Der Mittelpunkt des Konferenzzentrums in Kopenhagen war eine grosse Weltkugel. Wann immer ich während der zwei Verhandlungswochen daran vorbei ging, hatten Klimadiplomaten dort ihren inszenierten Fotoauftritt. Gebeugt wie Atlas, schulterten sie für die Medien zu Hause die Erde: "Schaut her, ich bin dabei, die Welt zu retten".
Und nun am Ende der Konferenz, dieses Fiasko. Kopenhagen ist ein gescheiteter Gipfel. Da gibt es nichts schönzureden. Kopenhagen ist nicht einfach eine verpasste Chance. Es ist das kollektive Versagen der höchsten politischen "WürdenträgerInnen" der Welt.
Viele schöne Worte
Wortgewaltig sind sie aufgetreten, mit grossen Gesten und theatralischem Gehabe, die mehr als 120 Regierungschefs und Chefinnen. In keiner Rede fehlten die Sätze: "Die Klimaveränderung ist die grösste Herausforderung des 21. Jahrhunderts". "Die Zeit des Redens ist vorbei, jetzt gilt es zu Handeln".  "Es geht um nichts Geringeres als um die Zukunft unserer Kinder". "Wir dürfen nicht versagen".
Nach drei Tagen und Nächten hektischen Stillstandes legten die 30 Mächtigsten auf der Weltbühne den "restlichen" Verhandlungsstaaten ein Papier auf den Tisch, "Copenhagen Accord" genannt. Es muss für einen wirksamen Klimaschutz als wertlos bezeichnet werden. Grotesker noch: Ihre eigene politische Erklärung, die sie vorlegten, nahmen sie zu Kenntnis und kritisierten sie anschliessend als ungenügend: "Sie reicht nicht aus, um die Bedrohung des Klimawandels zu bekämpfen", so der US-Unterhändler. Wie wahr….
Politischer Wille fehlt
Die Bilanz ist bitter. Trotz den eindringlichen Warnungen der Wissenschaft, die Zeit dränge, trotz dramatischen Appellen aus den Entwicklungsländern und den vom Untergang bedrohten Inselstaaten, steht die Weltgemeinschaft mit leeren Händen da.
In Kopenhagen wurde verfehlt, was die 193 Länder bereits vor zwei Jahren auf Bali versprochen und verabredet hatten: Das Kyoto-Protokoll, das 2012 ausläuft, weiterzuschreiben. Waren damals noch ein gemeinsamer Wille und gegenseitiges Vertrauen vorhanden, herrschten jetzt Egoismus und Misstrauen. Den Industriestaaten, allen voran den USA, hat es an ernsthafter Bereitschaft gemangelt, ihre Emissionen rasch und drastisch zu senken. Sie waren nicht gewillt, ihre historische Verantwortung für die Klimaerwärmung wahrzunehmen. China will seine stark wachsende Wirtschaft nicht durch ein Klimaschutz-Abkommen "behindern".
Der Graben zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer war unüberbrückbar. Von Solidarität und Gerechtigkeit hat man in Kopenhagen kaum etwas gehört.
Fazit: es gibt kein verbindliches Abkommen, das den Klimawandel wirkungsvoll bremsen würde. Es fehlen die entscheidenden Reduktionsziele der Industrieländer, es fehlen die Finanzen für die Hilfe an die Entwicklungsländer und es fehlt die Verpflichtung der Schwellenländer, ihre angekündigten Anstrengungen überprüfen zu lassen.
Es ist nur noch zynisch, wenn im Papier beschwörend festgehalten wird, das Klima dürfe sich um nicht mehr als 2 Grad Celsius erwärmen, und man sich gleichzeitig nicht bereit zeigt, in die dazu notwendigen kurz- und langfristigen CO2-Reduktionsziele einzuwilligen. Im Klartext bedeutet das: Die Klimakatastrophe wird wissentlich und willentlich in Kauf genommen, denn mit dem "Weiter wie bisher" wird ein Temperaturanstieg von drei bis vier Grad unausweichlich: Die Gesetze der Physik sind nicht verhandelbar.
Drohender Stillstand
Jetzt droht Stillstand in der globalen Klimapolitik. Die Zeit wird knapper. Die Folgen werden nicht die Verhinderer als erste tragen müssen. Opfer sind einmal mehr die armen und schutzlosen Menschen in den schon heute besonders vom Klimawandel betroffenen Entwicklungsländern. Der Vertreter einer Pazifischen Insel hat es treffend gesagt: "Kopenhagen ist ein Verrat an den Armen, ein Verrat an den besonders verletzlichen Ländern, ein Verrat an den kleinen Inselstaaten und an allen Kindern und Enkelkindern dieses Planeten".
Das Problembewusstsein der kritischen und besorgten Weltöffentlichkeit ist offensichtlich weiter als die Handlungsbereitschaft der Politik. Deshalb ist es so wichtig, dass die Zivilgesellschaft und die Nicht-Regierungsorganisationen, die sich in Kopenhagen für eine weltweite Klimapolitik "von unten" stark gemacht haben, ihren Druck auf die Regierungen zu Hause fortsetzen. Wir werden jedenfalls den Bundesrat nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Die Schweiz muss jetzt eine Klimapolitik verfolgen, die ein echter Beitrag zum globalen Klimaschutz ist. Nur so hat die Staatengemeinschaft noch eine Chance den "Nodudgang" zu finden, der in Kopenhagen vergebens über dem Haupteingang des Kongress-Zentrums stand.
Dieser Beitrag erschien im Newsletter Dezember 2009 der Alliance Sud; http://alliancesud.ch/. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.