Das Vorgehen der Organisatoren des "Internationalen Jahres des Ökotourismus 2002" (IYE) – der Welttourismusorganisation (WTO) und des UN-Umweltprogramm (UNEP) – hat in den vergangenen Monaten massive Kritik von Seiten indigener Gemeinschaften sowie von Umwelt- und Menschenrechtsorganisation insbesondere aus dem Süden hervorgerufen (vgl. akte-Kuna 1/2001 und 2/2001). Im April 2001 hat die UNEP zu den Vorwürfen schriftlich Stellung genommen. In einem offenen Brief vom 31. Mai hat die internationale Koalition der Nicht-Regierungsorganisationen (NRO) nun auf diese Stellungnahme reagiert. Sie begrüsst die Absicht der UNEP, die Partizipation lokaler und indigener Gemeinschaften im Vorberei-tungsprozess künftig ernster zu nehmen. Gleichzeitig vermisst sie klare Verpflichtungen, die sicherstellen, dass alle betroffenen Parteien gleichberechtigt und massgeblich einbezogen werden. „Angesichts der Tatsache, dass in erster Linie die Länder des Südens als Ökotouris-mus-Destinationen angepeilt werden, ist es unfair, dass NROs aus dem Norden – mit keinerlei Mandat, südliche und indigene Gruppen zu repräsentieren – weiterhin eine dominierende Rolle im Prozess spielen“, schreiben Chee Yoke Ling, Anita Pleumarom und Meenakshi Raman im Namen der Koordinationsgruppen aus Südostasien. Auch bei der Erarbeitung des offiziellen Ökotourismus-Infopakets der UNEP seien einseitig Informationen und Sichtwei-sen grosser internationaler bzw. westlicher NROs berücksichtigt worden.
Auch die Forderung der NRO-Koalition, den Anlass als „Internationales Jahr zur Überprüfung des Ökotourismus“ neu auszurichten und eine unabhängige Evaluierungskommission einzurichten, wurde von der UNEP abgelehnt. Nach Vorstellung der UNEP soll die Evaluation der bisherigen Erfahrungen in Form eines Austausches in informellen Arbeitsgruppen im Rahmen der regionalen Vorbereitungstreffen durchgeführt werden. Aus Sicht der NROs ist es dagegen nicht akzeptabel, Evaluation bloss als ein Traktandum unter vielen zu behandeln. Wenn UNEP und WTO die Entwicklung und Förderung dieser vage definierten Tourismusform  mittels eines Promotionsjahres unterstützten, unabhängig vom Resultat der Überprüfung, dann verliere die Evaluation ihren Wert, bevor sie überhaupt beendet sei. Auch wird moniert, dass sich die Organisatoren gemäss offizieller Ankündigung auf die Evaluation erfolgreicher Beispiele konzentrieren wollten. Damit bleibe kaum Raum, das „Ökotourismusmodell“ grundsätzlich auf seine Stimmigkeit hin zu untersuchen.
In der Praxis hat „Ökotourismus“ nicht selten zu gravierenden Folgen für die Umwelt und den Lebensalltag der Menschen geführt, wie das „Clearinghouse for Reviewing Ecotourism“ – der Infodienst der NRO-Koalition im Internet – anhand von Praxisbeispielen aus allen Erdteilen dokumentiert. Die NROs befürchten, dass lokale (Öko)Tourismusinitiativen unter den heutigen handels- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen zunehmend marginalisiert werden. Um die möglichen Vorteile von „Ökotourismusprojekten“ zu beurteilen, müsse die UNEP daher auch die Auswirkungen der Globalisierung und Liberalisierungsabkommen im Dienstleistungsbereich (GATS) auf Natur und Gastbevölkerung berücksichtigen. Die Koalition legt der UNEP diesbezüglich nahe, ihre Schwesteragentur UNCTAD zu konsultieren, die soeben eine beunruhigende Studie über die Nachhaltigkeit des internationalen Tourismus in Entwicklungsländern vorgelegt hat. Angesichts dieser Ergebnisse – so die NROs – erscheine das erklärte Ziel des Ökotourismusjahres, den lokalen Nutzen des Tourismus zu erhöhen, unrealistisch. Die Anstrengungen sollten vielmehr darauf ausgerichtet werden, dass „die riesigen Asymmetrien und Ungleichgewichte im internationalen Tourismussystem vermindert werden, um so günstigere Bedingungen für eine sozial und ökologisch vernünftige Entwicklung, die nicht auf Tourismus beschränkt bleibt, zu schaffen.“ /frei

Quellen: „Open letter to UNEP regarding the IYE“ der NRO-Koalition, 31.5.2001; UNCTAD, “The Sustainability of International Tourism in Developing Countries”, 2001 (www.oecd.org/dsti/sti/transpor/tourism/news/UNCTAD.pdf).

Informationen und ausführliche Stellungnahme unter: www.twnside.org.sg/tour.htm