Das Klima auf Zacate Grande, einer Halbinsel am Pazifik im Süden von Honduras, ist tropisch, Mangrovenwälder säumen die hügelige Gegend, der steinige Boden ist wenig fruchtbar. Für die Selbstversorgung reichen die gefangenen Fische und der angepflanzte Mais und die Bohnen knapp. Jeder, der hier etwas mehr als das Lebensnotwendigste hat, besitzt dies dank einem nahen Verwandten in den USA, der unter Lebensgefahr dorthin migrierte und im besten Fall eben etwas Geld heimschickt.&nb

Bewohner sollen Luxushotel weichen

Miguel Facussé Barjum interessiert sich für Zacate Grande. Der Sohn palästinensischer Einwanderer ist der reichste Agrarunternehmer von Honduras. Der heute 82-Jährige dominiert den Konsumgütermarkt Zentralamerikas und brachte rund 350 Produkte auf den Markt, 2003 verkaufte er seine Produktepalette an Unilever. Mit seinem Palmölkonzern Corporación Dinant ist er zudem der grösste Palmölproduzent Zentralamerikas.
Jetzt plant er auf der Halbinsel Zacate Grande bei Puerto Grande den Bau eines Luxushotels. Auf einem anderen Teil der Insel hat er bereits eine seiner Ferienvillen gebaut. Die BewohnerInnen auf Zacate Grande wollen keinem Hotelkomplex weichen und kämpfen seit inzwischen über zehn Jahren um ihr Land und ihre Rechte. Sie sind entschlossen, zu bleiben und das Stückchen Land, das sie lieben und wo sie und ihre Familien seit Generationen wohnen, zu verteidigen – zur Not mit ihrem Leben. Das Problem: Die meisten der BewohnerInnen von Zacate Grande haben keine formellen Landtitel für die Grundstücke, die sie bewirtschaften und auf denen sie seit gut achtzig Jahren leben.

Unklare Landrechte

Der erste registrierte Besitzer der Insel war der ehemalige Präsident von Honduras, Terencio Sierra. Dieser hat die Insel dann seiner Enkeltochter Carmen Malespín de Lazo vererbt, welche sie vor 25 bis 30 Jahren wiederum an Privatpersonen weiterverkauft hat, unter ihnen an Miguel Facussé Barjum. Tatsächlich war die Insel bis Anfang des 20. Jahrhunderts aber unbewohnt, als erste Kleinbauernfamilien aus den südlichen Departementen Choluteca und de Valle das Land besiedelten. Heute leben etwa 800 Familien auf der Insel.
Facussé ist im Besitz von Dokumenten, aus denen hervorgeht, dass er der Landeigentümer ist – und die BewohnerInnen Zacate Grandes vorübergehende NutzniesserInnen. Die BewohnerInnen Zacate Grandes gründeten deshalb im Jahr 2000 die «Bewegung für die Rückgewinnung und die Erteilung der Rechtsinhaberschaft für das Gebiet Zacate Grande».
Die Bewegung setzt sich dafür ein, dass die Gemeinschaften Zacate Grandes gültige Rechtstitel für ihre natürlichen Ressourcen und für das Land, auf dem sie leben, erhalten. Aus dieser Bewegung ging später die HEKS-Partnerorganisation ADEPZA (Vereinigung für die Entwicklung der Halbinsel Zacate Grande) hervor. ADEPZA wurde von den Bewohnern Zacate Grandes mit dem Ziel gegründet, sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam ihre Existenz zu sichern. In diesem Rahmen bewirtschaften sie gemeinsam Boden und pflanzen Mais und Bohnen an. Daneben leben sie von der Fischerei.

Gelten die Gesetze der Regierung Zelayas noch?

