Klima-Flugtickets gegen Umweltprobleme: Die Qual der Wahl beim «Fliegen mit gutem Gewissen»
Wer in der Schweiz einen Flug bucht, kann bereits bei zwei verschiedenen Stellen „Klimatickets“ kaufen. Neben der Initiative CLiPP (vgl. akte-Kuna 2/2001) bietet jetzt auch myclimate Flugreisenden die Möglichkeit, freiwillig ihre durch den Flug verursachten CO2-Ausstösse mit einer finanziellen Abgabe zu kompensieren. Beide unterstützen mit dem Erlös des Ticketverkaufes Klimaschutzprojekte.
Die Auswirkungen des Fliegens sind unbestritten gewichtig: Der Flugverkehr macht gemäss den Ergebnissen des Nationalen Forschungsprogramms „Umwelt und Verkehr“ (NFP 41) satte 13 Prozent der gesamten CO2-Emissionen der Schweizer Bevölkerung aus. Nicht nur mit CO2-Emissionen, sondern auch mit anderen Abgasen ist der weltweite Flugverkehr ganz massgeblich beteiligt an den Treibhausemissionen, die anerkannt für die Klimaveränderung verantwortlich sind. Doch weil der Flugverkehr im internationalen Raum stattfindet und für nationale Massnahmen deshalb schwer greifbar ist, blieb er bislang ausgeklammert von den Massnahmen des Klimaschutzprotokolls von Kyoto wie auch von dem im Rahmen des Kyotoprotokolls erlassenen CO2-Gesetzes der Schweiz. Freiwillige Initiativen in diesem Bereich sind deshalb vorerst höchst willkommen.
Hinter der Stiftung CLiPP, im August 2002 gegründet, stehen unter anderem der Kanton und die Stadt Luzern sowie wirtschaftliche Unternehmen. Die Stiftung fördert verschiedene Klimaschutzmassnahmen in der Schweiz und im Ausland – das Klimaticket ist eine davon. Als Ziel gibt CLiPP die Förderung von Energieeffizienz und von erneuerbaren Energiequellen an. Gemäss Auskunft von Rahel Gessler von CLiPP, besteht bereits eine Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL). So bezieht das BAZL seit April 2003 für sämtliche Geschäftsflüge Klimatickets bei CLiPP. Umweltwissenschaftler der ETH Zürichgründeten im vergangenen Jahr die unabhängige Organisation myclimate, die sich gemeinsam mit einem Klimaschutzexperten ausschliesslich auf den Flugverkehr konzentriert. Der Verkauf von Klimatickets wird durch eine zusätzliche Homepage (www.flugverkehr.ch) ergänzt, die umfassend über die Klima- und Energieproblematik des Flugverkehrs orientiert und die Möglichkeit zur Berechnung des persönlichen Mobilitätsprofils bietet. Thomas Camerata, Geschäftsführer von myclimate, weist darauf hin, dass ihre Organisation grossenWert auf eine begleitende Sensibilisierungsarbeit legt – dies im Gegensatz zu CLiPP. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Klimatickets verwendet myclimate für Projekte, welche die Energieeffizienz steigern oder erneuerbare Energien fördern. Die Projekte werden durch strenge Nachhaltigkeitskriterien geprüft. Renato Heuberger, Verantwortlicher der Kompensationsprojekte bei myclimate, hat eigens dazu im Rahmen seiner Diplomarbeit Kriterien entwickelt. Zur Zeit fliegt unter anderen das ETH-Präsidium mit Klimatickets von myclimate. Bei CLiPP berechnet sich der Preis des Tickets nach Flugstunden und nach Flugkomfortskategorie. Eine Stunde Economie kostet 10 Franken, First Class ist doppelt so teuer. Mit zu-nehmender Flugdauer nimmt der Stundenpreis ab. myclimate bietet die Tickets zu einem einheitlichen Preis von 8 Franken pro Flugstunde.
Adrian Schmid, Leiter Verkehrspolitik des Verkehrsclubs Schweiz (VCS), begrüsst die Idee des Klimatickets und kann beiden Initiativen gute Seiten abgewinnen. Doch im Umfeld des VCS sind Klimatickets umstritten. In der hauseigenen Zeitung liess der VCS ihre Leser zu diesem Thema zu Wort kommen. Etliche Voten wiesen darauf hin, dass solche Tickets einem Ablasshandel gleichkämen, bei dem Besserverdienende „sich bequem das Gewissen reinwaschen“ könnten. Schmid relativiert insofern, als dass Klimatickets sicherlich nicht die CO2-Problematik lösen könnten. Sie seien aber auf jeden Fall dort sinnvoll, wo die Reisen ohnehin nicht zu vermeiden seien, also hauptsächlich bei Geschäftsflügen. Diese machen jedoch gemäss Bundesamt für Raumentwicklung (are) und Bundesamt für Statistik (BFS) nur gerade fünf Prozent des gesamten Flugverkehrs aus.
Umweltverbände, darunter der VCS, prüfen zur Zeit eine Zusammenarbeit mit CLiPP respektive Myclimate. Der VCS wird aber, laut Anne-Lise Hilty, Redaktorin der VCS-Zeitung, in absehbarer Zeit keine Flugreisen anbieten. /na
Quellen: BUWAL, 2002: Umwelt Schweiz 2002 – Politik und Perspektiven; www.clipp.org; www.myclimate.org; www.flugverkehr.ch; www.buwal.ch; www.statistik.admin.ch; www.are.admin.ch; Interviews mit Rahel Gessler (CLiPP), Thomas Camerata (myClimate), Adrian Schmid und Anne-Lise Hilty (VCS)