Karin Wenger: Checkpoint Huwara
Basel, 22.01.2009/akte Checkpoint Huwara ist das Buch, das Sie jetzt lesen sollten, wenn auch Sie fassungslos auf die Bilder von Gaza nach der israelischen Militäroffensive blicken und diese verheerende Zerstörung nicht verstehen können. Huwara ist eine der vielen Strassensperren zwischen Israel und den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten. Karin Wenger führt durch den Checkpoint von der einen in die andere Welt. 2003 kam sie als junge Autorin und Journalistin erstmals nach Palästina. Ein Jahr später schrieb sie sich an der palästinensischen Universität Bir Zeit in Ramallah für einen Kurs in Arabisch ein. Gleichzeitig wollte sie den Helden des Krieges in Palästina und Israel nachspüren und ihre Geschichte aufnehmen. Gefunden hat sie Menschen, die sie aufgenommen und ihr Einblick in ihren Alltag, ihr Leben, in die von Gewalt zerrissene Gesellschaft in Israel und Palästina gewährt haben. In den letzten Jahren verbrachte sie immer wieder viel Zeit in der Region und berichtete darüber als Korrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung. Sie teilte das Leben der palästinensischen Bevölkerung unter der Besatzung und erlebte mit ihnen die Gewalt, im Libanonkrieg, im Flüchtlingslager Balata in Nablus, im eingekerkerten Gaza. Immer nah an den Menschen dran erzählt sie von deren Leben. Die Geschichte des jungen palästinensischen Befreiungskämpfers Mohammed steht derjenigen des jungen israelischen Soldaten Shai gegenüber, dazwischen tun sich die Abgründe auf, es gibt aber auch Parallelen, sind doch beide Gefangene, eingebunden in ein System, dem sie nicht entrinnen können. Genau wie die vielen anderen ProtagonistInnen, die im Buch porträtiert werden und zu Wort kommen: die verzweifelte Mutter einer Selbstmordattentäterin, der Anführer der Aksa-Brigaden, der Selbstmordattentäter los schickt, die Kollaborateure und die Steine werfenden Kinder. Oder diese israelischen Elitesoldaten, die in Hebron ein Haus besetzen und von der betagten Hausbesitzerin selbstgebackenes Brot offeriert erhalten, das sie schroff zurückweisen. Im Gegensatz zu den täglichen Medienberichten über Granaten, Todesopfer, politische Erklärungen, "Friedensbemühungen", Vergeltungsschläge nehmen in Karin Wengers Aufzeichnungen und Beobachtungen die Menschen im Konflikt Gestalt an. Ob Täter oder Opfer – man erfährt, was sie erleben und was sie bewegt. Bei aller Nähe zu den Leuten und Ereignissen, gelingt es Karin Wenger aber auch, jegliches Pathos zu vermeiden und die Distanz zu wahren, die nötig ist, um die schrecklichen Vorgänge in die politischen Zusammenhänge einzuordnen. Die Bilder von Kai Wiedenhöfer illustrieren ihre Beobachtungen, Geschichten und Analysen eindrücklich. Der Kommentar von Arnold Hottinger verankert das von Karin Wenger geschilderte Geschehen im grösseren zeitgeschichtlichen Zusammenhang. Und das Glossar im Nachwort gibt den LeserInnen Aufschluss, was etwa die Hamas von der Fatah unterscheidet, und die Al-Aksa- von den Al-Kassam-Brigaden, deren Raketen den Israelis Anlass zu ihrer jüngsten Offensive auf Gaza gegeben haben.
Karin Wenger ist mit ihrem Buch unterwegs auf Lesetour – weitere Informationen und Daten auf www.karinwenger.ch
Karin Wenger: Checkpoint Huwara, Israelische Elitesoldaten und palästinensische Widerstandskämpfer brechen das Schweigen. Verlag Neue Zürcher Zeitung 2008, 272 Seiten, SFr. 38.-, ISBN 978-3-03823-408-1