Ende Mai verkündete der Bundesrat: Die Schweiz passt ihr Klimaschutzziel nicht an. Doch nicht genug der schlechten Nachrichten. Die Planung eines nationalen Klimaschutz-Szenarios wird nicht angepackt, und die Schweiz wird sich bei der Klimafinanzierung weiterhin aus den Töpfen der Entwicklungshilfe bedienen. Gleichzeitig behauptet der Bundesrat, das 2-Grad-Ziel zur Begrenzung der globalen Temperaturerhöhung weiterhin anzustreben und sich auf internationaler Ebene für ein rechtlich bindendes Klimaregime für den Zeitraum nach 2020 einzusetzen.
Diese Beschlüsse kann der Bundesrat aufgrund seiner Exekutivkompetenz fällen. Doch sollte er den BürgerInnen die Wahrheit sagen: Das 2-Grad-Ziel und der internationale Klimavertrag sind so nicht zu erreichen.

Falsche Anreize vermeiden

nw. Die Deckung der internationalen Verpflichtungen zur Klimafinanzierung aus den Entwicklungshilfetöpfen bietet Fehlanreize: Entwicklungsrelevante Infrastruktur- oder Schulprojekte werden zugunsten von sogenannten Klimaprojekten hintangestellt. Und es verführt dazu, alle bereits existierenden klimafreundlichen Entwicklungsprojekte neu auch als Klimaprojekte abzurechnen. Damit werden wichtige Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit wie die Armutsbekämpfung ganz vernachlässigt, ohne dass nennenswert weniger CO2 ausgestossen wird. Weder der Entwicklung noch dem Klimaschutz ist damit jedoch zusätzlich gedient.

2-Grad-Ziel ausser Sichtweite

Der aktuellste Bericht des Weltklimarates hält fest: Nur wenn der globale Ausstoss von Treibhausgasen bis 2050 um 40 bis 70 Prozent gegenüber dem Niveau von 2010 und bis Ende des Jahrhunderts bis nahezu null sinkt, ist das 2-Grad-Ziel noch zu halten. Eine gerechte Lastenteilung erfordert, dass die Industrieländer wesentlich mehr reduzieren müssen, um dem globalen Süden Raum für nachholende Entwicklung zu geben. Die Schweiz bleibt jedoch dabei: Bis 2020 nicht mehr als 20 Prozent weniger CO2-Ausstoss gegenüber 1990.

Klimavertrag in weiter Ferne

Nicht nur national hat sich die Schweiz von ambitionierter Klimapolitik verabschiedet. Auch international legt sie nur vordergründig Wert auf den Abschluss eines neuen globalen Klimaabkommens, das 2015 in Paris im Rahmen der Uno geschlossen werden soll. Damit dieses zustande kommt, braucht es auch die Zusage der Entwicklungs- und Schwellenländer zu verbindlichen Klimaschutzzielen.
Doch die Länder des Südens pochen darauf, dass zuerst die Industrieländer ihre abgegebenen Versprechen erfüllen: Sie müssen ihre (historische) Verantwortung für den Klimawandel übernehmen. Dazu gehört auch, dass sie die versprochenen "Klimagelder" zahlen. Diese sollten ab sofort jährlich um 10 Milliarden Dollar steigen, bis im Jahr 2020 100 Milliarden Dollar erreicht sind, die fortan jedes Jahr zu zahlen sind. So vereinbarten es die Uno-Staaten 2010 in Cancún.
Einen offiziellen Schlüssel für die Berechnung der nationalen Beiträge aus den Industrieländern gibt es nicht. Bei der unilateralen Berechnung des eigenen Beitrags für die Jahre 2010 bis 2012 gewichtete die Schweiz ihren Anteil an den globalen Emissionen dreimal höher als denjenigen am globalen Einkommen. Aus diesem Schlüssel resultiert ein Minimalanteil von rund 460 Millionen Franken an den 100 Milliarden Dollar.
Angemessener wäre, wenn jener Schlüssel zur Anwendung käme, nach dem die Beitragszahlen der Mitgliedstaaten an die Uno berechnet werden. Der Verteilschlüssel für die Pflichtbeiträge richtet sich hauptsächlich nach der Wirtschaftskraft der Länder, berücksichtigt aber auch Entwicklungsstand und Verschuldungssituation der Mitgliedstaaten.
Demzufolge läge der Schweizer Anteil 2020 bei 1,3 Milliarden Franken jährlich.1 Je nach Berechnungsgrundlage muss die Schweiz entsprechend ab sofort jedes Jahr rund 90 Millionen Franken mehr an Klimageldern (zwischen 40 und 140 Millionen Franken) jährlich bezahlen. Andernfalls kommt sie ihren internationalen Verpflichtungen gegenüber Entwicklungsländern nicht nach.
Ein zentrales Element davon ist, dass sie das Geld zusätzlich zur Entwicklungshilfe aufbringt und nicht, wie bis anhin, die Gelder daraus abzwackt. Der Bundesrat und die Bundesverwaltung gehen heute davon aus, dass ein wesentlicher Teil dieses Klimageldes weiterhin aus der Entwicklungshilfe bezahlt werden kann und soll. Diese soll gemäss Parlamentsbeschluss ab dem Jahr 2015 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) betragen. Damit würden im Jahr 2020 rund 38 Prozent (zwischen 20 und 57 Prozent) der Schweizer Entwicklungshilfe für Klimamassnahmen zweckentfremdet (siehe Grafik).

Neue Gelder braucht das Land

Die Absicht, globale Klimafinanzierung aus den Töpfen der Entwicklungszusammenarbeit zu bezahlen, ist eine klare Strategie des Bundes, keine neuen öffentlichen Quellen zur Finanzierung seiner internationalen Verpflichtungen generieren zu müssen. Faktisch kürzt er dadurch jedoch die Entwicklungshilfe zugunsten der Klimafinanzierung. Nur neue und zusätzliche Gelder können auch zu neuen und zusätzlichen Klimamassnahmen führen, welche nicht auf Kosten der nachhaltigen Entwicklung gehen (siehe Kasten). Der  Bund sollte die Chance nicht verpassen, diese Gelder im Zuge einer Verfassungsänderung des für 2020 geplanten neuen Klima- und Energielenkungssystems aufzubringen. Dabei könnte eine für die Klimafinanzierung zweckgebundene Lenkungsabgabe auf CO2 gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Kosten würden verursachergerecht verteilt, damit würden Anreize zum Klimaschutz geschaffen und gleichzeitig auch die benötigten Klimagelder generiert. Die Höhe der Klimaschutzverpflichtungen sowie die ausreichende Klimafinanzierung sind es, wovon das Zustandekommen eines neuen Klimavertrages 2015 abhängt. Bleibt die Schweiz bei ihrer aktuellen Klimapolitik, ist sie klar mitverantwortlich, wenn die Uno-Verhandlungen über den neuen Vertrag scheitern. Kommt es hingegen zu einem neuen Vertrag, so wird dies mit Sicherheit nicht der Schweizer Politik zu verdanken sein.


1 Die detaillierte Berechnung wird Alliance Sud in einem Klima-Positionspapier im September 2014 vorlegen.