Menschenrechte zuerst! Was kann die Zivilgesellschaft zur Durchsetzung des Völkerrechts beitragen? Im Mai führte die Fachstelle OeME zusammen mit den anderen Organisationen des Forums für Menschenrechte in Israel/Palästina eine Debatte. in Anlehnung an die Erfahrungen der Bewegung zur Überwindung der Apartheid im südlichen Afrika setzen sich immer mehr Kräfte in Palästina, in Israel und weltweit für eine breite zivilgesellschaftliche Kampagne ein. Sie will gewaltfrei durch Byoykott, Desinvestitionen und Sanktionen (BDS) den Respekt für die Menschenrechte ins Zentrum rücken. Solche Ansätze wurden in Bern mit Gästen aus Israel und Palästina diskutiert.
Unter den Gästen: Mitri Raheb, langjähriger Partner unserer OeME-Arbeit, Pfarrer und Präsident des Diyar Consortium, einem Netzwerk von Institutionen im Bildungs-, Gesundheits- und Kulturbereich in Bethlehem. Mitri Raheb meinte: "Nachdem jahrelange Friedensverhandlungen keinen Fortschritt gebracht haben und auch Gewalt kein Weg ist, suchen alle nach Alternativen. Der gewaltlose Widerstand mit Boykott und Sanktionen ist eine solche Alternative." Und er stellte dabei das neue Kairos-Dokument "Die Stunde der Wahrheit" vor: "Eine Gruppe von palästinensischen Theologen, Pfarren und Laien in Bethlehem hat sich daran gemacht, einen Weg aus der Sackgasse des Konflikts zu suchen, und zwar durch den Glauben. Es ist ein christliches Glaubensbekenntnis und zugleich ein politischer Forderungskatalog, der alle Glaubensgemeinschaften anspricht."
Das Kairos-Dokument kommt bescheiden daher: "Ein Wort des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe aus der Mitte des Leidens der Palästinenserinnen und der Palästinenser." Bahnbrechend an diesem palästinensischen "Kairos-Dokument" ist aber, dass es über die Interessen der eigenen Gemeinschaft hinaus in eine gemeinsame Zukunft weist. In einer völlig "ausweglosen" Situation müssen "die Wege der Gewalt den Wegen des Friedens weichen". Widerstand gegen die Besatzung erachten die Autoren als "ein Recht und eine Pflicht". Widerstand muss aber "die Menschlichkeit des Feindes ansprechen". Das Credo der palästinensischen Christinnen und Christen: "Wir erklären, dass die israelische Besetzung palästinensischen Landes ‹Sünde› gegen Gott und die Menschen ist, weil sie die Palästinenser ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt, die ihnen von Gott verliehen worden sind. Sie entstellt das Ebenbild Gottes in dem Israeli, der zum Besatzer geworden ist, und sie entstellt das Ebenbild Gottes in dem Palästinenser, der unter der Besetzung leben muss." Die Alternative besteht im universellen Massstab der Menschenrechte. Denn "keine Religion darf ein ungerechtes politisches System begünstigen, sondern muss Gerechtigkeit, Wahrheit und Menschenwürde fördern. In dieser Universalität erweitert sich die Bedeutung der Verheissungen, des Landes, der Erwählung und des Volkes Gottes und schliesst die ganze Menschheit ein – angefangen bei allen Völkern, die in diesem Land wohnen."
Weitere Informationen: Das Kairos-Dokument: www.kairospalestine.ps; zur BDS-Kampagne: www.bds-info.ch
Dieser Beitrag erschien in vice-versa, dem Mitteilungsblatt der Fachstellen Oekumene, Mission, Entwicklungszusammenarbeit (OeME) und Migration (FaMi), Services Terre Nouvelle et Migration, der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Nr. 2/2010. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.