölproduzent Afrikas und ist völlig vom Erlös aus dem "schwarzen Gold" abhängig. Der grösste Teil der Erdölfelder liegt in der Mitte des Landes, und beide Seiten erheben darauf Anspruch. Die Abstimmung dauerte vom 9. bis 15. Januar 2011. Erste Ergebnisse deuten auf eine überwältigende Mehrheit für die Loslösung des Südens. Doch war der Ausgang der Abstimmung offiziell zur Zeit des Redaktionsschlusses noch nicht bekannt.

Extreme Armut im Südsudan
Die Zivilbevölkerung des Südsudans ist von extremer Armut betroffen, dies trotz den Erdöleinnahmen, die aber kaum an die Bevölkerung zurückfliessen. Die Hälfte der Menschen hat weniger als einen Dollar pro Tag; 4,3 Millionen benötigen zurzeit Lebensmittelhilfe, und mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Jede siebte schwangere Frau stirbt an den Folgen der Schwangerschaft, da sie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hat. 92 Prozent der Mädchen können weder lesen noch schreiben. Diese Situation stellt auch die Hilfswerke vor eine enorme Herausforderung, da sie möglichst viele der dringenden Bedürfnisse der Bevölkerung abdecken möchten.
HEKS unterstützt die Bevölkerung des Südsudans seit mehreren Jahren und engagiert sich mit den Partnerorganisationen in den Gebieten von Central und Western Equatoria. HEKS setzt sich ein für den Zugang zu sauberem Trinkwasser und Latrinen sowie verbesserter medizinischer Betreuung von Krankheiten wie Malaria. Weiter unterstützt HEKS die ländliche Bevölkerung, welche sich in Gemeinschaften organisiert, und unterrichtet sie durch spezifische Ausbildung in den Bereichen Vieh- und Fischzucht sowie dem verbesserten Anbau von Gemüse. Dies soll nicht nur ihren eigenen Bedarf abdecken, sondern auch ein kleines Einkommen generieren, wenn sie die Produkte auf den lokalen Märkten verkaufen können.

Einkommen dank Landwirtschaft
Besta Modo zum Beispiel ist Mitglied einer Frauengruppe, die von der HEKS-Partnerorganisation Mugwo Community Development Forum (MCDF) unterstützt wird. Sie lebt im Dorf Ligi in Central Equatoria und hat drei Kinder. Zwei sind gestorben, eines bei der Geburt, das andere an einer heilbaren Krankheit, doch gab es für die Mutter keine Möglichkeit, ein Spital aufzusuchen und die nötigen Medikamente zu bekommen.
Besta Modo und ihr Mann bewirtschaften zusammen ein Stück Land. Dank HEKS und seiner Partnerorganisation MCDF haben sie Saatgut für Zwiebeln, Tomaten, Maniok und Sesam erhalten und in Kursen gelernt, diese Pflanzen zu kultivieren und auf dem lokalen Markt zu verkaufen. "Wir haben gerade genug, um zu überleben, und freuen uns jedes Mal über die Früchte, die auf unserem kleinen Feld wachsen", sagt Besta Modo. Ihr grösster Wunsch ist es, die Kinder zur Schule zu schicken. Darum möchte sie sich in den Kursen von MCDF weiterbilden, um noch besser wirtschaften und mehr Ertrag erzielen zu können.

Sauberes Trinkwasser
In den Bezirken Layina und Yei ist Trinkwasser das wichtigste Gut. Zu jeder Tageszeit sieht man Kinder und Frauen mit Wasserbehältern auf ihren Köpfen, die sie oft kilometerweit transportieren müssen. Rose Akujo aus Mugwo musste früher ebenfalls viele Stunden laufen, um sauberes Wasser zu holen. Sie hat sechs Kinder zwischen zwei und achtzehn Jahren. Ihr Mann musste in den Krieg und kam nie mehr zurück. Ihr Einkommen reichte nicht, um die ganze Familie zu ernähren, worauf ihr Bruder vier der Kinder bei sich in der Stadt Yei aufnahm. Um Geld zu verdienen, eröffnete sie einen kleinen Imbissstand. Jeden Tag kämpft sie um ihr Einkommen und ist glücklich, wenn sie genug Geld verdient, um das Essen und die Schulutensilien ihrer beiden bei ihr lebenden Kinder zu bezahlen. Eine grosse Erleichterung war für Rose Akujo der Bau des Brunnens in Mugwo. Sie profitiert heute wie viele andere Menschen in der Region, vom sauberen Wasser im Dorfbrunnen, den HEKS mit der Partnerorganisation Sudan Health Association erstellt
hat. Heute muss sie nicht mehr stundenlang gehen, um sauberes Wasser zu besorgen, sondern kann an ihrem Imbissstand arbeiten und Geld für die Familie verdienen.

