Die heutigen innerpolitischen Auseinandersetzungen in Spanien sind immer noch geprägt vom spanischen Bürgerkrieg zwischen 1936 und 1939*. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die vom Franco-Regime, in geringerem Masse aber auch von der Volksfront – Linksparteien, Republikanern, Bäuerinnen und Fabrikarbeitern – begangen wurden, harren bis heute der Aufarbeitung. Das hat zum einen mit dem Amnestiegesetz von 1977 zu tun, aber auch mit der weiterbestehenden Angst, an den alten Wunden zu rühren. In Spaniens Schulen und Unis wird kaum vom Bürgerkrieg gesprochen oder dazu recherchiert. Erst in der jüngeren Vergangenheit findet eine zaghafte Aufarbeitung statt.  

Geschichtsschreibung durch die Gewinner

Die Frankisten zelebrierten den Sieg mit einem veritablen Personenkult rund um General Franco und seine Gefährten und liessen über verschiedene Vergeltungsmassnahmen die Verlierer spüren, wie total ihr Widerstand gescheitert war: So hob Franco zum Beispiel die Autonomiestatute auf, die für Katalonien 1932 und für das Baskenland 1936 in Kraft getreten waren, und unterdrückte rigide sämtliche Autonomiebestrebungen bis hin zum Verbot des Gebrauchs der katalanischen, baskischen und galicischen Sprache in der Öffentlichkeit. Und er liess im Zentrum Spaniens durch 20’000 Kriegsgefangene das "Nationalmonument des heiligen Kreuzes im Tal der Gefallenen" errichten. Ein monumentales Bauwerk, von weit herum sichtbar, in dem bis zum 24. Oktober 2019 auch die sterblichen Überreste des Generals Franco lagen und das bis heute Grabstätte von José Antonio Primo de Rivera ist, dem Gründer der faschistischen Bewegung Falange. In einem angrenzenden Schrein liegen die Gebeine von über 30’000 Nationalfrontkämpfer, später wurden auch unidentifizierte Gebeine von VolksfrontkämpferInnen aus Massengräbern dorthin umgebettet. 2017 pilgerten noch 283’000 BesucherInnen aus dem In- und Ausland zu diesem Monument – viele davon AnhängerInnen des Franco-Regimes, der Falange oder von sympathisierenden Ultrarechten.

Die Aufarbeitung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die vom Franco-Regime, in geringerem Masse aber auch von der Volksfront begangen wurden, harren bis heute der Aufarbeitung. Das hat zum einen mit dem Amnestiegesetz von 1977 zu tun, aber auch mit der weiterbestehenden Angst, an den alten Wunden zu rühren. In Spaniens Schulen und Unis wird kaum vom Bürgerkrieg gesprochen oder dazu recherchiert. Erst in der jüngeren Vergangenheit und auf der Basis des 2007 erlassenen "Gesetzes des historischen Andenkens" findet eine zaghafte Aufarbeitung statt.  

Erinnern als Freizeitprogramm

In Katalonien fördern verschiedene Initiativen von Vereinen, Privaten und dem "Demokratischen Memorial der Generalität von Katalonien" den Zugang zur Erinnerung. Letzteres entwickelt Routen wie die im Gebiet des Ebroflusses, wo die Schauplätze der wichtigsten Schlachten des Spanischen Bürgerkrieg zu Fuss oder per Auto besucht werden können, kombiniert mit anderen gastronomischen und kulturellen Angeboten. Das "Gedenkmuseum der Exilanten von La Jonquera in Girona", das sein Angebot vor allem an Schulen richtet, fördert die Wiedereröffnung von Räumen und Wegen, die Exilanten wie der Lyriker Antonio Machado oder der Philosoph Walter Benjamin gegangen waren, und hebt so die Beziehung zwischen der kulturellen Welt und dem Exil hervor. In Barcelona führen Besichtigungstouren durch das Arbeiter- und Handwerksviertel Poble Sec auch zum Luftschutzbunker "Refugi 307", der während des Bürgerkriegs gebaut wurde und eng mit der Geschichte des Quartiers verbunden ist. Mehrere Gemeinden beteiligen sich an der Wiederherstellung dieser Erinnerungsräume. 

