Mogán ist eine Stadt und der gleichnamigen Gemeinde an der Südspitze der spanischen Insel Gran Canaria. Die Gemeinde hatte in Marokko Tonnen von Sand aus der besetzen Westsahara bestellt, um den Touristenort zu renovieren. Am 2. Dezember 2019 begannen die Wartungsarbeiten, welche Western Sahara Resource Watch dokumentierte. In ihrem Video ist die Ankunft der ersten Lastwagen mit Sand zu sehen, der vom Hafen von Arinaga nach Mogán transportiert worden war.

Die VertreterInnen der Befreiungsbewegegung der Westsahara Polisario auf den kanarischen Inseln verurteilten in einer offiziellen Verlautbarung, dass ein solches Projekt "zur Besetzung und zur Unterdrückung der Zivilbevölkerung der Westsahara durch das marokkanische Regime" beitrage. Bereits 2018 hatten Anwälte der Polisario gewarnt, sie würden in Spanien gegen den Sandraub in den besetzten Gebieten Klage einreichen. Auch die kanarische Zivilbevölkerung protestierte mit Briefen an verschiedene öffentliche Einrichtungen der Insel: An Alcaldia, an den Stadtrat von Mogán, an die Regierungsvertretung, ans Fremdenverkehrsamt, die Abteilung für Regionalpolitik, den Sekretär des Stadrates – doch bisher offensichtlich erfolglos.

Jahrzehnte ungesühnten Raubes

Seit Jahrzehnten importieren die Kanarischen Inseln Sand aus dem besetzten Gebiet der Westsahara. Obwohl die Einfuhren während der Finanzkrise zurückgingen, haben sie danach erheblich zugenommen. Solche Praktiken stehen im Widerspruch zu den UN-Resolutionen über den Export von Rohstoffen aus Gebieten, die noch nicht entkolonialisiert sind. Die Westsahara wird seit 1975 von Marokko weitgehend besetzt. Sand, nach Wasser das am zweithäufigsten von der Menschheit genutzte Material, gibt es in der Westsahara im Überfluss. Sand ist Grundelement für die Herstellung von Beton, Mörtel und Fertigmaterialien und damit ein unersetzliches Baumaterial. Er wird für Asphalt, Eisenbahnschienen und auch für den Bau von Wellenbrechern verwendet. Die Ausbeutung von Sand ist der wichtigste nicht-energetische Teilsektor des Bergbaus in Bezug auf Produktion und Wertschöpfung. Er übertrifft sogar die Phosphate.

Hintergrund des Sandtransports von der Westsahara zu den Kanarischen Inseln

Die erste dokumentierte Ladung von Westsaharasand auf die Kanarischen Inseln stammt aus dem Jahr 1955. Aber der bekannteste Importfall ist der des Strandprojekts "Las Teresitas". Schwarzer, vulkanischer Sand wurde für die ersten Schichten des Wellenbrechers "Las Teresitas" verwendet, den derzeit grössten künstlichen Strand der Welt. Aber Vulkansand war knapp und teuer. Der Stadtrat von Santa Cruz de Teneriffa erkannte schnell, dass es billiger war, Sand aus der Westsahara zu importieren. Im Jahr 1971 lieh der Stadtrat 50 Millionen Peseten, um Sand aus der Westsahara, einer damals spanischen Kolonie, zu kaufen. Ein Jahr später kamen etwa 141.647 Kubikmeter Sand (etwa 70.000 Tonnen) in "Las Teresitas" an. Am 15. Juni 1973 wurde der Strand von "Las Teresitas" für die Öffentlichkeit freigegeben. 25 Jahre später, 1998, benötigte der Strand weitere 140.000 Kubikmeter, diesmal zu Kosten von etwa 400 Millionen Peseten, die durch das im selben Jahr unterzeichnete Küstenabkommen der Kanarischen Inseln finanziert wurden. Im November 1998 wurde der Strand mit Sand aus der Sahara eingeebnet. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass für viele saharauische Flüchtlingskinder, die am Programm "Ferien in Frieden" auf den Inseln teilnahmen, die erste Reise ans Meer eine Reise zu einem Strand aus Sand aus ihrer besetzten Heimat war.

Umfang der Plünderung

Es gibt keine Zahlen zum Sandraub zwischen 1975 und 1991 – die Zeit, in der Spanien die Sahara illegal verliess und Marokko und Mauretanien die Invasion des Territoriums erlaubte, bis die UNO ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Polisario und der Regierung von Hassan II vermittelte. 2008 begann Western Sahara Resource Watch (WSRW) mit der Überwachung des Abbaus von Sand aus den besetzten Gebieten. Der Sand wurde in Silos auf Teneriffa (PROYECTO DOVER S.L.) und in Las Palmas (GRANINTRA S.A.) gelagert, bevor er zu Mörtel oder Zement verarbeitet wurde. WSRW bemerkte, dass die Herkunft des Sandes in der Produktionskette nie spezifiziert wurde.

Die Importeure schreiben: "… Der Mörtel, der von MOESCAN auf der Insel Fuerteventura unter einer Lizenz von Special Cements of the Islands als "Spezialmörtel zum Verputzen" vermarktet wird, besteht aus dem Zementtyp CEM IV/A (P) 32,5 N UNE-EN 197-1:2000 sowie gelbem Sand aus Afrika, der über die Firma PROYECTO DOVER S.L. gewonnen wird. Beide Elemente sind für den EU-Markt gelistet und erfüllen damit die unten beschriebenen Tests und Anforderungen der Norm UNE-EN 13139. Daher halten wir sie für geeignet für die Herstellung von Mörtel…". Dies ist ein konkretes Beispiel für die Tarnungstechniken der Importeure, die am Sandhandel aus der besetzten Westsahara beteiligt sind. Die Regierung der Kanarischen Inseln gewährt Straffreiheit, da sie keine Rückverfolgbarkeitskontrollen für die Einfuhr von Rohstoffen aus einem noch kolonialisierten Gebiet vorschreibt. Die Hafenbehörden von Las Palmas und Teneriffa (Staatliche Häfen, Entwicklungsministerium, Regierung von Spanien) veröffentlichen die Daten nicht. Gegenüber WSRW begründeten sie das mit Updates ihrer Computersysteme.

Nach einer vorübergehenden Krise in Anfang der Neunzigerjahre ging der Sandraub für grosse Tourismuszentren in den Kap Verden und in Madeira weiter. Mit strategischer Finanzierung Marokkos wurde in El Aaiún, der Hauptstadt der besetzten Westsahara eine Zementfabrik gebaut. Der Strand in Mogán ist eine weitere Episode kolonialen Raubes, der unter den Augen der Welt und der sonnenbadenden TouristInnen straflos vorangetrieben wird. 

Grosses Schweigen zu Marokkos Kriegsverbrechen in Westsahara

Die UNO darf die gravierenden Menschenrechtsverletzungen nicht einmal dokumentieren, kritisiert Menschenrechtlerin Aminatou Haidar, die als "Ghandi der Westsahara" am 4. Dezember 2019 den alternativen Nobelpreis erhalten hat.
Lesenswerter Beitrag des Infosperbers vom 05.01.2020