Da der Kunde bekanntlich König ist, hat sich der Gastgeber auf die Vorlieben und Gepflogenheiten seiner Gäste auszurichten. Das zumindest erwarten Schweizer Reisende in der Regel auf ihren Auslandsreisen. Schwerer tun sich offenbar die Schweizer Hoteliers mit dieser grundsätzlichen Faustregel des Tourismusmarketings, wenn sich plötzlich die an sich hochwillkommene Kundschaft aus Übersee so ganz anders verhält, als man es von ihr erwartet: Längst sind Klagen ruchbar geworden, dass etwa die indische Klientel, die in zunehmender Zahl auf den Spuren der „Bollywood“-Filme die Schweizer Alpenregionen besucht, das Personal äusserst schlecht behandelt, ihre Zimmer in keineswegs wünschenswertem Zustand hinterlässt und dort gar auf dem Reiskocher die eigenen Mahlzeiten brutzelt.
Nun gehen Schweiz Tourismus und der Hotelierverband gemeinsam in die Offensive mit einer Broschüre, welche die hiesigen Touristiker im Umgang mit den indischen Gästen anleiten soll. Denn das Marktpotenzial ist riesig: Immer mehr Inderinnen und Inder verfügen über genügend Einkommen, um sich eine Reise in die Schweiz zu leisten. Die Anzahl Übernachtungen, so die Prognose der Fachleute, soll über die nächsten zehn Jahre jährlich 15 Prozent wachsen.
Erarbeitet wurde die Broschüre von Waseem Hussain, einem Schweizer indischer Herkunft, der sich mit seinem Unternehmen „Marwas AG“ auf Beratung zur Überwindung kultureller und anderer Hürden für Geschäftsbeziehungen zwischen Indien und der Schweiz spezialisiert hat. „Inder sind die schwierigsten Gäste überhaupt“, hört man da, wo InderInnen gern hinfahren. Sie seien laut, gern in Gruppen, zeigten Kastendenken bzw. Verachtung gegenüber Service-Angestellten, hielt etwa die Leitung eines Kurses für Tourismusangestellte in Interlaken fest. Das trifft – so mag man hier bescheiden anmerken – auf Pauschalreisende aus allen „Herren Länder“ zu: Sie wollen möglichst viel in wenig Zeit sehen, haben Mühe, sich auf Fremdes einzulassen und anzupassen, pressen aus dem Angebot, was sie kriegen können, und sind oft unzufrieden, weil es anders läuft, als sie es gewohnt sind.
Waseem Hussain hilft differenzieren zwischen den Bedürfnissen der Pauschaltouristen, die oft jünger und weniger weltgewandt sind, und jenen der Individualtouristen aus eher gehobenen Verhältnissen. Er schafft es, auf wenig Raum viele Informationen zu Kultur und Lebenshintergrund zu packen, welche den Umgang und das Verständnis für die InderInnen, die sich überhaupt eine Reise in die Schweiz leisten könnten, erleichtern. Dabei weist er auf die hohen Erwartungen an die Servicebereitschaft und Flexibilität des Personals und auf kulinarische Vorlieben hin. Entscheidend im Umgang mit indischen Gästen oder Geschäftspartnern seien aber der persönliche Kontakt, die persönliche Beratung sowie der Humor.
Da hat er Recht. Bemerkenswert bleibt doch: Erstmals investiert die Schweizer Touristikbranche aus eigenem Interesse in das Verständnis für fremde Kulturen. Bereits winkt der chinesische Tourismusboom, aber auch Andermatt, wo Einheimische mit den Gepflogenheiten willkommen geheissener ausländischer Grossinvestoren umgehen müssen. Wie lange haben Touristiker im Norden die vielen „Be-nice-campaigns“, welche die Tourismusdestinationen, insbesondere krisengeschüttelte Regionen des Südens, seit Jahren mit Pomp und reichlich Mitteln aus der Staatskasse bzw. Steuergeldern in der Branche und bei der breiten Bevölkerung durchführen, als selbstverständlich hingenommen – höchstens mit einem müden Lächeln quittiert. Könnte es sein, dass die Schweizer Touristikbranche heute – in Zeiten der Globalisierung – plötzlich aus eigenem Interesse ganz substanziell zu einem neuen Verständnis für die Begegnung mit fremden Kulturen beiträgt?
hotelleriesuisse und Schweiz Tourismus:  Inder zu Gast in der Schweiz, 2007, 31 Seiten, gratis
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