Der Maquis und der Tourismus in La Garrotxa

Eine der jüngsten Initiativen befindet sich in der Region la Garrotxa und erinnert an die Guerillagruppe Maquis, die gegen das Franco-Regime gekämpft hatte. Im Jahr 1939 strömten die Vertriebenen aus ganz Spanien auf ihrem Weg nach Frankreich in diese Region, vor allem rund um den Ares-Pass. Angestossen wurde die Initiative von den "Freunden der alten Guerillakämpfer von Katalonien", deren Sprecher, Raül Valls, der Organisation Alba Sud Auskunft gegeben hat. Valls meint: "Es sind schwierige Themen, die nie angefasst wurden. Unterstützung für den Maquis konnte den Tod bedeuten." Deshalb sei es wichtig, dass die Aufarbeitung für den Tourismus kollektiv unter Beteiligung verschiedener Akteure und der Partizipation der Bevölkerung stattfinde. Erstens, um der Geschichte treu zu bleiben und ihren Zeugnissen Gewicht zu geben, zweitens, um Gefühle der Zumutung, Verdrängung oder Ablehnung zu vermeiden. 

Routen der Guerillas als touristisches Angebot

Die "Freunde der Guerillakämpfer von Katalonien" arbeiten zusammen mit der lokalen Bevölkerung, befreundeten Vereinen und der öffentlichen Verwaltung zwei Routen aus, die den Wegen der Guerilla folgen. Sie sollen von Guides geführt werden, die historische Figuren spielen und deren Erfahrungen in Ich-Form berichten. So können sie die Geschichte des einzelnen Guerillakämpfers mit der ganzen Region, der Widerstandsbewegung der Maquis und deren strategischen Bedeutung im Kampf gegen die Diktatur verbinden. 

Internationale Strahlkraft der Erinnerungsrouten

Zunächst waren diese Routen vor allem für ein lokales Publikum gedacht.  Doch die Angebote haben Strahlkraft weit über die Grenzen hinaus: Immerhin schlossen sich rund 59’000 Frauen und Männer aus 53 Ländern der Volksfront an. Ihre Nachkommen erhalten durch die Erinnerungswege die Chance, den solidarischen Kampf ihrer Mütter, Brüder, Grossväter oder Grosstanten posthum zu verstehen. Beth Cobo, Gründerin des Incoming-Reisebüros Trescàlia, staunte bei einem Aufenthalt im grenznahen Ort Camprodon über die besondere Verbindung der über 50-jährigen Britinnen und Briten zum Spanischen Bürgerkrieg. Einige hatten in den Sechzigerjahren ihren Sommer in Spanien verbracht und von ihren Eltern gehört, dass diese "niemals nach Spanien fahren werden, bis der Diktator stirbt". Andere waren Nachkommen von Juden oder Kämpfern der Internationalen Brigaden auf der Suche nach den Orten, an denen ihre Eltern und Grosseltern gewesen waren. Die Britinnen und Briten haben in Schulen und Unis vom Spanischen Bürgerkrieg gehört, verschiedene Liedermacher haben den Internationalen Brigaden Songs gewidmet, sogar eine Fussmallmannschaft, die "Clapton of Forst Gate" in East London, trägt die Republikanische Flagge in ihrem zweiten Trikot.

*Der Spanische Bürgerkrieg

An den Regierungswahlen vom 16. Februar 1936 gewann die Volksfront aus Linksparteien, Republikaner, Bäuerinnen und Fabrikarbeiter gegen die Nationalfront der Allianz von Rechtsparteien und Faschisten, Monarchistinnen verschiedener Strömungen und Grundbesitzern. Daraufhin starteten General Franco und weitere Generäle von Marokko aus einen Putsch. VertreterInnen der Volksfront bewaffneten sich und verteidigten das Land. In diesem blutigen Krieg fielen rund eine halbe Million Männer, Frauen und Kinder, mit dem weitaus grösseren Verlust bei der Volksfront. Für die von Deutschland, Italien und Portugal unterstützten Frankisten war es ein Krieg der Zivilisation gegen den Kommunismus, für die von den internationalen Brigaden unterstützte Nationalfront ein Krieg für Freiheit und Demokratie gegen Despotismus und Faschismus.  

