Jürg Altwegg, Roger de Weck: Sind die Schweizer die besseren Deutschen? Der Hass auf die kleinen Unterschiede.
Basel, 08.09.2011, akte/ Der Ärger der Deutschen über die Schweizer Einkaufstouristen oder der verbale Ausfall von Bundesrätin Doris Leuthard gegen die – angeblich für die Blockade der Verhandlungen um die Flugbewegungen über Zürich verantwortlichen – deutschen "Taliban" sind nur die neusten Episoden in der Geschichte der deutsch-schweizerischen Beziehungen. Diese haben in den letzen Jahren einige Spannungen erlebt: Da waren die Nachrichtenlosen Vermögen, für die "unsere" Banken geradestehen mussten. Oder die Verbalattacken des damaligen deutschen Finanzministers Per Steinbrück gegen die Schweiz als Paradies für Steuerhinterzieher. Und neuerdings wird der freie Personenverkehr infrage gestellt, weil "zu viele" Deutsche in der Schweiz Wohnsitz und Arbeit finden.
Roger de Weck, Generaldirektor des Radios und Fernsehens der Schweiz (SRG), und Jürg Altweg, Kulturkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen für Frankreich und die Schweiz, haben namhafte Autorinnen und Autoren gebeten, über die Hassliebe zwischen Deutschland und der Schweiz zu schreiben.
Entstanden ist eine bunte Mischung zwischen persönlichen Erlebnissen der Akkulturation und Assimilation von Deutschen in der Schweiz und umgekehrt, bisweilen etwas weltläufigen historischen Exkursen, und pointierten Kommentaren zu den aktuellen Steinen des Anstosses. Das mag das Verständnis für die jeweiligen Eigenarten von Deutschen und Schweizern zwar fördern. Wichtig ist aber, dabei die Aussage von Peter von Matt, von 1976 bis 2002 Professor für neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich, nicht aus den Augen zu verlieren: "Die politische Klemme, in der die Schweize heute steckt, darf nicht auf das Verhältnis Schweiz-Deutschland zurückgeführt werden. Das Problem liegt vielmehr in der dramatischen Differenz zwischen der Selbstwahrnehmung der Schweiz und ihrer Aussenwahrnehmung. (…) man ist aber auch der, als der man gesehen wird . Um diese Wahrheit auszublenden, haben wir unser selbstkritisches Potential durch innenpolitische Katzbalgereien blockiert. Jetzt zählt der nüchterne Blick. Dieser zeigt, dass wir am meisten Freunde zuletzt eben doch nördlich des Bodensees haben – mag ein deutscher Minister noch so heiser belfern."
Eine unterhaltende Lektüre für im Zug oder auf Reisen zur Pflege unserer schweizerisch-deutschen Freundschaften.
Jürg Altwegg, Roger de Weck: Sind die Schweizer die besseren Deutschen? Der Hass auf die kleinen Unterschiede. Nagel & Kimche, Hamburg 2010., 154 Seiten. ISBN 198-3-312-00457-7