Katastrophenjahr 2010: eines der tödlichsten der letzten 20 Jahre
Basel, 24.03.2011, akte/ Letztes Jahr forderten 373 Naturkatastrophen weltweit über 296’800 Todesopfer. 208 Millionen Menschen wurden geschädigt, die Gesamt-Schadensumme belief sich auf fast 110 Milliarden US Dollar. Das berichtet das Centre for Research on the Epidemiology of Disasters (CRED) der katholischen Universität Louvain in Belgien, unterstützt von der Internationalen Strategie zur Katastrophenvorsorge der Vereinten Nationan (UNISDR).
Die UNISDR will die Stärkung der Widerstandskraft von Gemeinschaften gegenüber Katastrophen fördern, indem das Bewusstsein für Katastrophenvorsorge als integrative Komponente von nachhaltiger Entwicklung gesteigert wird. Ziel ist es, Schäden und Verluste aufgrund von Naturgefahren und damit verbundene technologische und Umweltkatastrophen zu reduzieren.
"Wenn wir jetzt nicht handeln, werden wir immer mehr Katastrophen aufgrund ungeplanter Verstädterung und Umweltzerstörung erleben. Wetterbedingte Katastrophen werden künftig ohnehin mit Sicherheit zunehmen, aufgrund verschiedener auch menschgemachter Faktoren", warnt die Leiterin der UNISDR, Margareta Wahlström.
Und in der Tat gehörte 2010 zusammen mit 2005 und 1998 zu den heissesten Jahren seit Beginn der Messung. "Es ist entscheidend, dass die Regierungen, Stadtbehörden und ihre Partner Anpassungen an die Klimaveränderungen in ihre Stadtplanung einbeziehen", so Wahlström: "Denn was wir ‹Minderung der Katastrophenfolgen› oder ‹Risikoabschwächung› oder ‹Risikomanagement› nennen, ist ein strategisches und technisches Mittel, damit nationale und regionale Regierungen ihre Verantwortung gegenüber der Bevölkerung wahrnehmen können."
Ein düsterer Rückblick
Am 12. Januar starben über 222’500 Menschen beim Erdbeben in Haiti. Der russische Hitzesommer forderte 56’000 Todesopfer – was das Jahr 2010 zum opferreichsten der letzten Jahrzehnte macht.
Zurzeit und voraussichtlich noch im ersten Quartal dieses Jahres herrschen stabile "La Niña"-Bedingungen im Pazifischen Ozean. "La Niña" bezeichnet das Abkühlen des equatorialen Pazifischen Ozeans, während "El Niño" der Name für eine Erwärmung desselben Gebiets ist, die alle drei bis fünf Jahre stattfindet und die bis zu 18 Monate andauern kann.
Mit "La Niña" werden etwa die Überflutungen in Kolumbien im vergangenen Jahr, aber auch die erst kurze Zeit zurückliegenden Überschwemmungen in Queensland, Australien in Zusammenhang gebracht.
Erstmals beklagten letztes Jahr Nord- und Südamerika weltweit die meisten Todesopfer durch Naturkatastrophen. Europa lag an zweiter Stelle, dies wegen der Hitzewelle in Russland, des Sturms Xynthia, der im Februar über Westeuropa hinwegfegte, wegen der Überschwemmungen in Frankreich im Juni und eines heftigen Wintereinbruchs im Dezember.
Gigantische Kosten
Asien ist die Weltregion, die am häufigsten von Naturkatastrophen heimgesucht wird. Fast neun von zehn Personen, die Schäden durch Naturkatastrophen erleiden, leben in Asien. Fünf der zehn tödlichsten Katastrophen passierten letztes Jahr in China, Pakistan und Indonesien. Dazu gehören Erdbeben, die in China im April fast 3’000 und in Indonesien im Oktober 530 Menschen töteten. Zwischen Mai und August fielen über 1’500 Menschen in China Fluten zum Opfer, weitere 1’765 starben bei Schlammlawinen, Erdrutschen oder Steinschlägen, die im August von schweren Niederschlägen ausgelöst wurden. Fast 2’000 Personen kamen in den Jahrhundertfluten in Pakistan ums Leben.
Die Kosten der sommerlichen Fluten und Erdrutsche in China belaufen sich auf 18 Milliarden US Dollar, in Pakistan werden die Verluste durch die Überschwemmungen mit 9,5 Milliarden US Dollar beziffert. Das Erdbeben in Haiti verursachte Zerstörungen in Höhe von 8 Milliarden Dollar. Das teuerste Erdbeben des letzten Jahres war jenes im Februar in Chile, mit Schäden in der Höhe von 30 Milliarden US Dollar.
Nationale Strategien für den Katastrophenschutz
2005 stimmten 168 Nationen während der Weltkonferenz für Katastrophenvorsorge in Japan 2005 einem Rahmenabkommen zu (Hyogo Framework for Action). Es hebt Frühwarnung als eines der wichtigsten Elemente der Katastrophenvorsorge hervor. Anfang März veröffentlichte UNISDR einen Zwischenbericht zur Umsetzung des Abkommens. Er zeigt, dass die am häufigsten von Katastrophen betroffenen Länder ihre Katastrophenvorsorge verbessert haben. Japan führte den nationalen Erdbebentag und den Katastrophenvorsorgetag ein – deren Bedeutung in den letzten Wochen auf tragische Weise in Erinnerung gerufen wurde.
Ähnliche Übungstage gibt es auch in Bangladesh, Chile, Kuba, Jamaica, Madagaskar, Mexiko, Mosambik, Vietnam und in der Dominikanischen Republik. Viele Länder haben zudem Gesetze zur Risikoverminderung erlassen, darunter Indien, Sri Lanka, El Salvador, Santa Lucia, Saint Vincent und Grenada, Anguillla (England), Gambia, Indonesien, Ägypten, Philippinen, Sambia und Papua Neuguinea.
Der Bericht hebt aber hervor, dass die Länder eine auf oberster Ebene angesiedelte Behörde schaffen sollen, die für entsprechende Strategien und deren Durchführung verantwortlich ist und dafür auch über genügend Ressourcen verfügen kann. Dafür fordert Margareta Wahlström auch den Druck der Bevölkerung. Ein Folgeabkommen von Hyogo, dass 2015 fällig wird, sollte sich auf solide strukturelle Verbindungen zu einer nachhaltigen Entwicklung und zum Klimarahmenabkommen stützen.
Bessere Katastrophenvorsorge im Tourismus
Gerade die im Tourismus so beliebten Küstengebiete sind Unwettern und Tsunamis oft schutzlos ausgeliefert. Die Besitzer von Hotels und Resorts entlang der Küsten und die für die Bau- und Zonenordnungen verantwortlichen Behörden sollen endlich aufwachen, fordert Tourismusprofessor David Beirman der Universität Sydney. "Es ist höchste Zeit, aufzuhören mit der Erteilung von Bewilligungen für den Bau von Todesfallen."
Dem Wunsch nach Meeranschluss der Touristen stehe die Verantwortung der Branche für ihre Feriengäste gegenüber. "Wenn der Tourist nicht bereit ist, das Risiko einer Unterkunft direkt am Strand zu erkennen, muss diese Unterkunft wie eine Zigarette gehandelt werden: Benutzer werden gewarnt und Anbieter maximal besteuert." – Aber mindestens ebenso wichtig ist es, den natürlichen Schutz der Küsten vor Erosion und Tsunamis – die Mangrovenwälder, Korallenriffe und Dünen – intakt zu halten.