Die Kreuzfahrerei belastet das Meer mit Stickstoff, Schwefel, Abwasser und vielem mehr. Schweizer Reedereien liegen bei der Umweltverschmutzung im Mittelfeld.

Dass das Bewegen von Kreuzfahrtschiffen, die über 100’000 Tonnen schwer sein können, erhebliche Mengen an CO2 verursacht, leuchtet ein. Dass auch das aquatische Ökosystem  angegriffen wird, realisieren die Menschen weniger. «Ausser die Fische springen auf der Flucht vor überdüngtem und sauerstoffarmen Wasser auf den Strand», bemerkt die Meeresschutzreferentin Stefanie Sudhaus.

Die wichtigsten Ursachen für die Verschmutzung der Meere durch die Kreuzfahrt sind:

Schwefeldioxid (Sox) und Stickoxid (Nox) wirken nicht nur in der Luft. Gelangen sie durch Niederschlag oder Abgas-Filtersysteme gar direkt ins Wasser, sorgen sie dort je nach chemischer Zusammensetzung für eine Überdüngung der Gewässer oder für eine Übersäuerung.

Abfälle aller Art (Fäkalien, Chemikalien, Medikamentenrückstände, Mikroplastik): Kreuzfahrten schiffen nicht nur Tourist*innen und Staff über die Meere der Welt, sondern auch Bakterien, Medikamente und invasive Lebewesen. Das Problematische: Sie gehen mehr als nur gelegentlich über Bord. Sie stellen eine Bedrohung für die Biodiversität dar oder gelangen in die Nahrungskette.

Bilgewasser: Bilgewasser ist in den Schiffsrumpf eingedrungenes Wasser, das sich dort ansammelt und mit Öl und weiteren Chemikalien vermischt. Es verschmutzt die Meere stärker als akute Öllecks und Schiffskollisionen.

Unsaubere Schweiz 

Die beiden grossen Schweizer Kreuzfahrtunternehmen MSC Cruises und Viking liegen in Sachen Meeresverschmutzung beim Rating von Friends of the Earth auf Platz 5 (MSC Cruises mit der Note D-) respektive Platz 12 (eine F) von 18 Plätzen (die Noten gingen von A bis F), wobei keine Gesellschaft gut oder auch nur genügend (A oder B) abschneidet.

Das Säureproblem

MSC Cruises emittierte 2022 1’918 Tonnen Schwefelgase. Obwohl für Viking Cruises keine konkreten Zahlen zu finden sind, zeichnet die Schlechtestnote F für 9 von 10 Schiffen der Schweizer Reederei in der Cruise Ship Record Card von Friends of the Earth kein gutes Bild.

Schwefel treibt die Übersäuerung der Meere voran – weltweit lässt sich bereits ein verminderter pH-Wert der Meere erkennen. Schwefel wird natürlich nicht nur durch die Schifffahrt eingetragen, doch lassen sich unmittelbar entlang der Hauptschifffahrtsrouten der Welt deutlich tiefere pH-Werte als überall sonst erkennen, so Sudhaus.

Säure unterbindet die Kalkbildung von Lebewesen. Besonders betroffen davon sind Krustentiere wie Shrimps, Krebs und Hummer, aber auch Muscheln, Korallen und Plankton. Unter anderem also Lebewesen, die am Anfang der Nahrungskette stehen und deren Vorkommen elementar ist für eine intakte Biodiversität.

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«Es gibt mittlerweile einen Plan zur stufenweisen Reduktion von Stickoxiden, der allerdings wenig ambitioniert ist und nur für Schiffsneubauten gilt. Alles, was darüber hinaus geht, muss auf freiwilliger Basis umgesetzt werden und da wird noch nicht wirklich viel gemacht.»
Stephanie Sudhaus, Meeresschutzreferentin BUND

Abgase und ihre Reinigung mit Meereswasser

Malt ein Kind ein Schiff, so zieht das Abgas, das aus ihm strömt, meistens in die Luft. Erstaunlicherweise eröffnete diese kindliche Logik, den Reedereien ein fragwürdiges Schlupfloch, um auf teuren und reineren Kraftstoff zu verzichten und trotzdem Naturschutzrichtlinien einzuhalten. Aber alles von vorne:

Die IMO erarbeitete im Jahre 2006 Grundlagen für die Einrichtung von maritimen Emissions-Schutzzonen. Ursprünglich als «Sulphur Emission Control Area» (SECA) bezeichnet, wurden Zonen wie etwa die Nord- und Ostsee definiert, in denen Seeschiffe nur begrenzte Schwefel-Abgaswerte erreichen durften. Die Reedereien sollten so verpflichtet werden, Treibstoffe zu benutzen, welche einen maximalen Massenanteil von Schwefel nicht übersteigen. Die Absichten stimmten. «Der genehmigte Schwefelgehalt in den Treibstoffen ist selbst in besonders schützenswerten Gebieten immer noch hundert Mal höher als jener von Autoabgasen», relativiert Sudhaus die Massnahme.

Weniger schwefelbelastete Treibstoffe existieren zwar, sind aber teuer. Die Entschwefelung der Abgase durch sogenannte Scrubber-Technologie ist da billiger. Diese Geräte wurden dazu erfunden, die Schwefelanteile aus dem Abgas zu waschen. Und gewaschen wird meistens mit Seewasser, wie auch ein Scrubber-Hersteller mit Schweizer Niederlassung einräumt.

