Die von Schweizer Unternehmen gesteuerten Kreuzfahrtschiffe stossen über 2 Millionen Tonnen CO2 aus. Das entspricht 5,5 Prozent des CO2-Ausstosses der Schweiz (2021: 35 Millionen Tonnen).
Kreuzfahrten in Kombination mit einem Flug sind die kohlenstoffintensivste Form des Massentourismus (Gössling et al., 2024). Werden Flugreisen miteinkalkuliert, kann eine durchschnittliche Kreuzfahrt innerhalb einer Woche praktisch gleich viele CO2-Emissionen verursachen, wie ein*e Durchschnittsschweizer*in an Treibhausgasen pro Jahr im Inland ausstösst (rund 5 Tonnen). Müssten die Kreuzfahrtunternehmen auf ihre 2 Millionen Tonnen CO2-Ausstoss die Schweizer CO2-Abgabe bezahlen (120 CHF pro Tonne), kämen 250 Millionen CHF ins Klimatöpfli.
Flüssigerdgas (LNG) ist keine Lösung – im Gegenteil
Um CO2 einzusparen, setzen immer mehr Kreuzfahrtunternehmen auf Flüssigerdgas (LNG). MSC Cruises schwimmt auf dieser Welle vorne mit. Dass ein Schiff mit LNG betrieben wird, wird gerne als positiver Schritt in Richtung nachhaltiger Kreuzfahrt angepriesen, ist aber höchstproblematisch fürs Klima (mehr dazu im Kapitel Greenwashing bei Schweizer Kreuzfahrtunternehmen): Zwar werden einige Luftschadstoffe und CO2-Emissionen verringert, stattdessen wird aber Methan (CH4) freigesetzt, ein starkes Treibhausgas. Mit einer Erwärmungswirkung, die 82,5-mal stärker ist als die von CO2, ist Methan heute einer der grössten Treiber des Klimawandels. Nur schon im Vergleich zu 2019 scheinen sich die Methanemissionen bereits verfünffacht zu haben.
Constance Dijkstra, Shipping Campaigner - LNG & Biofuels bei Transport and Environment sagt dazu:
«Ich erkenne zwar an, dass Anstrengungen unternommen werden, um an Bord Energie einzusparen, doch ist der Wechsel des Treibstoffs die grösste Veränderung. Im Fall der Kreuzfahrtindustrie ist das besonders besorgniserregend, da sie eindeutig auf Flüssigerdgas umsteigt: 45 % der Kreuzfahrtschiffe in den Auftragsbüchern werden mit LNG betrieben.
Dabei sind alle mit LNG betriebenen Kreuzfahrtschiffe mit einem Zweistoffmotor ausgestattet. Das bedeutet, dass sie entweder LNG oder einen herkömmlichen Schiffskraftstoff (wie HFO – Billigtreibstoff oder Diesel) verwenden können. Das ist praktisch, da ein Hafen möglicherweise nicht über die Infrastruktur zum Speichern von LNG verfügt. –Und: Als der Preis für LNG erheblich anstieg (etwa nach Beginn des russisch-ukrainischen Krieges), stellten mehrere Kreuzfahrtschiffe die Verwendung von LNG ein und kehrten zu Dieselöl zurück.»
Viking Cruises geht einen anderen Weg
«Im Gegensatz zur grossen Mehrheit der Kreuzfahrtschiffe hat Viking Cruises beschlossen, NICHT auf LNG zu setzen und stattdessen sechs Kreuzfahrtschiffe bestellt, die mit Flüssigwasserstoff betrieben werden. Die Schiffe werden auch mit einer 6-MW-Brennstoffzelle ausgestattet, die ausreichen soll, um alle Hoteldienstleistungen zu erbringen und das Schiff mit einer Geschwindigkeit von 10 Knoten anzutreiben. Das ist eine interessante Entwicklung, aber man darf nicht vergessen, dass Viking Cruises wahrscheinlich ein ganz anderes Geschäftsmodell hat als die grossen Kreuzfahrtschiffe» – Constance Dijkstra, Transport & Environment
Landstrom als Lösung?
Im Jahr 2030 wird es laut der NGO Transport & Environment in den größten Häfen der EU obligatorisch sein, über eine landseitige Stromversorgung zu verfügen. Kreuzfahrtschiffe müssen sich dann an das Stromnetz anschliessen und den Strom nutzen, anstatt sich auf ihren Treibstoff zu verlassen (mit einigen Vorbehalten hier und da). Dies ist eine gute Sache, um die Auswirkungen der Schiffe auf die Luftverschmutzung (und auch die Treibhausgasemissionen) zu verringern. Es gibt aber auch mehrere Haken an dem Plan:
Aktuell sind laut einem Bericht vom Branchenverband CLIA aus dem Jahr 2023 gerade einmal 30 % der Kreuzfahrtschiffe für den Anschluss an die Landstromversorgung ausgerüstet, weitere 30 % werden derzeit aufgerüstet.
