Viel wird gerade geschrieben und diskutiert über die Klimaauswirkungen des Tourismus und seinen Beitrag zum Klimaschutz. Man schämt sich fürs Fliegen, tätigt Kompensationszahlungen und träumt vom CO2-neutralen Reisen …

Keine Frage: Es ist wichtig, dass sich die Reisebranche und auch die Reisenden selbst mit dem Klimaschutz auseinandersetzen – und dass endlich auch Taten folgen. Doch eine zukunftsfähige, nachhaltige Entwicklung des Tourismus lässt sich nicht nur auf ökologische Fragen reduzieren.

Bei der aktuellen Diskussion um den Klimaschutz gerät leicht aus dem Blickfeld, dass der Tourismus auch Einfluss und Auswirkungen auf das Leben und die Arbeit von Menschen hat. Denn schließlich ist die Tourismuswirtschaft eine Branche, die von Menschen für Menschen gestaltet wird: von den Mitarbeitenden über die Menschen, die in den Reisedestinationen leben, bis hin zu den Urlauberinnen und Urlaubern. Letztendlich können qualitätsvolle Tourismusangebote, die langfristig tragbar sind, nur dort etabliert werden, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert sind, wo faire Geschäfts- und Arbeitsbedingungen herrschen und wo die lokale Bevölkerung respektiert und eingebunden wird.

Doch ein Blick in die Praxis zeigt oft ein anderes Bild, wie diese Beispiele zeigen:

Faire Arbeitsbedingungen?

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Tourismusbranche rasant entwickelt, die Zahl der Reisenden steigt von Jahr zu Jahr, die Urlaubsangebote werden immer vielfältiger und mehr – und auch immer billiger. Das geht oft auf Kosten der Mitarbeitenden, insbesondere jener in niederqualifizierten Jobs, wie in der Wäscherei, in der Küche, im Zimmerservice, …Schlagzeilen machten zuletzt Zimmermädchen in Spanien, die meist prekär beschäftigt sind. Sie haben sich zum Bündnis "Las Kellys“ (die Kriegerinnen) zusammengeschlossen, um gemeinsam an die Öffentlichkeit zu treten und für die Rechte der Reinigungskräfte im Hotelgewerbe zu kämpfen. Die "Kriegerinnen“ sind aus der Unsichtbarkeit herausgetreten und haben sich Gehör verschafft. Sie trafen den damaligen spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, und die Regierung hat einen Aktionsplan gegen Ausbeutung am Arbeitsplatz vorgelegt. Das Bündnis wurde mit dem TO DO-Award 2019 ausgezeichnet.

Schutz der Kinder?

Vermehrte Aufmerksamkeit brauchen auch die schwächsten in unserer Gesellschaft: die Kinder. Die Kinderschutzorganisation ECPAT schätzt, dass weltweit jährlich etwa zwei Millionen Mädchen und Buben sexuell ausgebeutet werden – auch im Tourismus.

Achtung der Menschenrechte?

Die rasante und teilweise unkoordinierte Entwicklung des Tourismus wirkt sich in vielen Regionen der Welt auch unmittelbar auf die Menschen, die dort leben, aus. Dass diese Auswirkungen durchaus dramatisch und weitgreifend sein können, zeigt eine Studie des EnvJustice-Projekt des Environmental Science and Technology Institute an der Universitat Autònoma de Barcelona (Autonome Universität Barcelona) ICTA-UAB und des Stay Grounded Network. Sie haben die sozio-ökologischen Auswirkungen von Erweiterungen und Neubauten von Flughäfen untersucht. In einer Karte dokumentieren sie die Vielfalt an Ungerechtigkeiten gegenüber den Menschen vor Ort im Zusammenhang mit Flughafenprojekten auf der ganzen Welt, die vorwiegend auf die Steigerung des Tourismus abzielen: Zwangsräumungen, Landenteignungen, Zerstörung von Ökosystemen, Gesundheitsschäden durch Umweltverschmutzung. Die größten Konflikte betreffen die Landnutzung. Flughafenprojekte benötigen viel Fläche. Oft verlieren ganze Gemeinden, in einigen Fällen Tausende von Menschen, ihre Häuser und Felder – und damit ihre Lebensgrundlagen. Viele Gemeinschaften, die sich der Vertreibung widersetzen, sind staatlichen Repressionen ausgesetzt: Zwangsräumungen, Schikanen, Einschüchterungen, Verhaftungen und Gewalt. (Artikel von Stay Grounded)

Faires Miteinander?

Viele Destinationen, vor allem Städte wie Barcelona, Venedig oder Salzburg, aber auch Küsten und Strände, sind in der Urlaubshochsaison heillos überfüllt – mit mitunter negativen Auswirkungen für die einheimische Bevölkerung: Einheimische fühlen sich von den Touristenmassen überrollt, sehen ihre Lebensqualität eingeschränkt und spüren steigende Kosten für den Lebensunterhalt. Dieses Problem des "Overtourism“ wird sicherlich nicht dadurch gelöst, dass wir "klimaneutral“ fliegen! Was bringt eine emissionsfreie Anreise, wenn dennoch Tausende Touristinnen und Touristen zur selben Zeit unterwegs sind zum selben Ziel?

Entschleunigung und ein bewussteres Konsumieren würden gut tun – dem Klima, den Menschen im Tourismus und in den Destinationen – und uns Reisenden selbst!