Korallenriffe: Schützen, bevor es zu spät ist
Basel, 14.07.2009, akte / In den letzten 30 Jahren ist die Fläche der tropischen Korallenriffe um über 30 Prozent zurückgegangen. Heute ist ein Drittel aller riffbildenden Arten akut gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Bis ins Jahr 2030 droht der Verlust von 60 Prozent der weltweiten Korallenriffe.
Klimawandel wirkt wie eine Planierraupe
Die Korallenriffe gehören zu den ältesten und artenreichsten Ökosystemen der Erde. Sie machen weniger als 0,2 Prozent der Ozeane aus, beherbergen aber ein Viertel aller Fische und anderer Tierarten im Meer, die in einer komplexen und fragilen Symbiose zusammenleben. Die Artenvielfalt der Korallenriffe ist jener der tropischen Regenwälder vergleichbar. Doch unter den Auswirkungen des Klimawandels werden die farbenprächtigen, feinverästelten Korallenriffe wie unter einer Planierraupe plattgewalzt. Das zeigt eine neue Studie der University of East Anglia (UEA) über die Lage in der Karibik: Die Karibik-Korallenriffe haben über die letzten Jahre weitgehend ihre filigrane Struktur verloren; 75 Prozent aller Riffe im tropischen Teil des West-Atlantiks sind schon abgeflacht, in den 1970er Jahren war es noch 20 Prozent. Bereits eine minimale Erwärmung der durchschnittlichen Wassertemperatur kann das symbiotische Zusammenleben der zahlreichen Lebewesen im Riff empfindlich stören. Korallenstöcke bleichen aus, werden anfällig für Parasiten – etwa artfremde Seesterne oder Algen, die sie auslaugen – und sterben ab. Die mit dem Klimawandel verbundene Versauerung der Ozeane trägt das Ihre dazu bei. Denn die Weltmeere nehmen einen Teil des Treibhausgases CO2 der Erdatmosphäre auf, täglich schätzungsweise 22 Millionen Tonnen. Zum Glück: ohne Ozeane hätten wir heute schon das für das Jahr 2050 prognostizierte Klima. Doch mit dem Anstieg des Treibhausgases löst sich immer mehr CO2 im Wasser und wird – wie wir es vom Mineralwasser kennen – zu Kohlensäure. Diese löst wiederum Kalk auf und ist pures Gift für kalkhaltige Organismen wie Korallen, Muscheln, Meeresschnecken oder manche Plankton- und Algenarten.
100 Millionen Menschen gefährdet
Das Absterben der Korallenriffe zieht einen ganzen Rattenschwanz gravierender Folgen nach sich. Denn Korallenriffe sichern heute den Lebensunterhalt von mindestens 100 Millionen Menschen. Die Riffe schützen Küsten und vor allem auch niedrig liegende Inseln wie etwa die Malediven vor Erosion und Überschwemmung, was mit dem derzeit infolge der Erderwärmung ansteigenden Meeresspiegel immer wichtiger wird. Und sie gewährleisten Einkommen im Fischfang oder auch im Tourismus. Doch gerade der industrielle Fischfang mit Schleppnetzen und anderen zerstörerischen Fangmethoden gefährdet die Korallenriffe massiv. Dazu kommen Wasserverschmutzung und Raubbau an Riffen in Küstennähe – nicht selten auch durch touristische Anlagen und Tauchexpeditionen, die von der Attraktion der Korallenriffe leben.
Geschützte Riffe regenerieren sich schneller
Schutzmassnahmen in Korallengebieten zeitigen Wirkung: Eine neue Studie der Wildlife Conservation Society (WCS) zeigt, dass sich Korallenriffe in Tansania nach einer massiven Korallenbleiche im Jahr 1998, die 45 Prozent der Korallen zerstörte, dank der Schaffung mariner Schutzgebiete relativ schnell erholen konnten. Weltweit steht heute jedoch weniger als ein Prozent der Ozeane unter Schutz, während bereits zwölf Prozent der globalen Landmasse Naturschutzbestimmungen unterliegen. Bis 2012 soll nun ein Netzwerk von Schutzzonen errichtet werden. Indonesien etwa will 20 Millionen Hektaren rund um seine 17’500 Inseln schützen und damit das weltweit grösste Meeresreservat einrichten. Zukunftsweisend sind dabei vor allem auch die Errichtungen von Biosphärenreservaten, welche Gewässer in Küstennähe und Küsten so schützen, dass sie der ansässigen Bevölkerung eine schonende Nutzung der natürlichen Ressourcen mit traditioneller Bewirtschaftung ermöglichen und diese gezielt fördern. Erprobt wird ein solch innovatives Biosphärenreservat derzeit etwa an der Küste von Ceará im Nordosten Brasiliens, wobei es nicht spezifisch um den Schutz von Korallenriffen, sondern um den neuen integrierten Ansatz von Meeres- und Küstenschutz geht.
Engagement von Tourismusanbietern und Reisenden dringend nötig
Gefordert ist indes nicht allein die Politik. Auch die Tourismusbranche muss aktiv zum Schutz der wertvollen Korallenriffe beitragen, um die kostbaren Lebensräume zu erhalten – dies mit gezielten Aktionen zum Schutz der Korallen und mit umfassenden Massnahmen im Bereich des Klimaschutzes und der Umweltverträglichkeit ihrer Angebote. Derweil kann heute schon jeder Tourist und jede Touristin selber aktiv mithelfen, die faszinierenden Tauchgründe der Korallenriffe zu schützen und dabei den Artenreichtum und die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen zu erhalten. Beachten Sie auch unsere fairunterwegs-Tipps für Reisende zum Schutz der weltweiten Korallenriffe und unser Merkblatt zum Thema.
Quellen: Stuttgarter Zeitung, 05.07.2009; SonntagsZeitung 21.06.2009; DiePresse.com 10.06.2009; Celebrate World oceans Day: Be a Blue Tourist, Newsletter SeaWeb.org, 08.06.2009; Beobachter Natur 2/2009; Pressetext.ch 28.04.2009; www.wcs.org; www.icriforum.org; Naturschutzbund Deutschland Dezember 2008, www.nabu.de