Bildung fördern
Ein weiterer Schwerpunkt der HEKS-Arbeit im Südsudan ist die Berufsbildung, Alphabetisierung und Friedensförderung. HEKS und seine Partnerorganisationen legen einen speziellen Fokus auf die Ausbildung und Alphabetisierung von Frauen und Mädchen. Zudem werden diese in ihren Bemühungen unterstützt, mit einem kleinen Gewerbe ein Einkommen zu erzielen. Ein weiterer wichtiger Teil der Unterstützung ist die gemeinsame Weiterbildung der Verantwortlichen der Partnerorganisationen, so dass sie als Verbindungsglied zwischen der Zivilgesellschaft und den Behörden auftreten können. Auch Alice Nyangi kann nicht lesen und schreiben. Sie lebt in Mvolo in Western Equatoria, wo HEKS mit seiner Partnerorganisation Sudan Evangelical Mission (SEM) Alphabetisierungskurse für Erwachsene anbietet. Während des Bürgerkriegs war Alice Nyangi auf der Flucht mit ihren drei Kindern, zog von einem Ort zum andern. Ihr Mann verlor im Krieg das Leben. Vor zwei Jahren hat sie wieder geheiratet, und sie ist glücklich, dass ie eine Aufgabe erhalten hat, welche sie als enorm wichtig erachtet: Seit November 2010 ist sie Verbindungsfrau zwischen der Übergangsregierung im Südsudan und verschiedenen Frauenorganisationen. Sie ist die eigentliche Repräsentantin der Frauen gegenüber den Lokalbehörden. Ihre Aufgabe ist es, spezifische Anliegen der Frauen zu vertreten und zu schauen, dass ihnen auch Gehör verschafft wird. Alice Nyangi hat mit dem Alphabetisierungskurs, der von SEM angeboten wird, im letzten April 2010 begonnen. Diese Kurse finden viermal die Woche statt und dauern zwei Stunden. Alice Nyangi ist froh, dass sie diese Möglichkeit wahrnehmen darf. Denn Lesen und Schreiben wird nun zukünftig für ihre Aufgabe als Frauenbeauftragte wichtig sein.

Niedriger Bildungsstand bei Frauen
Ende Oktober 2010, als die Registrierung von den Berechtigten der Abstimmung über die Unabhängigkeit des Südens begann, wurde Alice Nyangi von der Lokalregierung beauftragt, in die Dörfer zu gehen, um die Frauen über die Abstimmung und das Verfahren zu informieren. Gefragt, was denn die wichtigsten oder  dringlichsten Anliegen der Frauen sind, meint sie: «Der enorm niedrige Bildungsstand.» Der grösste Teil der Frauen könne weder lesen noch schreiben, und ihre Abhängigkeit von ihren Ehemännern sei enorm gross. Wären die Frauen besser ausgebildet, hätten sie eine Chance, diesen Kreis der Abhängigkeit zu durchbrechen. Dies wäre wichtig, da die häusliche Gewalt gegen Frauen sehr verbreitet sei. Die mangelnde Gesundheitsversorgung ist ein zusätzliches grosses Problem speziell für Frauen. Entwickelt sich die Schwangerschaft und die Geburt nicht normal, führt dies sehr häufig zum Tod des Kindes, aber auch der Mutter. Sogar in etwas grösseren Orten sind die Spitäler äusserst notdürftig ausgerüstet. Auf die Frage, was sie denn am glücklichsten machen würde, sagt Alice: "Ich bin froh, eine Frau zu sein." Trotz den vielen zusätzlichen Widerständen fühle sie sich als Frau sehr wohl und gerade die Verbundenheit und Solidarität unter Frauen wären eine enorme Stütze und Hilfe, welche sehr tragend seien.

Weitere Informationen zur HEKS-Arbeit im Südsudan finden Sie unter www.heks.ch/handeln.