Konrad J. Kuhn: Fairer Handel und Kalter Krieg. Selbstwahrnehmung und Positionierung der Fair-Trade-Bewegung in der Schweiz 1973-1990
Was hat denn der Faire Handel bloss mit dem Kalten Krieg zu tun, mag sich die Leserschaft im Jahr 2005, gut 15 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, fragen. Wie stark sich die Fair Trade Bewegung als Solidaritätsbewegung mit der „Dritten Welt“ und für eine andere Aussen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik der Schweiz im Spannungsfeld der Blöcke des Kalten Krieges bewegte und davon geprägt wurde, zeigt Konrad J. Kuhn in seiner Lizentiatsarbeit, die nun von der Edition Soziothek veröffentlicht einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird. Kuhn untersucht diese spannungsgeladenen Beziehungen im Wesentlichen zwischen 1973 und 1990 am Beispiel des Kaffees, dem „Klassiker“ des Fairen Handels, der die ungerechten Welthandelsbeziehungen – Rohstoffpreisentwicklung, Handelsmonopolisierung, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, um nur diese Stichworte zu nennen – exemplarisch illustrierte, anhand von Bananen sowie der Aktion „Jute statt Plastic“. Als Grundlage wertete er insbesondere die Archive der Erklärung von Bern sowie der Organisation Schweiz – Dritte Welt (OS3) aus. Die Fair Trade Bewegung entstand aus der Kritik an der ungerechten Weltwirtschaftsordnung. Die Idee der späten 60er bzw. frühen 70er Jahre, dem herkömmlichen Kaffee einen „alternativen“ Kaffee aus „gerechtem Handel“ entgegenzustellen, hatte Sprengkraft. Umso mehr als der „Ujamaa-Kaffee“ der ersten Aktionen aus dem sozialistischen Tansania stammte wie später, zu Beginn der 80er Jahre, der „Nica-Kaffee“ und die Bananen aus dem sozialistischen Nicaragua. Genau so anrüchig für die Wirtschaftskreise der „neutralen“ Schweiz wurde die „Jute statt Plastic“-Aktion gewertet, der 1975 unter der Federführung der Erklärung von Bern gestarteten Kampagne, die gleichzeitig auf die Umweltprobleme des Plastic wie auf entwicklungspolitische Probleme hinweisen wollte. Im Vordergrund standen dabei, wie bei den anderen „Konsum“-Aktionen, die Informations- und Sensibilisierungsarbeit für die KonsumentInnen. Doch die „Jute statt Plastic“-Aktion geriet unversehens zum Verkaufshit. So protestierten Wirtschaftskreise denn auch lautstark, unter anderem mit einer Beschwerde bei der „Schweizerischen Kommission zur Überwachung der Lauterkeit in der Werbung“ gegen die Bezeichnung „Handarbeit aus Bangladesh“, was doch mit Nähmaschinen gefertigt und vielleicht gar nicht in Bangladesch, sondern aus Billigproduktion in Hongkong stamme – eine Beschwerde, die auf Kreise um den „unheimlichen Patrioten“ Rudolf Farner zurückzuführen war. Auch aus Umwelt- und Entwicklungskreisen erntet die Erklärung von Bern als Autorin der „Jute statt Plastic“-Aktion geharnischte Vorwürfe, Jute aus Bangladesh oder Ujamaa-Kaffee habe nichts mit dem propagierten „einfacheren Lebensstil“ tun, sondern vorab mit der Beruhigung des schlechten Gewissens. Als 1979 bei der Beendigung der äusserst erfolgreichen Aktion der unverhoffte Reingewinn aus dem Verkauf der Jutetaschen verteilt wurde –ein Teil davon ging an die neu gegründeten NGOs Aktion Finanzplatz Schweiz-Dritte Welt und Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung für dies Bereitstellung von Informationen für die Kampagne – sprach die Schweizerische Handelszeitung von „Zweckentfremdung eines grossen Teils der Aktionsgelder“. Kuhn zeigt in seiner Aufarbeitung der Archive, wie vergiftet das Klima war und wie schnell Aktionen als politisch verdächtig diffamiert wurden, die heute allseits als wesentliche Elemente des Aufbaus des Fairen Handels anerkannt werden.
Edition Soziothek, Bern 2005, 128 Seiten, SFr. 32.-, ISBN 3-03796-085-X