Stefan Gössling, Tourismusprofessor sagt zum Landstrom: «Je größer das Schiff, desto höher die Leistung, die es sehr kurzfristig benötigt. Das sind riesige Mengen an Strom, die auf einmal gebraucht werden – für jede kleinere Kommune in der Peripherie ein Problem, das gar nicht so schnell gelöst werden kann».
«Kreuzfahrten gehören eingeschränkt»
Stefan Gössling ist Professor für Tourismus und Humanökologie an der Linnaeus-Universität und Lund Universität in Schweden und arbeitet im Westnorwegischen Forschungsinstitut im Bereich nachhaltiger Tourismus. Als Experte für Klimapolitik und Verkehrspolitik forscht er intensiv zu den Auswirkungen von Reisen auf Umwelt und Klima.
Vera Thaler: MSC setzt darauf, «den saubersten Schiffskraftstoff (LNG) einzusetzen, der heute in ausreichendem Masse zur Verfügung steht, den Wasserverbrauch mit der fortschrittlichsten Technologie zur Reinigung des Meerwassers zu reduzieren und die Lautstärke der Propeller zu senken». Was ist von diesen Massnahmen zu halten?
SG: Das sind alles keine Lösungen, bestenfalls Übergänge, sofern das LNG nicht synthetisch hergestellt wird. Das braucht aber grosse Mengen erneuerbaren Strom und entsprechende Investitionen in Anlagen. Ich sehe nicht, dass eines der Kreuzfahrtunternehmen technisch schon einen grossen Sprung nach vorne gemacht hat.
Das ganze Gespräch mit Prof. Stefan Gössling
VT: Man liest von den ersten «CO2 neutralen» Kreuzfahrtschiffen. Auch MSC Kreuzfahrten ist fest entschlossen, bis 2050 im Schiffsbetrieb keine Treibhausgasemissionen mehr zu verursachen. Sind solche Versprechen leere Worthüllen, oder ist das ein realistisches Ziel?
Stefan Gössling: Wir sollten aufhören 2050 als Ziellinie zu betrachten, denn das sollte nicht das Jahr sein, auf das wir uns beziehen, wenn wir nach Lösungen suchen. Wir sehen jetzt schon, wie verheerend Klimawandel lokal wirkt. Bis zum Jahr 2030 müssen sämtliche Emissionen halbiert sein im Vergleich zu 1990 (Paris Abkommen, 2015). Das bedeutet, dass wir nicht auf die ferne Zukunft verweisen können. Massnahmen, die sofort umgesetzt werden könnten, wären der Verzicht auf Angebote im Fernreisemarkt, bzw. der vollständige Verzicht auf Schweröl.
VT: Kann es denn überhaupt umweltverträgliche Kreuzfahrten geben?
SG: Die meisten Leute verstehen nicht, dass jede einzelne Tonne zählt und selbst die engagiertesten Veranstalter grosse Emissionen verursachen. Aus wissenschaftlicher Perspektive haben wir keine Freiräume mehr – alle Aktivitäten, die grosse Treibhausgasemissionen verursachen, müssen baldmöglichst reduziert werden.
«Ganz ehrlich: Ich habe ein Riesenproblem mit meinem Job»
Kerstin Langenberger arbeitet sie als Naturfotografin und Guide auf Expeditionsschiffen in der Arktis – eine Industrie, die rasant wächst und für ihre negativen Auswirkungen bekannt ist. Gleichzeitig verzichtet sie seit Jahren aufs Fliegen, auch fährt sie kein Auto. Selbst zu ihren Arbeitseinsätzen im hohen Norden reist sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Hier erzählt Kerstin, wie sie mit diesem Spannungsfeld umgeht.
Autorin: Vera Thaler
Vera Thaler, Fachverantwortliche Tourismus und Entwicklung bei fairunterwegs, arbeitete zwischen 2017-2019 als Natur-Guide für verschiedene Expeditions-Kreuzfahrtunternehmen in der Arktis und Antarktis. Auf Reisen nach Spitzbergen, Grönland und dem Südpolarmeer hat sie viele der komplexen sozialen und ökologischen Probleme im Zusammenhang mit der rasant wachsenden Industrie mit eigenen Augen gesehen. Die Arbeit auf Expeditionskreuzfahrtschiffen in ökologisch sensiblen Gebieten hat ihr Verständnis für diesen boomenden Tourismussektor weiter vertieft, ebenso wie die Dringlichkeit, umweltfreundliches, sicheres und verantwortungsvolles Reisen in fragiler Natur zu gewährleisten.