Geschichtsschreibung durch die Gewinner

Die Frankisten zelebrierten den Sieg mit einem veritablen Personenkult rund um General Franco und seine Gefährten und liessen über verschiedene Vergeltungsmassnahmen die Verlierer spüren, wie total ihr Widerstand gescheitert war: So hob Franco zum Beispiel die Autonomiestatute für Katalonien und das Baskenland auf und unterdrückte rigide sämtliche Autonomiebestrebungen bis hin zum Verbot des Gebrauchs der katalanischen, baskischen und galicischen Sprache in der Öffentlichkeit. Und er liess im Zentrum Spaniens durch 20’000 Kriegsgefangene das "Nationalmonument des heiligen Kreuzes im Tal der Gefallenen" errichten. Ein monumentales Bauwerk, von weit herum sichtbar, in dem bis zum 24. Oktober 2019 auch die sterblichen Überreste des Generals Franco lagen. 2017 pilgerten noch 283’000 BesucherInnen aus dem In- und Ausland zu diesem Monument – viele davon AnhängerInnen des Franco-Regimes, der Falange oder von sympathisierenden Ultrarechten. 

Schweizer in Spanien

Aus der Schweiz reisten 800 Männer und Frauen als internationale BrigadistInnen nach Spanien. Einige waren arbeitslos und sahen in der Schweiz keine Perspektive, viele wollten den Bauern und Arbeitern in Spanien helfen, einige wollten den Faschismus stoppen, ehe es zu spät sein würde. Aber es gab auch den "Pull-Faktor" Spanien. So meinte der Zürcher Spanienkämpfer Hans Hutter: "Sicher gingen mein Bruder und ich nach Spanien wegen der Demokratie und der Freiheit; aber noch etwas anderes spielte mit: Wir gingen nach Spanien, weil wir für dieses Land eine gewisse Hinneigung hatten, und wir fühlten uns im Innersten verbunden mit dem, was dort unten passierte." Spanien war nicht nur Opfer der Putschisten, sondern ein verheissenes Land, in dem die Arbeiter den Aufstand wagten – ein Land, das als warmherzig und verlockend galt und das erst noch nicht allzu weit weg lag. 
Film: Schweizer im Spanischen Bürgerkrieg (1 Std. 27. Min. 25 Sek.)

Filmclip "Jarama. El cortometraje de Boikot" zu Ehren der Internationalen BrigadistInnen (14 Min. 14 Sek.)

Trailer zum Film: Ebro – von der Wiege bis zur Schlacht (1 Min. 14. Sek)

**Alba Sud

Der katalanische Verein ALBA SUD ist auf Forschung und Kommunikation für die Entwicklung spezialisiert. Er wurde 2002 in Barcelona gegründet und ist auch in mehreren lateinamerikanischen Ländern (derzeit in Nicaragua, El Salvador und Mexiko) präsent. ALBA SUD arbeitet mit Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen und aus verschiedenen Teilen der Welt zusammen. ALBA SUD sieht in Forschung und Kommunikation ein Instrument, um Ansätze zu Transformation und Emanzipation, zur Bekämpfung von Ungleichheit und zur Unterstützung von Gesellschaften mit einem höheren Mass an Gerechtigkeit zu unterstützen. 

Trailer zum Film «Ebro – von der Wiege bis zur Schlacht» (1 Min. 44 Sek.)

Ein Clip zu Ehren der Internationalen Brigadisten (15 Min.)

Film: Schweizer im Spanischen Bürgerkrieg (1973-1974, 1:27:25)