Kiran Nagarkar: Ravan & Eddie. Roman
(Ravan & Eddie, 1995. Aus dem Englischen von Giovanni und Ditte Bandini)
A1 Verlag, München 2004
395 S., EUR 24.80, SFr. 43.50
ISBN 3-927743-73-9
Ravan und Eddie wachsen in einem Wohnblock von Bombay während der 50er Jahre auf. Aber es verbindet sie kaum etwas. Ravan lebt in einer hinduistischen Familie im unteren Stockwerk. Seine Mutter bereitet zu Hause das Kantinenessen für Fabrikarbeiter vor, während der Vater nicht arbeitet und den grössten Teil des Tages im Bett verbringt. Eines Tages bringt er eine Frau nach Hause, angeblich seine Schwester, mit der er von nun an sein Bett teilt. Jetzt geht es in Ravans Familie drunter und drüber. Eddie hingegen lebt mit seiner Mutter, seiner Schwester und seiner Grossmutter in einem oberen Stockwerk des Mietshauses. Sie sind eine katholische Familie, die aus dem ehemals portugiesischen Goa kommt. Eddie besucht eine von einem katholischen Priester geleitete Schule, leidet aber unter den engen moralischen Gesetzen. Da Eddie portugiesisch redet und Ravans Familie Marathi spricht, ist es für die Jungen unmöglich, miteinander zu unterhalten. Trotzdem erfährt Ravan von Eddie, dass er als einjähriges Kind Eddies Vater umgebracht habe. Wie war so etwas nur möglich?
Kiran Nagarkar erzählt die Geschichte der beiden Jungen, die im selben Haus wohnen und doch in ganz unterschiedlicher Umgebung aufwachsen. Ihr Heranwachsen, ihre Charaktere und das jeweilige soziale Umfeld sind in farbigen Episoden geschildert. Es ist spannend von Szene zu Szene zu verfolgen, wie Ravan und Eddie das Leben entdecken und sich darin zurechtfinden.
Seit Kiran Nagarkar nicht mehr in Marathi, sondern in Englisch schreibt, finden seine Bücher ausserhalb Indiens eine begeisterte Leserschaft. Insofern ist dieser Autor ein Glücksfall. Es zeigt aber gleichzeitig, wie viel indische Literatur verborgen bleibt, weil wir bedauerlicherweise keinen sprachlichen Zugang dazu haben.
Michael Schwarz
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