Kalpitiya/Sri Lanka: Ökotourismus-Resort vertreibt Fischer hinter den Stacheldraht
"Vor sieben Monaten bemerkte ich, dass Arbeiter der Firma Dutch Bay Resorts in mein Grundstück eingedrungen waren und dort ein grosses Hotel zu bauen begannen", erzählt Seinulabdheen Saleema, Fischerfrau und Mutter zweier Kinder aus Kalpitiya, einer Halbinsel im Nordwesten Sri Lankas. Eine Investorengruppe hatte von der Regierung mit einem langjährigen Leasing-Vertrag angeblich unbewohnte Inseln erworben, um in der Gegend das grösste Tourismusprojekt des Landes zu realisieren. Und sie begann mit dem Bau des Resorts, obwohl die Einheimischen mit Unterstützung des National Fisheries Solidarity Movement (NFSM) seit über einem Jahr gegen die unrechtmässigen Zwangsenteignungen protestierten, die Hunderte von Fischern akut in ihrer Existenz gefährden. Nach mehrmonatigen zähen Gerichtsverhandlungen erwirkte Saleema nun vor dem Amtsgericht in Kalpitiya die Anerkennung ihrer Eigentumsrechte auf das Land und eine Entschädigungszahlung von den Investoren. Das Präzedenz-Urteil ermutigt auch weitere zwangsenteignete Fischer, trotz teils massiver Repressionsdrohungen seitens sri-lankischer Sicherheitskräfte ihre Rechte vor Gericht durchzusetzen. Das könnte die vermeintlich so günstigen Investitionen ganz erheblich verteuern.
Ein Investor aus der Schweiz
Zu der Investorengruppe gehört auch der Reiseveranstalter Let’s Travel aus Genf. Dessen Direktor, Louis Siriwardena, versteht die Welt nicht mehr. Er sagt: "Die Menschen, die dort seit dem Bürgerkrieg wohnen, sind extrem arm. Die Vellai-Inseln vor Kalpitiya, um die es geht, sind unbewohnbar, haben keine Infrastruktur und keine Wasser- und Sanitätsversorgung. Die Situation der Fischer wird sich dank unserer Investition in den Tourismus verbessern."
Das Hotel, das Siriwardena bauen wollte, ist ein erster Puzzlestein des Dutch Bay Resorts, eines gigantischen Tourismusprojekts auf über 20 Quadratkilometer Fläche. Geplant oder im Bau sind auf 14 Inseln zwischen der Halbinsel Kalpitiya und dem Festland, darunter die Dutch Bay und der Vellai-Archipel, Hotels im Sternebereich mit 5’000 Betten. Dazu ein Flugplatz auf der Insel Uchchamunai, ein Unterwasserfreizeitpark auf der Insel Kandakkuliya, ein Golfplatz an der Dutch Bay, eine Rennbahn und ein Cricketfeld auf Kalpitiya. Ausserdem auf den Inseln Wander- und Radwege, Helikopterlandeplätze, Anlegestellen, Wasserlandeplätze, Elektrizitäts- und Wasserverteilnetze, Abwasseraufbereitungs-, Telekommunikations- und Abfallentsorgungsanlagen.
Alles öko, alles sozial – und von der Weltbank gesponsert
"Es geht um ein Öko-Tourismusresort", sagt Siriwardena. "Das ist auch der Grund, warum wir mit einem maledivischen Partner zusammenarbeiten, der schon Erfahrungen in der Abfallaufbereitung hat." Und weiter: "Ich bin selbst Sri-Lanker, mir liegt das Schicksal der Bevölkerung der Insel, auf der wir bauen, am Herzen. Um sie zu integrieren und besser am Fortschritt punkto Komfort und Hygiene teilhaben zu lassen, arbeiten wir eng mit der Regierung zusammen." An der letzten Aussage scheint mehr dran zu sein, als einer Demokratie zuträglich ist: Das ganze Leasinggeschäft lief entgegen den vorgeschriebenen Entscheidungswegen nicht über das Parlament, sondern direkt über Basil Rajapakse, Minister für Wirtschaftliche Entwicklung und Bruder des Präsidenten Mohinder Rajapakse. Das Parlament wurde erst im Nachhinein in sehr allgemeiner Weise informiert. Diese Aushebelung rechtsstaatlicher Prinzipien wurde von sri-lankischen Parlamentariern kritisiert.
Aber Ökotourismus lässt sich halt gut verkaufen. Seit zwei Jahren unterstützt die Weltbank die "Nachhaltige Tourismusentwicklung" in Sri Lanka mit rund 16 Millionen Franken (11’600’000 Sonderziehungsrechten). Mit diesen Mitteln soll unter anderem die Gouvernanz, also das saubere Zusammenspiel der verantwortlichen Behörden und Gremien, verbessert werden – just das, was beim Dutch Bay Tourismusprojekt nicht funktioniert.
