Interreligiöser Kalender 2014 zur «frommen Reise als ältester Form des Tourismus»
Basel, 19.09.2014, akte/ Der Interreligiöse Kalender führt zusammen, was selten gemeinsam zu sehen ist: die religiösen Feiertage verschiedener, in der Schweiz vertretener Glaubensgemeinschaften. Die Herausgeber - der religionswissenschaftliche Lausanner Verlag Editions Agora und die Interreligiöse Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz IRAS COTIS – lehnen sich mit der Erstellung eines interreligiösen Kalenders weit aus dem Fenster.
Schon die Einteilung der teils doch sehr fragmentierten Glaubensgruppen in überschaubare und verständliche Kreise wie im Bereich des Christentums "Orthodoxe und orientalische Kirchen", "Katholische Kirche" und "Protestantische Kirchen" kann so manch einen Kritiker auf den Plan rücken. Wo sind denn die Pfingstkirchen, fragt die eine, wo die Mormonen und andere freie Glaubensgemeinschaften angesiedelt, fragen andere. Damit noch nicht genug: Warum wird ein Glaube als Religion (Sikh), ein anderer als Tradition (Japan), der nächste als Weg (Buddhismus) und wieder ein anderer als Volk (Juden) bezeichnet? Und wer sind eigentlich die hierzulande doch eher unbekannten Jainas? Warum finden sie und nicht die bespielsweise aktuell im Nahen Osten verfolgten und deshalb bekannten Jesiden Erwähnung?
Fragen über Fragen, die sich beim Durchblättern des Kalenders und der mitgelieferten, ausführlichen Broschüre ergeben. Nicht auf alles lassen sich in Kalender, Broschüre und der mit einem mitgelieferten Code zugänglichen Website einfache Antworten finden. Möglicherweise, vermutet das an religiöse Geschwisterkriege gewöhnte Auge, lässt sich das Wirrwarr der verschiedenen Bezeichungen als Religion, Weg, Volk und Tradition etc. aus der Selbstbenennung der einzelnen Glaubensgemeinschaften in der Schweiz ableiten? Vielleicht ist es auch der Versuch, in politisch korrekter Amtssprache so viele Gruppen wie möglich zusammenzufassen, um überhaupt einen Überblick bieten zu können. Denn das ist, was die Herausgeber Yves Dutoit, Sabine Girardet und Jean-Claude Basset wohl beabsichtigen: nicht überdifferenzieren, sondern das Verbindende, das Gemeinsame betonen.
Eine ästhetische Reise durch verschiedene Formen des Pilgerns
Schliesslich ist der Interreligiöse Kalender nicht zuletzt auch ein didaktisches Lehrwerk, Material, um den Kindern in der Schweizer Schule eine Begegnung auf Augenhöhe mit den Glaubensvorstellungen der MitschülerInnen zu ermöglichen. Und das ist löblich. So verzeiht man dem grafisch einnehmend gestalteten Gesamtwerk seine vielen schrägen Kompromisse schnell.
Der Versuch, einen allgemeinverständlichen und politisch unumstrittenen Kalender für alle in der Schweiz vorkommenden Religionsgemeinschaften zu schaffen, kann ja nur scheitern: So haben die einen vielleicht keine zentralisierte Struktur und kommen deshalb nicht vor, die anderen sind zwar organisiert, aber längst in mehrere lokale Gruppen zerfallen und haben daher niemanden mehr, der in legitimer Weise alle gleichermassen repräsentieren könnte. Da Religion bekanntlich Glaubenssache ist, kann man nicht allen gerecht werden.
Aber, und das beweist der Interreligiöse Kalender, trotzdem gibt es Themen, bei denen sich viele Gläubige einig sind, auch über religiöse, sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg. Diesen Themen widmet sich der Interreligiöse Kalender mit viel Hingabe und Ästhetik. Die Ausgabe 2014 "Unterwegs zu heiligen Stätten" steht im Zeichen "der ältesten Form des Tourismus: der frommen Reise" und fokussiert auf verschiedene Formen des Pilgerns in den verschiedenen Kulturen. Ein schmuckes Stück an der Wand und ein informatives und gemeinschaftliches Zeichen für die Vielfalt religiösen Lebens in der Schweiz und weltweit.
Yves Dutoit, Sabine Girardet et al. (Hrsg.): Unterwegs zu heiligen Stätten. Interreligiöser Kalender 2014 (Sep 2014-Dez 2015). Éditions AGORA, Lausanne. 19 CHF. www.ir-kalender.ch