Klimawandel und Tourismus: Organisationen aus dem Süden rufen zum Handeln auf
Basel, 10.12.2009, akte/ Jede Klimaerwärmung über zwei Grad Celsius würde die Menschenrechte und die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen tangieren. Schon heute zeigt sich: Unter den ersten, die unter der Klimaerwärmung zu leiden haben, sind die lokalen Gemeinden, die am wenigsten dazu beigetragen haben.
Ganz krass wird dies am Beispiel des Tourismus offenbar: Nur rund zwei Prozent der Weltbevölkerung leistet sich Auslandreisen. Diese jedoch sind bereits heute für massive Umweltschäden verantwortlich. Je nach Berechnung hat der Tourismus bis zu 12,5 Prozent der Erwärmung zu verantworten, 4,9 Prozent sind es, wenn nur der Flugverkehr beachtet wird. Gruppen der Zivilgesellschaft aus Nord und Süd werdenheute an der Podiumsdiskussion "Klimagerechtigkeit und Tourismus" am Rande der Kopenhagenkonferenz diskutieren, was die Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind und welche Massnahmen ergriffen werden müssen. Vorab hat die Ökumenische Tourismuskoalition (ECOT) mit dem Handlungsaufruf von Gruppen der Zivilbevölkerung des Südens eine Diskussionsgrundlage geschaffen.
Falsche Hoffnungen
Die Reisebranche hat bisher vor allem mit Verbalaktivismus reagiert. In ihrem "Call for Action" fordern Gruppen der Zivilbevölkerung die Verantwortlichen in Kopenhagen auf, den Flugverkehr und die Schifffahrt in die neue Rahmenklimavereinbarung einzubinden. Sie warnen vor der "falschen Hoffnung" Biotreibstoff, auch dem so genannt "nachhaltig" angebauten. Agrotreibstoffe für die Luftfahrt könnten wegen der schieren benötigten Menge gar nicht nachhaltig sein, die Kontrolle der Nachhaltigkeit sei auch gar nicht gewährleistet. Ausserdem würde der Ersatz des einen Brennstoffs durch einen anderen von der eigentlichen Aufgabe ablenken: Den Verbrauch zu senken statt stetig weiter auf Wachstum zu setzen. Schon jetzt seien die Agrotreibstoffe ein Problem, denn ihr Anbau verbrauche massiv Land, Energie und Wasser.
Ebensowenig seien "Clean Development Mechanisms" (CDM) die Lösung. Während die Projekte zur Einsparung von CO2 Arbeitsplätze schafften und den Treibhausgasausstoss vielleicht senkten, verzögere das CDM-Modell die nötigen Massnahmen, um im Norden den Kohlendioxidausstoss zu senken, wo am meisten emittiert wird. Ausserdem hätten unabhängige Untersuchungen gezeigt, dass einige Projekte mehr den Interessen des Profits als denen des Klimas dienen würden.
Falsche Mythen
Die Gruppen der Zivilbevölkerung sorgen sich, dass der Klimawandel die bestehenden Probleme mit dem Tourismus verschärfen könnten, wie Land- und Wasserkonflikte, fehlende Mechanismen der Sozialen Sicherheit oder die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen im Tourismus oder der Sextourismus. Sie kritisieren die Welttourismusorganisation dafür, dass sie unbeirrt daran festhalte, dass der Tourismus Armut verringere, obwohl die Gruppen das Gegenteil erlebten und auch unabhängige Studien gezeigt hätten, dass der Glaube an den "Trickle down"- Effekt des Tourismus ein Mythos sei. Zum einen bleibe wenig Geld aus dem Tourismus in den armen Ländern, zum anderen verdienten in den armen Ländern nur wenige davon. Der Bevölkerung blieben die genannten negativen Effekte. Es sei höchste Zeit, dass die UNO Welttourismusorganisation endlich einen Entwicklungsansatz und einen Tourismus verfolge, bei denen die lokale Bevölkerung im Zentrum stehe.