Ermöglicht wurde diese fragwürdige Technologie durch die kindliche Abgaslogik: Denn das schwefelbelastete Reinigungswasser wird rechtlich nicht als Teil des Abgases betrachtet. So ist es den Schiffsbetreiber*innen erlaubt, Scrubber-Wasser (und somit den Schwefel) direkt wieder ins Meer abzulassen. In diese Rechtslücke springen gemäss Friend of the Earth auch Schweizer Unternehmen.

Überdüngung

Während wir von Viking Cruises und den andern «Schweizer» Reedereien den Stickstoffausstoss (NOx) nicht kennen, weist ihn MSC Cruises für 2022 aus: 32’454 Tonnen beträgt er. Das ist fast genau gleich viel, wie die Schweizerische Landwirtschaft jährlich verursacht.

Diese Stickstoffeinträge tragen zur Überdüngung der Meere bei; den Effekt nennt man auch Eutrophierung. Werden aquatische Ökosysteme mit Nährstoffen angereichert, explodiert das Algenwachstum. Sterben die Pflanzen ab und werden zersetzt, wird dem Wasser Sauerstoff entzogen. So entstehen ganze Wasserschichten, welche sauerstofffrei sind. Lebewesen haben in diesen (meist tiefen) Zonen keine Überlebenschancen. Das betrifft auch Tiere, die auf diese Wasserzonen für ihre Reproduktion angewiesen sind, so zum Beispiel der Dorsch, dessen Laich sich absenkt und dabei Gefahr läuft, einzugehen.

Die ungeklärten Klärwasser der Kreuzfahrtschiffe

Die Cruise Record Card 2022 des Umweltschutz-Verbandes «Friends Of The Earth» erteilt den Schweizer Reederei MSC Cruises und Viking Cruises die schlechteste Bewertung in Sachen Abwässer-Management. Behörden aus Alaska haben 2023 bei Viking Schiffen  zwei Übertretungen bei bakteriellen Fäkalwerten festgestellt und beanstandet. 

«Sie können sich vorstellen, dass ein Waschmittel, welches auf einem Kreuzfahrtschiff verwendet wird, etwas anders zusammengesetzt ist als das Ihrige zuhause», sagt Dr. Watermann im Gespräch mit fairunterwegs scherzhaft, aber im Grunde doch eher besorgt. Watermann untersucht beim privaten Forschungsinstitut LimnoMar die Auswirkungen der Schifffahrt auf die aquatischen Ökosysteme.

Er spielt mit dem Satz darauf an, dass die Hygienevorkehrungen auf Kreuzfahrtschiffen sehr hoch sein müssen, um beispielweise Noroviren oder Legionellen vorzubeugen.

Diese seien von den Kläranlagen an Bord nur schwer zu managen. Genauso verhalte es sich mit den Medikamentenrückstände, die speziell bei Kreuzfahrten konzentriert seien, «da die Passagiere doch eher ein gewisses Alter aufweisen.»

Besonders Rückstände von Antibiotika sind in diesem Zusammenhang besorgniserregend, wird in einer Review des Marine Pollution Bulletins festgestellt: Das gleichzeitige Vorkommen von fäkalen Mikroorganismen und antibiotischen Substanzen könne potenziell zu antibiotikaresistenten Keimen führen.

Ungeklärte Klärwasser von Kreuzfahrtschiffen dürfen ausserhalb der 12 Seemeilengrenze abgelassen werden. Somit besteht das Risiko, dass die resistenten Keime ins Meerwasser gelangen und dort in andere Organismen übergehen können – sprich: den Weg in die Nahrungskette finden.

Bilge- und Ballastwasser

Bilgewasser – auch Kieljauche genannt – ist in den Schiffsrumpf eingedrungenes Wasser, das sich dort ansammelt und mit Öl und weiteren Chemikalien des Schiffsbetriebs vermischt. Logischerweise muss dieses immer mal wieder abgelassen werden. Robert Clark von der University of Newcastle und Herausgeber des Standartwerks zur Verschmutzung der Meere «Marine Pollution» stellt fest, dass die Belastung der Meere durch Bilgewasser grösser ist als die Folgen von akuten Öllecks und Schiffskollisionen.

Ballastwasser hingegen ist Wasser, welche in Tanks in den Rümpfen der Schiffe unterkommt, um diese auszubalancieren. Je nachdem wo das Wasser in die Tanks gepumpt wurde, kann dieses alle bisherig erwähnten Schadstoffe und Bakterien in sich tragen. Darüberhinaus können Lebewesen im Wasser gefangen sein, die andernorts, wenn das Ballastwasser abgelassen wird, als invasive Art ein neues Ökosystem besiedeln und potenziell die lokale Biodiversität gefährden. So zum Beispiel die aus Asien eingeschleppte Blaukrabbe, welche in der nördlichen Adria die Biodiversität und die Fischerei gleichermassen bedroht.

Autor: Matteo Baldi

Matteo Emilio Baldi hat Journalismus in Winterthur studiert. Seine journalistischen Texte wurden bei der WOZ, Watson, der ehemaligen TagesWoche und der Aargauer Zeitung publiziert. Ausserdem schreibt er Prosa und Bühnentexte und übersetzte zuletzt ein Hörspiel des SRF vom Italienischen ins Deutsche. Bei fairunterwegs ist er Junior Content Manager und kümmert um die Inhalte des fairunterwegs-Magazin.