Kommentar: Die USA begehen einen monumentalen Fehler
Die Gerüchte hatten sich schon seit längerem verdichtet, seit Montag ist es eine Gewissheit: US-Präsident Donald Trump hat per Dekret die Naturschutzgebiete Bears Ears und Grand Staircase-Escalante im Bundesstaat Utah massiv verkleinert – Bear Ears um 85 Prozent und Grand Staircase um fast 50 Prozent. Letzteres ist das grösste "National Monument" der USA ausserhalb Alaskas.
Trump erklärte, dass es nicht Sache von Bürokraten in Washington sei, darüber zu urteilen, wie die Einwohner Utahs mit ihren natürlichen Ressourcen umzugehen haben. Konkret hat er mit seinem Dekret Naturschutzgebiete, welche von seinen demokratischen Vorgängern Barack Obama und Bill Clinton eingerichtet wurden, damit grösstenteils der Übersicht des Staates entzogen.
Konkret geht es hier wie gesagt um "National Monuments", also vom Staat designierte Naturschutzgebiete oder Gedenkstätten, welche vom National Park Service verwaltet werden. Der Unterschied zu den Nationalparks liegt darin, dass diese ohne Zustimmung des Kongresses vom US-Präsidenten eingerichtet werden können. Das heisst aber auch, dass sie von anderen Präsidenten relativ leicht wieder aus dem Schutz entlassen werden können.
Barack Obama war lange von amerikanischen Ureinwohnern und Naturschützern lobbyiert worden, um das Gebiet von Bears Ears unter Schutz zu stellen. Zahlreiche heilige Stätten von diversen Stämmen liegen im Gebiet, aber auch wertvolle Dinosaurier-Fossilfundstätten. Daneben können Naturschutzgebiete von Touristen und Einwohnern gleichermassen für die – geregelte – Freizeitgestaltung genutzt werden. Farmern ist es jedoch untersagt, ihr Vieh auf solchen Gebieten weiden zu lassen, und auch das Jagen und Fischen ist verboten oder zumindest streng reglementiert. Trump argumentierte, dass nun die Einwohner Utahs dort wieder frei jagen und fischen können. Der Hintergrund ist aber wohl ein anderer: Lobbyisten aus der Energie-Industrie, vor allem natürlich jener aus Utah, drängten von Beginn weg darauf, die Schutzbezeichnungen rückgängig zu machen.
In der Quintessenz bedeutet das Dekret, dass die Energie-Industrie auf dem wieder bundesstaatlich oder sogar privat reglementierten Land ihrer Tätigkeit nachgehen darf. Im Gebiet von Grand Staircase-Escalante sind massive Kohlereserven zu finden, manche fürchten, dass auch nach Öl und Gas gebohrt oder gefrackt werden könnte. Mit den bekannten verheerenden Folgen für Natur und Umweltschutz, sowie für die Kultur der Ureinwohner. Gewisse Stämme und Interessengruppen versuchen nun auf dem Rechtsweg, das Dekret rückgängig zu machen oder auch die Gebiete zumindest in ihrer reduzierten Form zu Nationalparks umzufunktionieren. Mit republikanisch dominierten Parlaments- und Justizinstanzen auf Bundesebene vermutlich ein aussichtsloser Kampf.
Nur die Spitze des Eisbergs
Dass Trump unter dem Vorwand der freiheitlichen Selbstverwaltung vor allem die Interessen der Industrie (und indirekt seiner Kampagnen-Geldgeber) fördert, ist längst bekannt. Wer nun glaubt, die Bevorzugung des Rohstoff-Sektors gegenüber der Natur und den Dienstleistungs-Sektoren sei mit diesem Dekret abgeschlossen, irrt gewaltig. Trump hat Innenminister Ryan Zinke nämlich angewiesen, ganze 27 National Monuments unter die Lupe zu nehmen – sprich zu definieren, ob diese im Interesse lokaler Einwohner und vor allem Geschäfte reduzierbar sind. Zinke hat bereits angekündigt, dass auch Gold Butte (in Nevada) und Cascade-Siskiyou (Oregon) reduziert werden sollen. Ebenso soll in Maine die Holzindustrie in National Monuments wieder ihrer Tätigkeit nachgehen dürfen, während in New Mexico bei zwei noch nicht näher definierten National Monument die Weidewirtschaft sowie das Jagen wieder erlaubt sein sollen.
Am Wochenende, von den Medien weit weniger beachtet, wurde aber auch eine Steuerreform mit zahlreichen Zusatzdekreten im grössten US-Bundesstaat Alaska durchgeboxt. Vielleicht aus Sicht der Tourismusindustrie erfreulich: Eine angedachte Steuererhöhung für Kreuzfahrtschiffe wurde gestrichen. Aus Sicht von Ökologen ist dies aufgrund der hohen Emissionen der Meeresgiganten nicht unbedingt erfreulich. Noch viel Schlimmer ist aber, dass im Küstengebiet des Arctic National Wildlife Refuge jetzt offiziell nach Öl und Gas gebohrt werden soll. Alaska hat in den letzten zwei Jahren stark unter den Rückgängen im Ölgeschäft gelitten und natürlich diesen Schritt begrüsst. Die Steuerreform ist noch nicht durch, die Chancen stehen aber gut, dass nach fast vierzig Jahren Kontroverse bald erstmals im Arctic NWR gebohrt werden darf.
Natürlich geht es bei Trump um "Jobs, Jobs, Jobs" und die Stärkung von grossen Industriezweigen. Nur sind die aktuellen Gesetzesvorschläge einfach kurzsichtig. Fossile Brennstoffe sind keine Energiequellen der Zukunft. Jetzt noch grosse Naturgebiete dieser invasiven Energiegewinnung auszusetzen, ist der falsche Weg. Investitionen in nachhaltige Energieformen wären besser. Dabei kann man auch nachhaltigen Tourismus fördern, welche diesen abgelegenen Zielen auf lokaler Ebene Einkünfte bringt (Guides, Unterkünfte etc.), die auch vor Ort bleiben und nicht in die Koffer irgendwelcher Corporations wandern. Das Potenzial der (nachhaltigen) Tourismusindustrie wird komplett unterschätzt. Die USA opfern Teile ihres grössten touristischen Schatzes, nämlich der fantastischen Natur in grossen, dünn besiedelten Gebieten, zugunsten absehbar kurzfristiger Gewinne in beweisbar ökologisch destruktiven Industrien.
Damit erweisen sie ihren eigenen Einwohnern und ihrer ohnehin seit Amtsantritt Trumps zunehmend angeschlagenen Tourismusindustrie einen, tja, Bärendienst.