ADEPZA beschuldigt Facussé, eine 20 Kilometer lange Mauer errichtet zu haben, die den Zugang zu den Stränden versperrt. Dies verstösst gegen das honduranische Fischereigesetz. Wenn die BewohnerInnen, die einen Teil ihres Lebensunterhalts durch Fischerei bestreiten, mit ihren Booten anlegen wollen, werden sie von Facussés Sicherheitsleuten angegriffen und vertrieben. 2008 wandten sich die Mitglieder der ADEPZA an das honduranische Landwirtschaftsinstitut, um eine Neuvermessung des Landes und die Anerkennung ihrer Eigentumsrechte zu fordern. Dies aufgrund des Dekretes, das besagt, dass Gemeinschaften, die mehr als zehn Jahre auf einem Stück Land leben und es bewirtschaften, dieses mit einem sicheren Landtitel zugeschrieben bekommen. Das Landwirtschaftsinstitut hat bis jetzt jedoch keine Anstrengungen unternommen, das Land neu zu vermessen; der Putsch vom Juni 2009 brachte diesen Prozess zum Erliegen.
Seit dem Putsch ist die lokale Bevölkerung einem immer spürbareren Druck ausgesetzt. Miguel Facussé hat Militär, Polizei und Gerichte für seine Interessen mobilisiert und die Bewachung der umstrittenen Ländereien verstärkt. Gleichzeitig spaltet er die Bevölkerung von Zacate Grande, indem er diejenigen, die sich seinen Interessen nicht entgegensetzen, finanziell unterstützt. So händigte er einige Hundert Eigentumsurkunden an Familien in Puerto Grande und La Flor aus, die nicht ADEPZA angehörten, und versucht so, interne Konflikte zu schüren und den Widerstand zu brechen.

FM 97.1: "La Voz de Zacate Grande"

Als Reaktion auf die drastischen Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Zuge des Putsches gründeten junge Menschen aus dem Dorf Puerto Grande das Lokalradio "La Voz de Zacate Grande", (Die Stimme von Zacate Grande). Das Lokalradio verbreitet mehrere Stunden pro Tag über FM 97.1 regionale und nationale News und Fakten rund um den Landkampf und berichtet über die wichtigsten internationalen Ereignisse. Die jungen Erwachsenen berichten über Ungerechtigkeiten im Land, machen Hintergrundsendungen zu politischen Schwerpunktthemen, lassen Freunde grüssen und bringen Musik. Sie strahlen auch Sendungen zu Gender- oder Landwirtschaftsthemen aus und möchten nun gerne ein Fernstudium via Radio anbieten, damit all jene, welche die Schule nur kurz besuchen konnten, daheim weiterstudieren können. Wenn von ihnen gerade niemand im Studio ist, wird auf ihrer Frequenz FM 97.1 das Programm eines der Oppositionsradios ausgestrahlt.

Radio trotz allem

Im Juni 2010 bekam das Radioteam die Repression gegen kritische Medien zu spüren: Eine Einheit von 300 Polizisten räumt mit Haftbefehlen gegen acht Teammitglieder den Radiosender und untersagte den weiteren Betrieb. Einige Jugendliche wurden verhaftet oder von der Polizei angegriffen, etwa weil sie über eine Landvertreibung berichteten. Der Radiochef Franklin Meléndez wurde kürzlich angeschossen, hat im Moment Redeverbot und darf das Radiogelände auch nicht betreten. Er erhielt am 1. April 2011 einen Haftbefehl wegen "gesetzeswidriger Aneignung von Land, zivilem Ungehorsam, Steuerhinterziehung und Umweltverschmutzung", zusammen mit dem ADEPZA-Vorsitzenden Pedro Canales und sechs weiteren MitstreiterInnen. Die Begründung: Informationsvermittlung und Bewusstseinsbildung mithilfe der Radiostation sei Steuerhinterziehung, da das Radio in diesem Sinne nicht legal sei. Und die zweite Begründung: Der Getreideanbau sei eine rechtswidrige Landbesetzung und die Bewirtschaftung des Landes verursache Umweltschäden. Dies, weil ein Kollektiv seit Jahren das Land bewirtschaftet, auf dem Miguel Facussé seinen Hotelkomplex plant.
Die jungen Erwachsenen und ADEPZA lassen sich davon nicht einschüchtern. Der Sendebetrieb des Radios wird aufrechterhalten und findet auf der Halbinsel zunehmend Gehör. Mit HEKS und einer kleinen italienischen NGO sind nun auch Internationale vor Ort; ein weiterer Schutz für die jungen Menschen, die sich für ihre Heimat und ihr Land wehren. Und täglich kommt eine Polizeipatrouille zum Schutz der RadiomacherInnen vorbei, ein Widerspruch, den vor Ort jedoch niemanden sonderlich erstaunt.


