"Warte, ich lege noch etwas Brennmaterial nach – getrockneter Dung unserer Pferde, Kühe und Schafe. Damit lassen sich unsere Jurten gut heizen. Wir leben einfach hier oben auf der Sommerweide, dem Jailoo, und doch ist es die schönste Zeit. Manche unserer Gäste sind unkompliziert, manche anspruchsvoll. Eine Herausforderung für uns waren die Speisevorschriften einer jüdischen Familie. Aber wir versuchen alle Wünsche zu erfüllen. Es gibt auch Leute, die ihre eigenen Nahrungsmittel mitbringen und uns zum Essen einladen. Wir sitzen öfter abends mit Gästen zusammen. Ich spreche kein Englisch, aber meine 17-jährige Tochter Tattybyby lernt es in der Schule.

Lokaltourismus in Kirgistan

  • 241 Familien mit Tourismusangebote
  • 300’000 CHF Umsatz 2012
  • 10’173 Touristen 2012 

Das Projekt Community Based Tourism (CBT) wurde im Jahr 2000 von Helvetas initiiert. Mittlerweile ist CBT eine eigenständige Organisation, die lokale Bauernfamilien vernetzt und es ihnen ermöglicht, Gäste bei sich zu beherbergen und ihnen Kunsthandwerk, Reitausflüge oder Trekkings anzubieten. Eine Erfolgsgeschichte: Die Organisation hat Helvetas 2013 mitgeteilt, dass sie keine finanzielle Unterstützung mehr braucht. Heute findet man CBT als Tipp in jedem Reiseführer. Die Jurten am Song-Kul-See sind eines der vielen Angebote. Auch die Helvetas-Reise «Nomadenleben im Tien-Shan» von Globotrek führt die Reisenden dorthin.
Wenn ein Tourist krank wird, sind wir auch so etwas wie Ärzte, es gibt keine Alternative hier oben. Wir haben Kopfwehtabletten auf Lager, falls jemand auf 3’200 Metern über Meer Probleme mit der Höhe bekommt. Kürzlich litt ein Gast an Magenverstimmung. Ich riet ihm, sich den Bauch mit Wodka einzureiben und sich warm einzupacken. Dazu gab es einen starken Schwarztee mit Wodka. So machen wir das auch selber. Er wurde jedenfalls gesund.
Meine vier Kinder können auch über die Sommerferien hinaus bei uns bleiben, sie bekommen von der Schule eine Dispens, bis wir im Oktober ins Tal zurückkehren. Mein Kleinster, Aktan, ist erst eineinhalb Jahre alt. Für ihn ist es das erste Mal auf dem Jailoo. Heute morgen erlebte er seinen ersten Schnee. Er ist ganz aus dem Häuschen. Tattybyby, meine Grösste, vermisst jeweils das Internet, wenn wir hierherkommen. Aber nach einer Woche ist das vergessen.
Auch das Handy funktioniert hier oben nicht. Fast nicht. Auf jenem Felsblock dort in der Ferne, gibt es ein schwaches Netz. Es ist wie ein Wunder. Deshalb siehst du immer wieder Leute dort hinwandern. Aber wenn sich Gäste anmelden, bekommen wir die Reservationen auf Papier. Jeder der hoch- oder hinunterfährt, schaut, was er für die anderen mitnehmen kann. Wir sind Mitglied von CBT, der Organisation für lokalen Tourismus. Sie prüft jedes Jahr unser Angebot und legt die Preise fest. In der Hochsaison können wir 800 Som (12 Franken) für eine Übernachtung mit Essen verlangen, sonst die Hälfte. Wenn es kalt wird, kommen weniger Gäste. Im August baden wir noch im See, und im Oktober können wir bereits Eisfischen. Nicht alle Touristen haben genug warme Sachen dabei. Wir haben aber genügend Decken parat. Im Moment ist ein junger Mann aus Estland bei uns Gast. Er ist gestern bei Sonnenschein mit dem Velo hinaufgekommen – und nun steckt er im Schnee fest."