Zertifikate in der Kritik 

Derzeit durchleben einige Klimakompensationsunternehmen turbulente Zeiten: In einem Rating der Stiftung Warentest Ende 2022 erhält atmosfair ein «sehr gut», doch einige Mitbewerber wurden zurückgestuft. Gegen die Platzierung auf Rang 4 («ausreichend») wehrt sich die Stiftung myclimate von Stiftung Warentest zu Unrecht abgestuft – Qualitätsurteil «gut» nach wie vor gerechtfertigt und wirft der Stiftung Warentest vor, «unsachgemässe und veraltete Annahmen» getroffen zu haben.  

Peinlicher ist eine Recherche der «Zeit» Klimalabel: Ein Strauß leerer Versprechen | ZEIT ONLINE (Bezahlschranke). Sie wirft vier Klimazertifikatsorganisationen vor, das Label «klimaneutral» leichtfertig zu vergeben. So erhielt es ein nicht-existierender Blumenladen ohne Verpflichtungen und Kontrolle – einzig auf Vertrauensbasis. Myclimate hat auf die Kritik reagiert: Die Stiftung hat das Label Klimaneutralität und den Begriff Kompensation gestrichen. Dafür hat myclimate das Label «Wirkt. Nachhaltig» lanciert und spricht von einem Beitrag für den Klimaschutz statt von Kompensation. 

Auch South Pole, ein milliardenschweres, von der Schweiz aus handelndes Klimakompensationsunternehmen, hatte schlechte Presse: Recherchen der «Zeit», des «Guardian» und anderer Medien zufolge wurden ausgerechnet in South Poles Bestseller-Projekt – das Waldschutzprojekt “Kariba” in Simbabwe – praktisch «wertlose» CO2-Zertifikate verkauft. Konzerne wie Gucci bezeichnen sich durch den Kauf genau dieser Zertifikate als «klimaneutral». Auch South Pole wehrt sich, hat aber den Verkauf der betroffenen Zertifikate vorerst gestoppt 

Bei diesem Pingpong zwischen Medien und Zertifizierungsfirmen landet man rasch in einem Expert*innenstreit. Was zurückbleibt, ist ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und das ist ungut. 

Ohne Regulierung gehts nicht 

Die aktuelle Krise verdeutlicht: Sich mit Kompensationszahlungen freizukaufen, funktioniert langfristig nicht. Es braucht strengere Regulierungen, mehr Transparenz und besseres Monitoring. Und ohne Verhaltensänderung geht es nicht:  Reduzieren des eigenen CO2 Ausstosses hat oberste Priorität für jedes Unternehmen und jede Einzelperson und kommt vor Kompensieren. Wenn sich Emissionen weder vermeiden noch reduzieren lassen, dann kann man Treibhausgasemissionen zu einem korrekten Preis kompensieren – solche Ausgleichszahlungen können aber nur ergänzen. 

Ohne Kompensation gehts auch nicht  

«Problematisch wird es, wenn man Kompensation als Legitimation dafür verwendet, nicht auf Reduktion zu verzichten», sagt Joachim Thaler von der Universität für Bodenkultur Wien. Aber: Emissionen reduzieren, ist zwar ein wichtiger Zwischenschritt, doch wird das nicht genügen. «Wir werden in keinem Szenario so stark die Emissionen reduzieren können, dass nicht schlussendlich zu viel CO2 in der Atmosphäre landet. Man wird es auf jeden Fall wieder entnehmen müssen. Für die Entnahme braucht es wiederum entsprechende Finanzierungsmechanismen wie CO2 Kompensation». 

Worauf beim Kompensieren zu achten ist – auf den Preis 

Mit einem Aufpreis auf dein Flug-, Bahn- oder Busticket unterstützt du Klimaschutzprojekte, die entweder Emissionen einsparen oder CO2 binden.  

Dazu Joachim Thaler: «Bei Kompensationsprogrammen gibt es zwei unterschiedliche Arten: Zum Beispiel die Kochherd-Projekte, bei denen durch Technologieveränderung CO2 -Emissionen verhindert werden. Es wird aber nichts aus der Atmosphäre rausgenommen. Dann gibt es andere Projekte wie zum Beispiel Aufforstungsprojekte, bei denen – bei aller Problematik –  durch das Baumwachstum CO2 entnommen wird». 

Die Qualität von CO2- Zertifikaten ist sehr unterschiedlich. Es gibt aber sehr wohl sinnvolle Projekte, die über Zertifikate finanziert werden. Doch die haben ihren Preis. Wenn du sicher gehen willst, dass dein Klimabatzen etwas bewirkt, achte aufs Preisschild: Ein seriöser Kompensationspreis liegt bei 20 bis 30 Euro pro CO2 Tonne. Man darf sich also fragen, wie ernst es Unternehmen ist, die für dieselbe Menge CO2 die Klimakompensation für 2€ anbieten.   

Wer es genau wissen will: Freiwillige CO2-Kompensationen durch Klimaschutzprojekte.

Qualitätsurteil “Sehr gut” für Atmosfair

Atmosfair GmbH schneidet bei der Stiftung Warentest (Stand Oktober 2022) als Testsieger für CO2 Kompensation ab. Ein Grund dafür: es werden, dort «ausschliesslich nach dem hochwertigen Goldstandard zertifizierte Klimaschutzprojekte» betrieben. Die gemeinnützige Klimaschutzorganisation mit Sitz in Berlin entstand aus einem Forschungsprojekt des Bundesumweltministeriums und einer Gemeinschaftsinitiative des Reiseveranstalterverbandes forum anders reisen und der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch in 2004.

Qualitätsurteil “gut” für die Klima-Kollekte

Die Klima-Kollekte (klima-kollekte.ch, klima-kollekte.de bzw. klima-kollekte.at), der von den Kirchen geschaffene Kompensationsfonds, will mit ihren Projekten nicht nur den Ausstoss von Treibhausgasen, sondern auch die Lebensqualität der lokalen Bevölkerung verbessern und zur nachhaltigen Entwicklung vor Ort beitragen. Sie erhält bei der Stiftung Warentest die Note “gut”. An der Klima-Kollekte ist die Fastenaktion, eine Trägerorganisation von fairunterwegs beteiligt.   

Qualitätsurteil “genügend” für Myclimate

Als internationale und gemeinnützige Organisation mit Schweizer Wurzeln unterstützt und entwickelt myclimate Klimaschutzprojekte in 45 Ländern der Welt. Internationale Projekte können nach Gold Standard, Verra VCS oder Plan Vivo und Schweizer Projekte nach den Richtlinien des Bundesamtes für Umwelt (BAFU)/ Bundesamt für Energie (BFE) oder den «myclimate guidelines for domestic projects» zertifiziert werden. Die Stiftung Myclimate engagiert sich mit der Initiative «Cause we care» tatkräftig «für Klimaschutz und nachhaltigen Tourismus in der Schweiz».