Neun Forderungen der Unterzeichneten
- Der Tourismus sei in die Post-Kioto-Klimarahmenvereinbarung einzubinden. Die Reduktionsziele seien auf 40 Prozent gegenüber 1990 bis ins Jahr 2020 festzulegen. Dazu solle auf der Grundlage der Davoser Erklärung ein Aktionsplan ausgearbeitet werden.
- Die Welttourismusorganisation solle seinen Mitgliedern konkrete Emissionsziele mit Zeitlimiten vorgeben, statt auf Selbstregulierung zu setzen, die sich als wirkungslos erwiesen habe. Regierungen müssten Rechenschaft darüber ableben, inwieweit ihre Tourismusstrategien die Ziele gefördert oder behindert haben.
- Es müssten stimmige und verlässliche Berechungsmethoden für den Ausstoss von Treibhausgasen im Tourismus angewendet werden. Dabei gehe es auch um die Offenlegung der Sozial- und Umweltbilanz durch Mittel wie den ökologischen Fussabdruck oder der Ökobilanz. Sie sollten zur Sensibilisierung der Reisenden eingesetzt werden.
- Marktbasierte Mechanismen und falsche Lösungen wie CDM, REDD (Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern), Agrotreibstoffe und Emissionshandel seien inakzeptabel. Angesichts der dramatischen Beschleunigung des Klimawandels müssten die Industrieländer (Annex I –Länder) ihren Ausstoss dort verringern, wo er entsteht – bei ihnen.
- Es gehe nicht an, dass Tourismus und Luftfahrt Gelder aus dem Klimahandel oder den CMD für die nötigen Anpassungen an die Klimaerwärmung erhielten. Sie sollten diese Anpassungen aus ihrem Kerngeschäft finanzieren. Da die bisherige unternehmerische Sozial- und Umwelt-Unverantwortlichkeit nicht zur Verringerung der Emissionen geführt hätten, seien Regulierungen der Freiwilligkeit vorzuziehen.
- Für den Klimaschutz im Tourismus brauche es eine tief greifende Reform der bisherigen Modelle von Massentourismus. Die Regierungen müssten sich dafür engagieren, dass der ökologische Fussabdruck des Tourismus kleiner werde: Stärkeres Augenmerk gelte es dafür auf kleine, faire, gerechte, auf die Bedürfnisse der Lokalbevölkerung abgestimmte und unter ihrer Mitwirkung ausgearbeitete Projekte zu legen.
- Stark vom Tourismus abhängige Länder müssten alternative Einkommensquellen erschliessen.
- Katastrophenschutzmassnahmen sollen ins Alltagsgeschäft der Tourismusbranche integriert werden, inklusive Mechanismen für den zivilen Schutz, den Schutz von Frauen und Kindern im Tourismus und, und Arbeitsstandards für die Angestellten im Tourismus.
- Ein faires und gerechtes Tourismusmodell müsse entwickelt werden. Gerechte Arbeitsbedingungen auf der Basis arbeiterfreundlicher Standards seien ebenso Teil davon wie der gerechte Anteil der lokalen Gemeinden am Profit.
Lesen Sie das ganzeDokument "Climate Change and Tourism: Call for Action by Civil Society Groups" auf Englisch (pdf)
Unterzeichnet wurde das ECOT Dokument von: Acció per un Turisme Responsible (ATR), Alba Sud, Alternative Tourism Group (ATG), Asian Muslim Action Network, Asian Tesource Foundation, Caritas Asia, Christian Conference of Asia, Coastal Development Partnership (CPD), Commission on Justice, Peace and Creation of National Council of Chruches India (NCCI), Echoway, EQUATIONS, Imagine Peace, KABANI- the other Direction, Korea Anabaptist Centre, Mangrove Action Project (MAP), Pacific Conference of Chruches (PCC), Peace for Life (PfL), Christian Chruch of Bali (GKPB), Sekolah Tinggi Ilmu Manajemen Dhyana Pura (STIM DP-School of Advances Scientific Management).
Bilder: ECOT www.ecotonline.org