Basel, 13.05.2011, akte/ Alle Gästeumfragen belegen die einzigartige Natur und Landschaft als Hauptgrund für Reisen in die Schweiz. Daher unterzeichneten die wichtigsten Schweizer Tourismusverbände (Schweiz Tourismus, Schweizer Tourismus-Verband, Hotelleriesuisse, GastroSuisse, Seilbahnen Schweiz/öffentlicher Verkehr, SBB sowie verschiedene Regionalverbände) Ende 2009 eine gemeinsame Nachhaltigkeits-Charta. Sie verpflichten sich darin unter anderem, ihre Mitglieder und Kunden auf Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, Anreize für die Nachhaltigkeit zu schaffen, entsprechende Zertifikate bis Ende 2012 zu erwerben und die Fortschritte kontinuierlich zu beobachten.
Auch der Bundesrat bekennt sich in seiner Mitte 2010 formulierten Wachstumsstrategie für den Tourismusstandort zur Nachhaltigkeit. "Nachhaltige Unternehmensführung rückt im Tourismus zunehmend in den Fokus und stellt mehr als nur einen Trend dar", kommentieren der Hotelleriesuisse-Präsident, Guglielmo Brentel, und der CEO, Christoph Juen. "Die Nachhaltigkeit ist ein Treiber, welcher die Rahmenbedingungen im Tourismus prägt und dabei gerade in der Hotellerie an Bedeutung gewinnt."
Wege im Dschungel der Labels, Normen und Managementsysteme
Um die Mitglieder des Verbands besser für diese Aufgabe zu rüsten, gab Hotelleriesuisse bei der Hochschule Luzern eine Studie in Auftrag. Sie sollte im ersten Teil eine Übersicht im Dschungel der vielen Umwelt- und Nachhaltigkeitslabels schaffen und aufzeigen, welche für die Schweizer Hotellerie überhaupt relevant sind. Im zweiten Teil soll verdeutlicht werden, wie die Labels in der Hotelklassifikation berücksichtigt werden könnten. Die Studie lag im Februar 2011 vor. Martin Barth und Fabian Weber, die Forscher der Luzerner Hochschule, orteten 27 unter den mehreren hundert Labels, die für die Schweizer Hotellerie relevant sind. Es handelte sich um Labels für den Gesamtbetrieb (keine Produktelabels), welche mindestens eine Dimension der Nachhaltigkeit abdecken und extern überprüft werden. Trotz dieser Begrenzung ist die Vielfalt immer noch beachtlich: Von Spezialitätenlabels wie "BIO-Hotels" über Berichterstattungsnormen wie die "Global Reporting Initiative" bis zu umfassenden Tourismuslabels wie STEP oder Steinbock ist unter den 27 alles zu finden und die Orientierung immer noch recht schwierig. Mit einer Reihe von Schemata erlaubt die Studie eine Orientierung darüber, wie ein- oder mehrdimensional die Auszeichnung die Nachhaltigkeitsthemen abdeckt, wie sie geografisch ausgerichtet ist oder welche Stufen es gibt (etwa Travelife Bronze, Silber, Gold, oder Steinbock eins bis fünf). Während einige Labels sich auch an Einsteiger richten, eignen sich andere eher für Betriebe, die in Sachen Nachhaltigkeit bereits aktiv geworden sind, für die "Ambitionierten" schliesslich bieten sich umfassende Nachhaltigkeitslabels und Managementsysteme.
