Ibrahim Aslan: Die Spatzen vom Nil. Roman aus Ägypten
(Asâfîr al Nîl, 1999. Aus dem Arabischen von Doris Kilian.)
Lenos Verlag, Basel 2005
171 S.; Fr 32,–; € 18,–
ISBN 3-85787-360-4
Ibrahim Aslan setzt sich in seinem literarischen Werk nicht mit großen, spektakulären Themen auseinander, ihn beschäftigt die Welt der kleinen Leute, die er auch aus eigenem Erleben kennt. Der Roman „Die Spatzen vom Nil“ spielt Mitte des letzten Jahrhunderts, vor allem zur Zeit Nassers in einer engen Kairoer Gasse. Die Bewohner sind Arbeiter, Händler und kleine Beamte.
Abdalrahîm ist ein junger, kräftiger Bursche, als er in die Gasse kommt. Etwas einfältig und naiv gerät er in die absurdesten Schwierigkeiten, die er mit einer gewissen Gewitztheit meistert. Seine verschiedenen Liebschaften und Ehen halten alle in Atem, bis er endlich mit Dalâl, einer Frau aus dem Dorf, zur Ruhe kommt.
Sein Schwager al-Bahi Osmân ist Postbeamter. Stolz bügelt er täglich seine Uniform. Die Welt bricht für ihn zusammen, als er fünf Jahre vorzeitig pensioniert wird. Brief um Brief schreibt er an die Verantwortlichen, so gar an den Präsidenten. Aber der Präsident stirbt und mit ihm die Hoffnung auf Gerechtigkeit.
Die Polizei taucht in der Gasse auf und stellt viele Fragen. Wer hätte gedacht, dass ein gesuchter Attentäter unter den Nachbarn ist?
Am Anfang und am Ende der Geschichte steht das plötzliche Verschwinden von Großmutter Hanîm. Vor Jahrzehnten folgte sie ihren Kindern Abdalrahîm und Nagir in die Stadt, jetzt sind beide tot. Ist sie in ihr Dorf zurückgekehrt? Nur der älteste Enkel kennt das Dorf noch persönlich, aber es ist für die Familie ein vermeintlicher Ort der Sicherheit.
Ibrahim Aslan versteht es die besondere Atmosphäre der Gasse einzufangen. Politische Ereignisse werden nur angedeutet. Er erzählt nicht linear. Wie Erinnerungsfetzen reihen sich einzelne Episoden aus verschiedenen Zeitebenen aneinander, mal die eine, mal die andere Person betreffend, eine bestimmte Hauptfigur gibt es nicht. Es entsteht ein farbiges Bild von dem sich über die Jahre verändernden Leben in der Gasse, ein Leben, das trotz der Sorgen voller Lachen und Zärtlichkeit ist.
Elke Müller
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