Hölle im Ferienparadies: Junger Oppositioneller auf den Malediven zu Tode gefoltert
Am 15. April 2007 wurde die Leiche eines jungen Oppositionsanhängers im Süden der Hauptstadtinsel Male an Land gespült – offensichtlich gewaltsam gefoltert, wie Augenzeugen berichten. Die Vertuschungsversuche um die Todesumstände des Folteropfers deuten laut Maledivenexpertin Silvia Schnorf* klar auf eine Brutalisierung des Staatsterrors hin.
Für Feriengäste mögen die Malediven ein Paradies sein, für viele Einheimische sind sie schlichtweg die Hölle: Am 15. April wurde die Leiche von Hussein Salah an der Südseite der Hauptstadtinsel Male im Meer entdeckt, nahe des dortigen Polizeizentrums. Der Zustand der Leiche weist auf brutalste Folter hin: Knochenbrüche im Kopfbereich, ausgeschlagene Zähne im Unterkiefer. Bilder des Opfers, die auf Websites von Oppositionszeitungen veröffentlicht wurden, liefern Zeugnis der Gewalteinwirkungen. Der grausige Leichenfund zog in Male, wo sich Gerüchte in Windeseile verbreiten, eine beachtliche Zuschauermenge an, die von der Polizei umgehend gewaltsam vertrieben wurde
Todesdrohungen per SMS von der Polizei
Angehörige des Opfers und Vertreter der Opposition forderten eine unabhängige Autopsie. Doch die Sicherheitskräfte verweigerten eine solche. Das Folteropfer Hussein Salah war 27 Jahre alt, stammte aus dem Addu-Atoll im Süden der Malediven und war Mitglied der Maldivian Democratic Party (MDP). Sechs Tage bevor seine Leiche vor Male aufgefunden wurde, war er auf seiner heimatlichen Insel unter der Anklage von Drogendelikten verhaftet und zum Verhör nach Male gebracht worden. Seine Familie hörte am 12. April zum letzten Mal von ihm.
Nach Angaben des Oppositionsführers Mohamed Nasheed handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen politisch motivierten Mord. Während einer Protestveranstaltung der Partei vom 7. April in Addu hatte Hussein Salah ihn auf dem Motorrad befördert. Vertreter der Partei hätten gemäss Nasheed noch am selben Tag eine SMS mit der Drohung erhalten: „Wir werden Euch töten“.
Solche Todesdrohungen per SMS an die Adresse von Oppositionellen seien in letzter Zeit immer häufiger vorgekommen und hätten bisher auf registrierte Mobiltelefone der Polizeit zurückverfolgt werden können, erklärt Nasheed. Zwei Tage nach dem SMS wurde Hussein Salah verhaftet, nicht wegen eines Drogendelikts, wie die Polizei nach seinem Tod plötzlich behauptete, sondern unter der Beschuldigung, Sand vom Strand gestohlen zu haben.
Mit Hussein Salah wurde ein politisch unbedeutendes junges Parteimitglied auf bestialische Weise ermordet. Damit soll wohl die Bevölkerung eingeschüchtert und davon abgehalten werden, sich auf die Seite der demokratischen Opposition im Inselstaat zu schlagen. Dem Regime des bald 30 Jahre amtierenden Präsidenten Gayoom ist klar, dass der Tod eines Oppositionsmitglieds zu unkontrollierbaren Reaktionen in der Bevölkerung führen würde. Der starke Rückhalt in der Bevölkerung und ihre internationale Vernetzung ist wiederum die einzige Sicherheit für die demokratische Opposition. Nasheed betont im Gespräch: „Je besser die internationale Öffentlichkeit informiert ist, desto mehr Sicherheit haben wir.“
Vertuschungsmanöver um die Todesumstände
Nasheed musste im Zusammenhang mit dem Fall Salah selbst Faustschläge und Stiefeltritte einstecken, als er sich nach dessen Tod der empörten Menschenmenge anschloss, die von „Star Force“-Einheiten der Polizei auseinandergetrieben wurde. Er wurde mit anderen führenden MDP-Mitgliedern einmal mehr verhaftet, am folgenden Tag aber wieder freigelassen. Dass er so schnell auf freien Fuss kam, verdankt er vermutlich der britischen Botschaft in Colombo, die auch für die Malediven zuständig ist und sich schon länger um einen Ausweg aus dem Konflikt zwischen dem Regime Gayoom und der demokratischen Opposition bemüht.