Nachhaltigkeit in der Hotelklassifikation ausweisen
Die Hotelklassifikation dient der Transparenz und Sicherheit für den Gast und schafft klare Leistungsverhältnisse. Um die Nachhaltigkeit in die Hotelklassifikation zu integrieren, gibt es grundsätzlich zwei Wege: einerseits die Schaffung einer Spezialisierungskategorie "Nachhaltigeit", andererseits die Berücksichtigung der Labels im Kriterienkatalog der Sterne. Hotelleriesuisse möchte die Spezialisierungskategorie "Nachhaltigkeit" noch im Verlauf dieses Jahres einführen. In der Studie werden dafür verschiedene Varianten vorgeschlagen. Möglich wäre, eine Gruppe von Labels auszuwählen und als gleichwertig zu anzuerkennen. Wer das Label hat, kommt in die Spezialisierungskategorie. Eine zweite Variante sieht einen eigenen Kriterienkatalog vor, dem die Hotels entsprechen müssen. Sie können dann unabhängig davon, ob sie ein Label haben oder nicht, in die Spezialisierungskategorie "Nachhaltigkeit" kommen. Eine dritte Variante sieht die Vergabe von Punkten für jedes Label und die Definition einer erforderlichen Gesamtpunktzahl für die Spezialisierungskategorie vor. Bei der vierten Variante gäbe es schliesslich innerhalb der Kategorie "Nachhaltigkeit" noch Unterkategorien wie "Klima-Hotel" oder "Fair-Hotel" ─ wobei sich die Forscher fragen, ob das für den Gast nicht eher verwirrlich ist.
Die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in der Sterneklassifikation möchte Hotelleriesuisse bis 2015 einführen. Die Varianten, welche die Luzerner Forscher dafür ausgearbeitet hat, sind analog zu denen für die Spezialisierungskategorie. Die Expertengruppe Normenrevision favorisiert für die Spezialisierungskategorie mit einer eigenen Kriterienliste (Variante zwei), für die Sternekategorie werden die Varianten erst 2015 ausgelotet, wenn die nächste Revision der Normen ansteht.
Nachhaltigkeit wird von Ferienreisenden erwartet, von Geschäftsreisenden eingefordert
An der Delegiertenversammlung von Hotelleriesuisse wurde nicht nur die Labestudie vorgestellt. Jürg Schmid, Direktor von Schweiz Tourismus, berichtete auch über die letzten Studien zur Erwartungen der Gäste an die Nachhaltigkeit der touristischen Betriebe: "Der Gast will die Gastronomie ohne Reue geniessen, egal ob Bio-Burger oder regionale Haute Cuisine. Nachhaltigkeit wird zum Lifestyle." Allerdings erwarte der Gast, dass die Nachhaltigkeit bereits im Produkt integriert ist und er nicht mehr dafür zahlen muss. Zudem komme der Erlebniswert immer noch vor dem Nachhaltigkeitswunsch. Anders die Geschäftsreisenden, so Schmid: "Während Nachhaltigkeit bei Freizeitreisen als Selbstverständlichkeit erwartet wird, wird die Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien bei Geschäftsreisen vermehrt zum entscheidenden Selektionskriterium." Der Luzerner Forscher Martin Barth ergänzte mit dem Beispiel der Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen. Die Organisatoren arbeiteten nur mit Hotels zusammen, welche mit einem von drei vorgegebenen Umweltlabels ausgezeichnet waren. Der Anteil zertifizierter Betriebe sei dadurch innerhalb von 18 Monaten von 12 auf 53 Prozent angestiegen. Auch die Reiseveranstalter verlangten insbesondere die Auszeichnung mit dem Travelife-Label als Voraussetzung für die Zusammenarbeit.
Die Schweiz müsse zum Ziel haben, das erste Land zu sein, in dem das Reisen per se nachhaltig sei, so Schmid. Das Land böte gute Voraussetzungen, sich im Themenfeld Nachhaltigkeit zu positionieren, und die Aufnahme der Nachhaltigkeitskriterien in der Hotelklassifikation wäre ein guter Weg dazu.
Quellen: Durchblick im Label-Dschungel. Ergebnisse des Nachhaltigkeits-Seminars anlässlich der Winter-Delegiertenversammlung 2010 (pdf); Prof. Martin Barth, Dr. Fabian Weber: Nachhaltigkeitslabels in Tourismus und Hotellerie. Studie der Luzerner Hochschule, Schlussbericht erster Teil: Bestandesaufnahme (pdf); und zweiter Teil: Nachhaltigkeit in der Hotelklassifikation (pdf); Nachhaltigkeits-Charta des Schweizer Tourismus(pdf);