Das Ibis Clichy-Batignolles am Rande der Pariser Innenstadt bietet, keinen Luxus, sondern "Bestpreisgarantie". Manche Gäste, verrät Google, finden die Zimmer zu klein und veraltet und sind der Meinung, dass Sauberkeit und Zimmerpflege verbessert werden könnten. Weitere Gäste finden das Bad zu klein und denken ebenfalls, dass die Sauberkeit verbessert werden könnte.

Wer die Arbeitsbedingungen des Reinigungspersonals kennt, wundert sich nicht: Rachel Kebe aus der Elfenbeinküste arbeitet schon seit 17 Jahren in diesem Hotel, aber immer über ein Subunternehmen. Eines davon ist die Gebäudereinigungsfirma STN. Gegründet wurde das Unternehmen 1992 von Yoël und Yves Atlan. Es beschäftigt heute 3’687 Mitarbeitende und erwirtschaftet einen Umsatz von fast 70 Millionen Euro. Auf der Indeed.fr, der Website, auf der Arbeitnehmende ihren Arbeitgeber bewerten können, kommt STN schlecht weg: "À Fuire!" (zum Davonlaufen) sei es dort. Von maximalen 5 Sternen erhält STN deren 2.4 (14 Bewertungen). Selbst bei eher positiven Ratings werden die kritischen Arbeitsbedingungen moniert. 

"STN ist mein vierter Arbeitgeber", erklärt die 45-jährige Haushälterin, die netto 1’300 Euro erhält, gegenüber Reporterre. Sie ist Mutter von fünf Kindern und pendelt täglich zwei Stunden in öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. "Wir müssen dreieinhalb Zimmer pro Stunde reinigen, was einfach unmöglich ist. Also machen wir Überstunden, die nicht bezahlt oder abgerechnet werden. Wir arbeiten uns zu Tode: Viele werden krank, haben Sehnenscheidenentzündungen, Rückenschmerzen, oder Karpaltunnelsyndrome".

Ihre Kollegin Kadiddiata Karmoko ist Teilzeitangestellte, arbeitet aber im Umfang einer Vollzeitstelle. Der Tag beginnt frühmorgens und endet manchmal nach 18:00 Uhr. Sie verdient knapp 800 Euro im Monat, indem sie Matratzen angebt, Möbel abstaubt, Laken wechselt, Duschen und Toiletten schrubbt. Auch für die Verpflegung muss sie selber sorgen: Wir müssen alles selbst kaufen, sogar eine Flasche Wasser, wenn es sehr heiss ist", beklagt sie. Nach einem Arbeitstag ist sie so fertig, dass ihr Körper einfach nicht mehr reagiert, wenn es um die Anforderungen des Haushalts und der Kinderbetreuung geht. "Ich verliere jede Kraft", sagt Karmoko.

"Die Reinigung gehört zum Kerngeschäft eines Hotels"

28 Angestellte der STN haben letzten Juli den unbefristeten Streik begonnen, nur vier haben in der Zwischenzeit aufgegeben. Die Geschäftsleitung der STN reagiert unzimperlich auf gewerkschaftliche Betätigung und Protest, bezeugt Aboubacar Traoré, der einzige Mann unter den Streikenden. Er ist für die Reinigung der Wäscherei und der Gemeinschaftsräume zuständig. Dreimal versuchte STN, ihn zu feuern, musste aber aufgrund der Arbeitsbehörde zurückkrebsen. Traoré erhielt Verwarnungen wegen "schlechter Arbeit" und die Androhung einer Versetzung. "Ich bin Gewerkschaftsdelegierter der CGT-HPE. Daher wollen sie mich loswerden", ist Traoré überzeugt.

Claude Lévy, ständiges Mitglied der Gewerkschaft CGT-HPE, kritisiert derweil, dass inzwischen fast die Häfte der Hotels die Reinigung auslagern, um Personalkosten zu sparen. Die Hotels nehmen in Kauf, dass die Arbeitsbedingungen in den Reinigungsfirmen, deren Dienste sie in Anspruch nehmen, unerträglich sind. "Die Reinigung gehört zum Kern des Geschäfts eines Hotels. Aber auch grosse Hotelgruppen entledigen sich durch Verträge mit Subunternehmen des Problems von Unfällen oder Invalidität von Mitarbeitenden des Reinigungsdienstes, die aufgrund der hohen Arbeitsbelastung häufig sind. Sie sagen dann einfach den Subunternehmen, sie sollen sich darum kümmern."