Das übel zugerichtete Opfer wurde nur dank der Hartnäckigkeit uneingeschüchterer Bürger überhaupt identifiziert und schliesslich auch auf innere Veletzungen untersucht. Dabei wurden schwere Kopfverletzungen und Knochenbrüche festgestellt. Die Angehörigen wurden abgewimmelt, als sie eine Autopsie in Colombo, der Hauptstadt des nahen Sri Lanka, forderten, zumal es in Male kein gerichtsmedizinisches Institut gibt. Die Sicherheitskräfte versuchten, Zeit zu schinden, ohne die Leiche adäquat zu kühlen. Nach sechs Tagen wurde sie schliesslich nach Colombo überführt, wo bei der Obduktion „Tod durch Ertrinken ohne äussere Gewalteinwirkung“ festgestellt wurde. Kein Wunder, wurde diese doch durch einen bei verschiedenen asiatischen Menschenrechtsorganisationen als käuflich bekannten Gerichtsmediziner durchgeführt und von in Colombo ansässigen regimetreuen maledivischen Geschäftsleuten aus der Tourismusbranche finanziert.
Ausland und Tourismusbranche schauen weg
Bisher waren extralegale Hinrichtungen auf den Malediven nicht bekannt. Muss nun angenommen werden, dass Hussein Salahs Fall eine solche Tat darstellt und sich der Staatsterror seit dem Foltertod des Häftlings Evan Nasseem bei der Gefängnisrevolte von 2003 noch verschärft hat? Willkürliche Verhaftungen von Oppositionellen und Medienschaffenden, gewaltsame Repression der gegen die brutale Polizeigewalt friedlich Demonstrierenden und brutale Folter in den Haftanstalten werden von der Demokratiebewegung im In- und Ausland seit mehreren Jahren angeprangert. Gehören nun auch gezielte Morde zur Tagesordnung? Da verkommt das Ferienparadies vollends zum Höllenszenario.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) vermerkt auf seinen Sicherheitshinweisen im Internet bloss: „ In der Hauptstadt Male und auf nichttouristischen Inseln im Süden ist es wiederholt zu Kundgebungen mit Ausschreitungen gekommen. Meiden Sie Demonstrationen und grössere Menschenansammlungen jeder Art.“
Willkür und Staatsterror sind die Mittel, mit denen sich der alte Mann an der Macht hält. Das Wegsehen der internationalen Gemeinschaft – nicht zuletzt aufgrund der Interessen der Tourismusbranche – ist das andere notwendige Element.
Längst hat die in Grossbritannien ansässige Unterstützungsorganisation „Friends of the Maldives“ (FOM) eine Liste der Ferieninseln auf den Malediven publiziert, die besonders mit dem Regime verbandelt sind und deshalb nicht gebucht werden sollen. Erklärtes Ziel von FOM ist, die Korruption zu bekämpfen und die demokratische Opposition zu stärken.
Politische Stabilität und demokratische Reformen müssten eigentlich im Interesse aller Geschäftspartner der Malediven sein. Weiter wegsehen heisst auch, dem Unrechtsregime auf den Malediven in die Hände zu spielen.
*Silvia Schnorf hat mehrere Jahre auf den Malediven gelebt und animiert die Menschenrechtsorganisation „Association for the Prevention of Torture and Ill-Treatment in the Maldives“, www.aptim.org