Helle Empörung herrscht in Südkorsika ob den markigen Sprüchen des Mailänder Geschäftsmannes und Tourismuspromoters Ernesto Preatoni. Auf seine Einladung durfte eine handverlesene Schar von JournalistInnen seine Privatinsel Cavallu, die sich offiziell auf Gemeindeboden der südkorsischen Stadt Bonifazio befindet, besuchen. Die Promotionstour hatte zum Ziel, kapitalkräftigen Investoren vom französischen Festland, aus Italien, Ägypten und den USA Villas und Eigentumswohnungen mit dem stolzen Quadratmeterpreis von 25’000 bis 30’000 Francs schmackhaft zu machen. Den potentiellen KäuferInnen winkt gleichzeitig ein Anteil am nahegelegenen Golfplatz von Sperone. Allein Sperone, eine mehrere Hundert Hektaren grosse Anlage mit Luxusvillen, einem Erstklass-Hotel mit Thalassotherapiezentrum und einem 18-Loch-Golfplatz, ist in Südkorsika ein Reizwort, spätestens seit im vergangenen Frühling dort eine Spezialtruppe der französischen Polizei ein FLNC-Kommando während eines Überfalles überraschte und 14 Mann festnahm. Vollends zum Kochen brachte der Immobilienhändler Ernesto Preatoni aber die Gemüter mit seinem unverhohlenen Appetit auf weitere Tourismusprojekte in Korsika: Cavallo – wie er provokativ die Insel umbenannt hat – sei ein Spielzeug, und wie er sich selber kenne, hätte er sicherlich bald Lust auf neue Spielzeuge. Die Bevölkerung Korsikas, weit über die militanten nationalistischen Kreise hinaus, sieht mit wachsendem Überdruss, wie ganze Küstenstreifen von meist ausländischen Immobilienfirmen zu Luxusoasen für begüterte ausländische TouristInnen ausgebaut werden, und ihr der Zugang zum Strand verwehrt wird. In den letzten Monaten ist eine ganze Reihe touristischer Einrichtungen zur Zielscheibe von Sprengstoffanschlägen geworden. Der Widerstand wächst, Korsika soll nicht zum «Bronzodrôme» Europas werden, zum «Hôtel de passe» für die Milliardären-Mafia. Letztlich geht es um das Recht auf Selbstbestimmung über die eigene Zukunft, stellt U Ribombu, die Zeitung der politischen Bewegung Corsica Nazione, fest und fordert einmal mehr einen kohärenten Gesamtentwicklungsplan für die Insel, in den auch der Tourismus integriert werden müsse, sowie die Erarbeitung eines griffigen Investitionsgesetzes, das der Immobilienspekulation den Riegel schieben könne. Denn die Bevölkerung werde nicht lange weiter zuschauen, wie Korsika an den Meistbietenden verhökert werde.

U Ribombu 22.9., 21.4., 31.3.94; Rouge 28.7.94, NZZ 27.7., 6.7.94; Le Monde 19.4.94/cp