
IWF-Bericht: Neoliberale Rezepte haben viele arm und wenige reich gemacht
Der Bericht Neoliberalism: Oversold wurde von den führenden IWF-Ökonomen Jonathan Ostry, Prakash Loungani und Davide Furceri verfasst. Ihrer Einschätzung nach sind die Ergebnisse neuer Studien zur Wirkung neoliberaler Wirtschaftsreformstrategien "beunruhigend" für die Weltbank, den IWF und andere Verfechter des Neoliberalismus. Ihr Bericht beleuchtet, wie sich die Befreiung von Kapitalverkehr und die Kürzung der öffentlichen Ausgaben zur Reduzierung von Haushaltdefiziten und Schulden auswirkt. Das sind zwei Bedingungen, an welche der IWF die Vergabe von Krediten zur Stützung verschuldeter Staatshaushalte regelmässig knüpft. Weitere häufige Bedingungen des IWF sind Privatisierungen und Marktöffnung für ausländische Konzerne, welche in den Entwicklungsländern regelmässig kleinere einheimische Unternehmen in den Ruin treiben.
Kapitalliberalisierung lockt Spekulanten
Die Öffnung der Länder für ausländische Kapitalinvestitionen hat oft zu spekulativen Geldflüssen geführt, stellen die Autoren fest. Denn ausländische Geldgeber investieren gerne dort, wo sie sich die schnellsten Gewinne erhoffen – zum Beispiel im Tourismus. Wenn die Destination nicht mehr zieht, holen sie ihr Geld wieder aus dem Land und legen es anderswo an. Das destabilisiert die Wirtschaft des betroffenen Landes, das meist nicht die Möglichkeit hat, die Risiken gerecht mit dem Spekulanten zu teilen.
Der IWF-Bericht spricht von 150 Fällen in 50 Ländern, in denen seit 1980 die Öffnung des Kapitalverkehrs zu Schwankungen oder gar zu schweren Finanzkrisen geführt hat. Daher halten die Autoren Kapitalkontrollen für vertretbar und für "zunehmend akzeptiert", um Finanzkrisen zu verhindern.
Schulden sind oft besser als Sparregimes
Schulden sind schlecht fürs Wachstum, weil Schuldzinsen einen Teil des Budgets wegfressen. Also empfiehlt der IWF regelmässig Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen. Aber Steuererhöhungen führten zur einem Rückgang der Produktivität und Ausgabenkürzungen zu Arbeitslosigkeit, Not und einem Rückgang der Nachfrage. Die Kosten dieser Massnahmen schätzen Ostry und Kollegen höher ein als der Nutzen. Daher tue ein Entwicklungsland meist besser daran, seine Schuldenquote über längere Zeit durch organisches Wachstum zu senken.
Zeit für Änderung der Vergabebedingungen
Hauptautor Jonathan Ostry hofft mit dem Bericht eine Neubewertung neoliberaler Reformstrategien anzuregen. Denn in vielen Ländern haben die neoliberalen Methoden zu viel Leid und politischen Unruhen geführt: Der arabische Frühling etwa begann als Hungerrevolte, und in Malawi wählte ein empörtes Volk Präsidentin Joyce Banda nach der Umsetzung der Strukturanpassungsreformen ab.
Doch IWF-Direktorin Christine Lagarde bleibt auf Kurs: In Nigeria machte sie jüngst die nach dem Fall der Ölpreise nötigen Kredite von der Abwertung der Lokalwährung und der Aufhebung der Kapitalkontrollen abhängig. Von Angola, ebenfalls abhängig vom Ölexport, verlangte sie im Gegenzug zu Krediten die Kürzung von Subventionen, Sparrunden und neue Steuern. Ägypten erhält neue Kredite nur, wenn die Regierung die Lohnkosten für Staatsbeamte senkt, Subventionen für Arme kürzt und Strompreise und Steuern erhöht.
Damit der IWF seine Bedingungen ändert, müssten die Entwicklungsländer in der Institution besser vertreten sein und ihre staatliche Autonomie durch Zusammenschlüsse wie die Union Afrikanischer Staaten oder die BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) wirksamer verteidigen.