Internationale Gewerkschaft appelliert an Marriott, weltweit mehr gegen sexuelle Übergriffe zu tun
Die internationale Hotelgewerkschaft IUF vertritt weltweit über zehn Millionen Angestellte von Hotels, Restaurants und Cateringunternehmen. Über ihre vielen Zweigstellen ist sie im ständigen Kontakt und weiss daher: Sexuelle Übergriffe kommen im Hotel- und Gastrobusiness regelmässig vor und belasten die Betroffenen schwer.
Daher hat sich IUF an Marriott gewandt. Nach dem Aufkauf von Starwood ist Marriott die weltgrösste Hotelkette mit über 6’400 Hotels in 126 Ländern und 220’000 Angestellten, die jährlich etwa 1 Milliarde Dollar erwirtschaften. Marriott wächst und wächst: Täglich entsteht irgendwo auf der Welt ein neues Marriott-Hotel. Als Branchenführer verfügt Marriott selbstverständlich über eine Menschenrechts-Policy, in der die Nulltoleranz von sexuellen Übergriffen klar festgehalten ist. Das wird auch in den Hotels auf Plakaten kommuniziert. In den USA und anderen Gebieten werden regelmässig Mitarbeiterschulungen dazu durchgeführt. Frauen, die Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden sind, haben die Möglichkeit, per Gratis-Hotline, beim Management oder über die personalverantwortliche Person Bericht zu erstatten. Solchen Beschwerden wird mit grösstmöglicher Diskretion nachgegangen, wobei der mutmassliche Übergriff sofort, gründlich und objektiv untersucht wird. Auch die Angestellten von Zulieferfirmen, die auf dem Hotelgelände tätig sind, werden geschützt. So zumindest schreibt das Unternehmen in einer Stellungnahme auf den IUF-Appell.
Marriotts Engagement ist vorbildlich – und ungenügend
Marriott will noch mehr tun: Das Unternehmen prüft den Einsatz von Panikbuttons, Mitarbeiterinnen tragen den Button auf sich und können ihn drücken und so Hilfe rufen, wenn die Situation für sie brenzlig wird. Getestet wird der Button zurzeit in verschiedenen Situationen: im weitläufigen Resort, im urbanen vielstöckigen Hotel und im Vororthotel. Die Housekeeper werden aktiv in die Verbesserung der Panikbuttons einbezogen. Mittelfristig sollen solche Buttons überall zum Einsatz kommen.
In den Vereinigten Staaten haben sich Marriott und die weiteren grossen Hotelketten mit der American Hotel & Lodging Association (AHLA) zusammengetan, um Massnahmen wie die Panikbuttons in der Branche zu verbreiten. Die CEOs von Hilton, Hyatt, IHG, Marriott und Wyndham haben ein "Fünfsterneversprechen" abgegeben, bis 2020 im ganzen Land zusätzliche Schutzmassnahmen umzusetzen, und zwar nicht nur für die Angestellten, sondern auch zum Schutz der Gäste, die ebenfalls immer wieder von sexuellen Übergriffen betroffen sind. Die Schutzmassnahmen sollten dabei den jeweiligen Hotels angepasst werden.
Unbequeme Forderungen
Vieles von dem, was die Grossen umsetzen oder umsetzen wollen, gehört auch zu den Forderungen der Gewerkschaft. Doch die IUF verweist auch auf strukturelle Ursachen, die angegangen werden müssen: Die Auslagerung von Dienstleistungen an Subunternehmen erhöhe die Verletzlichkeit der Angestellten, schreibt die IUF. Denn sie seien oft nicht sicher, wer für die Verletzung ihrer Rechte verantwortlich ist und fürchteten Vergeltungsmassnahmen, wenn sie sich wehren. IUF fordert daher, dass die Angestellten viel häufiger zu zweit eingesetzt werden. Zudem sollten sie die Dienstleistungen weniger über Subunternehmen erbringen, die Frauen häufig in prekären Anstellungen beschäftigen. Stattdessen sollten sie vermehrt mit direkt und regulär angestelltem Personal arbeiten. Frauen, die bei der Arbeit in Situationen geraten, in denen sie unangemessen behandelt werden, sollen die Möglichkeit haben, eine solche potenziell gefährliche oder unangenehme Situation unmittelbar zu verlassen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, weil die Arbeit liegen geblieben ist.
Zu diesen Forderungen bleiben die Hotelketten in ihren Stellungnahmen und im "Fünfsterneversprechen" eine Antwort schuldig.