Unklare Landnutzungsrechte
Herman Kumara, der engagierte Vorsitzende des National Fisheries Solidarity Movement (NFSM), erklärte dazu: "Die Vergabe von Land müsste durch das Divisional Secretariat in Kalpitiya erfolgen. Aber der Entscheid wurde vom Kabinett gefällt, ohne dass die regulären Land-Regelungen respektiert wurden. Dies ist ein intransparenter Deal von oben mit mächtiger politischer Unterstützung."
Im Februar besuchte eine internationale Fact-Finding-Mission von Menschenrechtsfachleuten aus Indien, Nepal, Sri Lanka und Thailand Kalpitiya und sprach mit dem Divisional Secretary. Dessen Aufgabe ist es unter anderem, die Nutzungsrechte von Privaten für das Land zu erwerben, das für das Dutch Bay Tourism Resort benötigt wird. Dafür muss er erst herausfinden, wer über welche Rechte verfügt. Ein sehr komplexes Unterfangen: Viele verfügen über keine Landtitel, obwohl sie seit Generationen ansässig sind. Andere verfügen über Landtitel, obwohl sie nicht dort wohnen. Sie verpachten die Titel weiter. Es gibt Landstücke, auf die verschiedene Parteien Rechte erheben und wo Behauptung gegen Behauptung steht. Das Tourismusprojekt, für das der Divisional Secretary die Landrechte zusammenbringen muss, sei vom Konzept bis zur Erarbeitung des Masterplans in Colombo auf dem Reissbrett entworfen worden – ganz im Gegensatz zu den "Rahmenbedingungen des sozialen Managements", einem Bestandteil des Vertrages mit der Weltbank, in denen die enge Konsultation mit der betroffenen Bevölkerung in allen Stadien des Projekts empfohlen wird.
Eine Investition von Reichen für Reiche
Die Regierung hofft auf über 37’000 neue Stellen in der Region. Deshalb hat sie auch diverse Investitionsanreize geschaffen, darunter eine Steuerbefreiung für die ersten 15 Jahre des Projekts. Vorsitzender des Dutch Bay Resorts ist Neil de Silva. Gemanaged wird es von der "Six Senses"-Kette in Sri Lanka, die vor drei Jahren einen Investmentfonds für das Dutch Bay Resort eingerichtet hat. Für die Akquisition der Investoren arbeitet die Firma Swarna Dweep. "In einer ersten Phase profitieren die Investoren von den Gewinnen aus den ersten Betrieben des Projekts. In einer zweiten Phase verdienen sie vom Verkauf von Luxusvillen an die wohlhabende Kundschaft", verspricht Neil De Silva in einer Ausschreibung auf Lanka Business Online.
"Lasst uns unsere Lebensgrundlagen!"
Derweil stehen die Fischer immer öfter vor Stacheldraht, wo früher die Wege vom Haus oder der Hütte zum Meer kurz waren. Sie können nicht mehr vor dem steigenden Meeresspiegel und von erodierenden Küstenabschnitten ins Landesinnere ausweichen. Sie haben kaum mehr Platz, um die grossen Netze für die Ringwadenfischerei vom Strand her an Land zu ziehen. Sie kommen oft gar nicht mehr an den Strand heran, weil Mauern, Hecken und Stacheldrähte sowie Schilder "No entry for non-residents" den Weg blockieren, und auch die Wege zu Kirche, Moschee, Friedhof oder Schule sind wegen der Einzäunungen viel länger geworden. Sie fürchten sich vor Vertreibungen: "Plötzlich stehen die Landentwickler hier und behaupten, das sei ihr Land. Aber wer sind denn wir? Sind wir plötzlich Ausländer?", klagt ein lokaler Anführer. Über 44’000 Menschen sind zurzeit noch in der Fischerei beschäftigt – weit mehr also, als das Tourismusprojekt im besten Fall an Arbeitsplätzen schaffen wird – irgendwann, in einigen Jahren vielleicht. Aus Angst vor Repressionen der für Menschenrechtsverletzungen einschlägig bekannten Regierung Rajapakses haben sie lange kaum Widerstand geleistet. Nationale Unterstützung durch verschiedene NGOs und internationale Unterstützung durch die Gesellschaft für bedrohte Völker, Schweiz sowie Tourism Concern in London stärken ihnen jetzt den Rücken. Und Seinulabdheen Saleemas Sieg vor dem Amtsgericht gibt ihnen neue Hoffnung, dass ihre Anliegen von den Verantwortlichen ernst genommen werden. Ihre Forderungen: Verfügt einen Baustopp für das Tourismusprojekt, bis die Rechte der Ansässigen beurkundet sind, findet in enger und transparenter Konsultation mit uns Wege, den Masterplan so zu ändern, dass unsere Lebensgrundlagen und unsere sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Rechte nicht verletzt werden!