Landkampf in Honduras

Zwölf Oligarchenfamilien besitzen über 90 Prozent des des hondurenischen Landes. Ihre riesigen Flächen investieren die Grossgrundbesitzer in die auf Export ausgerichtete Plantagenwirtschaft – zum Teil lassen sie das Land auch brach liegen. Beides ist problematisch: Einerseits haben die meisten Kleinbauern zu wenig Land, um genügend Nahrungsmittel für sich und ihre Familien anzupflanzen, und andererseits kann der Bedarf für die ständig wachsende Stadtbevölkerung nicht mehr gedeckt werden.
Aufgrund einer Agrarreform in den 70er-Jahren wurden innert fünf Jahren an die 120 Millionen Hektaren Land an die Kooperativen umverteilt. Doch im Zuge von sogenannten Strukturanpassungen in den 90er-Jahren kaufte der Staat das Land von den Kleinbauern zurück, um es gewinnbringend an Unternehmer zur Pflanzung grossflächiger Plantagen für Nahrungsmittelexporte oder die Agrotreibstoffproduktion weiterzuverkaufen. In den letzten Jahren wurde unter der Regierung Manuel Zelayas erstmals wieder ein Dialog zwischen Grossgrundbesitzern und landlosen Kleinbauern aufgebaut: Ein unter Zelaya verabschiedetes Dekret sollte für Einzelpersonen sowie Gemeinschaften Mechanismen schaffen, damit sie Land, auf dem sie für einen gewissen Zeitraum gelebt und das sie bewirtschaftet hatten, durch Landtitel zugeschrieben bekamen. Zudem sollte nicht genutzte private Fläche unter gewissen Bedingungen für die Produktion von Nahrungsmitteln enteignet werden können. Als Manuel Zelaya 2009 eine Verfassungsreform anstrebte, wurde gegen ihn geputscht, und unter der Nachfolgeregierung Porfirio Lobos erklärte der Oberste Gerichtshof das Dekret schliesslich als verfassungswidrig.
Der Unternehmer und Landbesitzer Miguel Facussé Barjum, einer der reichsten Männer Honduras, ist unter anderem Besitzer der Dinant-Gruppe, die Biodiesel aus Palmen und Jatropha produziert. Er und andere Mitglieder seiner Familie werden als treibende Kraft hinter Putsch der Regierung Zelayas vermutet. César Ham von der linken Unidad Democrática ist der jetzige Direktor des Landwirtschaftsinstituts, also ein Beamter des de facto Präsidenten Porfirio Lobo Sosa. Er ist Anhänger von Zelaya und hatte sich für eine verfassungsgebende Versammlung eingesetzt. Er wurde verschiedentlich dafür kritisiert, eine Stelle in der Lobo-Verwaltung angenommen zu haben, die ihm offensichtlich angeboten wurde, um den Widerstand zu vereinnahmen.

Unterstützung von HEKS

In Zacate Grande unterstützt HEKS seit 2010 die lokale Organisation ADEPZA. In einer ersten Phase werden die Mitglieder des Radioteams für ihre Aufgabe aus- und weitergebildet. HEKS finanzierte einen Teil der Infrastruktur der Sendeanlage. In Zukunft wird HEKS Aktivitäten der Partnerorganisation zur Verbesserung des Anbaus und der Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte unterstützen.Die HEKS-Partnerorganisation COFADEH unterstützt die BewohnerInnen Zacate Grandes in juristischen Angelegenheiten und verteidigt die Angeklagten vor Gericht. Zudem hat COFADEH die Verantwortung übernommen, in Zacate Grande ab sofort eine ständige Präsenz durch internationale Beobachter einzurichten.

Solidaritätsaktion: Eine Stimme für "La Voz de Zacate Grande"

Wegen der dauernden Repressionen gegen die RadiobetreiberInnen hat HEKS gemeinsam mit Schweizer Radiostationen die Solidaritätsaktion "Eine Stimme für ‹La Voz de Zacate Grande’" lanciert: HEKS bat Schweizer Radiostationen, eine Solidaritätsbekundung mit den Menschen und dem Lokalradio in Zacate Grande zu unterzeichnen, und wird diese Bekundungen dem Team von "La Voz de Zacate Grande" überreichen, als Zeichen, dass in einem anderen Teil der Welt andere Radiostationen an ihrer schwierigen Lage Anteil nehmen. Folgende Radiostationen haben bisher diese Solidaritätsbekundung unterzeichnet: Radio Stadtfilter (Winterthur), Radio LoRa (Zürich), Radio Kanal K (Aarau), Radio Industrie (Zug), Radio X (Basel), Radio RaBe (Bern), Radio toxic fm (St. Gallen), Radio 3fach (Luzern) sowie UNIKOM (Union nicht-kommerzorientierter Lokalradios) und Arbus Schweiz (Vereinigung für kritische Mediennutzung, gegründet als Arbeiter-Radiobund der Schweiz).