Das neue Care-Proletariat

Unter den Angestellten, die im Hotel arbeiten, gibt es so etwas wie eine Rassenhierarchie. Die Schwarzen Mitarbeitenden sind oft die in den Subunternehmen. Soziologin Caroline Ibos sieht im Streik der Raumpflegerinnen im Ibis Batignolles auch ein Zeugnis für das Entstehen eines durch Geschlecht und Rasse definierten Dienstleistungsproletariats. "Diese Frauen sind Symbole der Ausbeutung von Geschlecht, Klasse und Rasse", meint sie gegenüber Reporterre, "aber auch ein Symbol des Widerstands und der Fähigkeit, sich gegen Ausbeutung zu organisieren. Es sind Frauen im Kampf.

Tatsächlich geniessen die Mitarbeitenden des Subunternehmers nicht die gleichen Leistungen und den gleichen sozialen Status wie das Hotelpersonal. So werden ihre Dienstleistungen beispielsweise nach der Anzahl der gereinigten Räume und nicht nach Stunden abgerechnet. Aus diesem Grund fordern die Streikenden, direkt von der Accor-Gruppe in dem Betrieb, in dem sie arbeiten, angestellt zu werden. "Im selben Hotel zu arbeiten und nicht von einem sozialen Status zu profitieren, der dem der direkt bei den Ibis Batignolles de Clichy beschäftigten Personen entspricht, ist ein Skandal", meint Claude Lévy. Accor ist die sechstgrösste Hotelgruppe der Welt und verfügt über die perfekte Möglichkeit, Mitarbeitende von Subunternehmern direkt einzustellen."

Erste magere Erfolge

Sechs Monate nach Beginn des Streiks haben die Raumpflegerinnen bei ihren Verhandlungen mit STN und Accor erst magere Erfolge erzielt. Die Arbeitsaufsichtsbehörde forderte die Installation einer Zeituhr, um ihre tatsächlichen Stunden zu erfassen. Die Zeitschaltuhr wurde von STN installiert. Auch eine Essenszulage wurde gewährt, allerdings nur in der Höhe von 3,62 Euro pro Tag statt der geforderten 7,24 Euro. Zudem stellte STN eine Lohnerhöhung in Aussicht. Aber die Frauen lassen nicht locker: Sie weigern sich, wieder zu arbeiten, solange sie nicht direkt bei Accor angestellt sind. Bis heute sind die Verhandlungen zwischen Accor, den TNK und den Streikenden ins Stocken geraten. Auf Anfrage von Reporterre haben die Leitungen von STN, Accor und Ibis Batignolles nicht reagiert.

Aber die Streikenden haben einen langen Atem, und sie werden von politischen Persönlichkeiten sowie von den Gewerkschaften unterstützt. Die CGT Info-Com des Südpostens Hauts-de-Seine und CGT Goodyear brachten ihnen einen Scheck über 15’000 aus ihrer Streikkasse. Die HousekeeperInnen verfügen ausserdem über einen gemeinsamen Topf und einen von der CGT-HPE eingerichteten Streikfonds, um einen Teil des Lohnausfalls auszugleichen. Vorläufig werden diese Mittel noch aufgefüllt. "Die Solidarität ist da, der gemeinsame Topf wird hart beansprucht", sagt Claude Lévy. Seit dem 17. Juli sind die Zimmermädchen ständig vor Ort und engagieren sich in den Bereichen des sozialen Kampfes in der Region Île-de-France. Sie haben ihre Forderungen in Demonstrationen gegen die Rentenreform formuliert, waren an Halloween an der Seite der Bewegung der undokumentierten schwarzen Westen mitmarschiert und führten Aktionen des zivilen Ungehorsams durch. So besetzten sie auch für einige Minuten die Lobby einer Einrichtung der Accor-Gruppe, das Mama Shelter Hotel im 20. Arrondissement.