
Klimagerechtigkeit bleibt Fata Morgana
In diktatorischer Manier segnete der katarische Konferenzpräsident am Samstagabend die einzelnen Beschlüsse des Verhandlungspakets ab, ohne den RegierungsvertreterInnen Zeit für Einspruch zu lassen. Nur so gelang es, ein Scheitern zu vermeiden und sich auf Beschlüsse zu einigen, mit denen eigentlich alle Seiten unzufrieden sind. Doha zeigte: Trotz zunehmendem Druck durch die immer sichtbareren Auswirkungen des Klimawandels gelingt es den Verhandlungsdelegationen immer weniger, sich auf ein gemeinsames Gegensteuern zu einigen.
Kyoto 2 mit wenig Wirkung
In Doha wurde zwar mit Ach und Krach eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls beschlossen (die erste läuft Ende Jahr aus). Die Zunahme des weltweiten CO2-Ausstosses wird dadurch aber kaum gebremst, denn für Kyoto 2 verpflichten sich nur die EU, Australien, Norwegen, Liechtenstein, Monaco, Kroatien, Island und die Schweiz zu weiteren Emissionsreduktionen. Kanada, Russland, Japan und Neuseeland machen bei der zweiten Periode nicht mit. Die USA waren schon in der ersten nicht dabei. Und selbst wenn alle diese Länder mit an Bord wären, würden die zugesagten Reduktionsziele von durchschnittlich weniger als 20 Prozent bis 2020 (gegenüber 1990) nicht ausreichen, um den Klimawandel in bewältigbaren Grenzen zu halten.
Finanzierungsfrage ungelöst
Enttäuschend sind auch die Beschlüsse über die Finanzierung von Klimamassnahmen ausgefallen. An der Konferenz 2010 in Cancún sagten die Industrieländer zu, die Unterstützung der Entwicklungsländern bei der Anpassung an den Klimawandel und der Umstellung auf klimafreundlichere Produktionsweisen bis 2020 auf 100 Milliarden Dollar jährlich anwachsen zu lassen. Der Beschlusstext von Doha zeigt keinen Weg auf, wie dies erreicht werden soll. Vage Formulierungen täuschen über die tiefe Kluft hinweg, die zwischen den Versprechen von Cancún und den tatsächlich verfügbaren Finanzmittel der Industriestaaten klafft. Für die Entwicklungsländer bedeutet dies ein weiterer Vertrauensverlust in der nunmehr 18 jährigen Geschichte der Klimaverhandlungen.
In Doha bestätigten die Vertragsstaaten, bis 2015 ein neues Klimaregime aushandeln zu wollen, das ab 2020 alle Länder entsprechend ihren nationalen Gegebenheiten zu Klimaschutzmassnahmen verpflichten soll. Keinen Beschluss fassten sie zur Ausarbeitung von Prinzipien für Klimagerechtigkeit. Das wäre eine wichtige Voraussetzung für die Erarbeitung fairer Klimaziele, die für alle Staaten entsprechend ihrer Verantwortung für den Klimawandel und ihren Handlungsmöglichkeiten gelten. Bis 2015 bleibt dazu nur noch wenig Zeit.
Nicole Werner war als Vertreterin von Alliance Sud Mitglied der Schweizer Delegation in Doha.