Während eines Einsatzes mit der Menschenrechtsorganisation Peace Watch Switzerland begleitet Jann Duri Bantli verschiedene Kleinbauerngemeinden im Nordosten Kolumbiens, die von paramilitärischen Gruppen mit Waffengewalt von ihrem Land vertrieben werden. Wo sie ihre Grundnahrungsmittel anbauen, sollen riesige Palmölplantagen entstehen. Das Palmöl ist für den Konsum in Ländern wie der Schweiz bestimmt. Der Profit geht an grosse Agrarunternehmen. Und an jene, die in „saubere“ Geschäfte investieren wollen, um ihre Narko-Gelder zu waschen. Bald fasst der Bündner Politologe, Volkswirtschaftler und Völkerrechtler den Plan, ein Buch über die von der Agro- und der Bergbauindustrie bedrängte Bevölkerung zu schreiben. Keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern ein Buch, in dem Betroffene zu Wort kommen und seine persönliche Betroffenheit zu spüren ist. Ein alter Bekannter aus der Hauptstadt Bogotá, den er am Anfang seiner Recherchereise trifft, bringt Kolumbiens Ressourcenfluch auf den Punkt: „Das ganze Land wird veräussert. Gold, Kohle, Palmöl, alles wird zu Spottpreisen hergegeben und mit riesigen Schiffen in die weite Welt verfrachtet. Und für uns Kolumbianer bleiben einzig die Lizenzgebühren, doch die verschwinden in den Taschen der Staatsbeamten.“
Anhand der Geschichten der drei Gemeinden Las Pavas, El Garzal und El Hatillo schildert Bantli die Realität von Hunderttausenden kolumbianischer Kleinbauernfamilien. Sie verlieren ihren seit Generationen bewohnten und landwirtschaftlich genutzten Lebensraum an Agrarunternehmen oder leiden unter den Auswirkungen der Aktivitäten multinationaler Bergbaukonzerne. Dabei sehen sie sich mit drei Akteuren konfrontiert: Den politischen und wirtschaftlichen Eliten des Landes, die ganze Regionen zu Sonderwirtschaftzonen machen wollen, grossen Unternehmenskonglomeraten, die sich in den Ländern des Südens mit günstigen Rohstoffen versorgen und diese im Norden gewinnbringend veredeln, und bewaffneten Gruppen, die sich in deren Dienst stellen. Im Stich gelassen von einem Staat, der zu schwach oder nicht daran interessiert ist, die Rechte seiner Bevölkerung zu schützen. Zwischen 1985 und 2012 mussten bis zu 5,7 Millionen Menschen aus ihren angestammten Gebieten fliehen – jede achte Person in Kolumbien. In dieser Zeitspanne sind so bis zu 6,5 Millionen Hektar verlassen worden; das ist mehr als eineinhalbmal die Fläche der Schweiz und Liechtensteins. Mit dem Land geht nicht nur der Besitz der Familien verloren, sondern ihre Lebensgrundlage, ihre Möglichkeit, produktiv tätig zu sein, ihr soziales Umfeld, ihre kulturelle Identität, Würde und Perspektive. Ohne Beruf und Bildung bleibt den Vertriebenen nicht viel anderes übrig als sich in einem der Grossstadtslums durchzuschlagen, als Tagelöhner von Plantagen oder Bergbauunternehmen anzuheuern, qualifizierte Bergbauarbeiter zu bekochen und ihre Wäsche zu besorgen oder sich einer bewaffneten Gruppierung anzuschliessen. „Ein Kleinbauer ohne Land ist wie ein Fisch ohne Wasser“, sagen die Familien von Las Pavas.
Der Autor beleuchtet die Machenschaften derer, die von den Vertreibungen profitieren. Doch er zeigt auch auf, wie es verschiedenen Gemeinschaften mit einem geeinten Vorgehen, geeigneten Strategien und der Unterstützung einheimischer Menschenrechtsanwälte und internationaler Menschenrechts- und Begleitorganisationen gelingt, zumindest Teilerfolge wie die Eintragung von seit Jahrzehnten genutzten Flächen ins Grundbuch oder eine geordnete, gemeinsame Umsiedlung zu erreichen. Oft jedoch werden frischgebackene Landtitelbesitzer erst recht zum Ziel von Drohungen wie „Entweder verkaufst du das Land oder ich kaufe es deiner Witwe ab“. Und vor Gericht erstrittene Urteile werden nicht umgesetzt oder über viele Jahre hinweg an schier endlose weitere Instanzen weitergezogen. Zudem halten die Unternehmen ihre Versprechen bezüglich Umwelt  und Sozialmassnahmen, Entschädigungen und sozialverträglicher Umsiedlungen nicht oder nur teilweise ein.
Die behandelten Fallbeispiele zeigen, wie transnationale Konzerne, ihrer profitorientierten Logik folgend, den rechtlichen Spielraum des Landes, auf dessen Gebiet sie Rohstoffe gewinnen, maximal ausreizen. Der Staat wäre verpflichtet, ihr Verhalten zu kontrollieren, Gesetze zum Schutz von Bevölkerung und Umwelt zu erlassen und deren Einhaltung durchzusetzen. Da die Unternehmen meist mehr Macht haben als die Staaten, können sie Gerichtsentscheide kaufen, Beamte bestechen und ihre Interessen mit Hilfe privater Sicherheitsfirmen schützen. Und weil die vor Ort tätigen Firmen gewöhnlich einen eigenen Rechtsstatus besitzen, können die Muttergesellschaften im Norden kaum zur Rechenschaft gezogen werden. So verletzen multinationale Unternehmenskonglomerate immer wieder ungestraft international verbriefte Menschenrechte. Um diesem Treiben Einhalt zu gebieten, kommt der Autor zum Schluss, braucht es internationale Regeln. Die 2011 vom UNO-Sonderbeauftragten für Menschenrechte und transnationale Unternehmen John Ruggie vorgeschlagenen Prinzipien zielen seiner Meinung nach in die richtige Richtung: Die Staaten sollen verpflichtet werden, Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen aktiv zu verhüten; Unternehmen sollen den Schutz der Menschenrechte in ihre Unternehmenspolitik und ihre Geschäftsabläufe integrieren; und Opfer von durch Unternehmen begangenen Menschenrechtsverletzungen sollen Zugang zu Wiedergutmachung erhalten. Wie der Bergbauriese Glencore Xstrata im kolumbianischen El Hatillo kommen immer wieder Schweizer Konzerne mit Menschenrechten und Umweltstandards in Konflikt. Die von über 50 Schweizer Nichtregierungsorganisationen getragene Kampagne Recht ohne Grenzen fordert daher klare gesetzliche Bestimmungen, damit Unternehmen mit Sitz in der Schweiz weltweit Menschen- und Umweltrechte einhalten.
Jann Duri Bantli: Bodenschätze: Landvertreibung. Eine Reise nach Kolumbien. edition8, Zürich 2014, gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen, 232 Seiten, CHF 26.00, EUR 19.20
ISBN: 978-3-85990-245-9. Auch als Taschenbuch und eBook erhältlich.